Nobody is perfect

zu Johannes 8,1–11

Nie­mand ist vollkom­men. Alle machen Fehler, immer wieder. Viele davon passieren uns aus Ungeschick­lichkeit oder Unwis­senheit. Bei anderen wollen wir von Anfang an das Falsche und ma­chen uns schuldig mit dem, was wir tun oder nicht tun. Wir sitzen alle im sel­ben Boot. Für ein gelin­gen­des Miteinan­der sind wir darauf angewiesen, gelassen und gnädig mit den Fehlern umzuge­hen, die halt passieren.

Doch genau damit haben wir Schwierigkeit­en, in den Kirchen und Gemein­den genau­so wie als ganze Gesellschaft. Wir wis­sen zwar: Nobody is per­fect. Den­noch fordern wir fehler­lose Topleis­tun­gen voneinan­der und reagieren empfind­lich, wenn ein Fehler für uns per­sön­lich konkrete Fol­gen hat. Vielerorts wird zwar von ein­er notwendi­gen Fehler­tol­er­anz gere­det. Aber die brin­gen wir oft nicht auf. Sehr anschaulich wird das zum Beispiel auf dem Feld der Poli­tik. Wie wenig braucht es, damit Rück­tritts­forderun­gen laut wer­den. Manch­mal reicht die unbe­wiesene Ver­mu­tung eines Fehlers, dass der poli­tisch Ver­ant­wortliche abtreten muss. Er muss den Fehler auch nicht sel­ber began­gen haben. Wenn er Pech hat, kon­nte er nicht ein­mal davon wis­sen, und muss doch die Ver­ant­wor­tung übernehmen und abtreten.

Mit Fehlern gehen wir oft gnaden­los um. Wir suchen und find­en Sün­den­böcke und sta­tu­ieren ein Exem­pel an ihnen. Deshalb neigen viele Leute dazu, ihre eige­nen Fehler zu ver­heim­lichen, zu ver­tuschen oder davon abzu­lenken. Am lieb­sten wird dabei auf die grössere Schuld eines anderen ver­wiesen. Und dann heisst es: “Ich war es nicht, der andere hat auch geholfen!” Eine Fehler­tol­er­anz fördert das nicht ger­ade. Ausser­dem wird das men­schliche Miteinan­der so ganz schön vergiftet!

Das Faz­it lautet also: Wider besseres Wis­sen neigen wir dazu, die Fehler­an­fäl­ligkeit aller Men­schen zu ver­drän­gen. Deshalb sind wir oft so hil­f­los im Umgang mit kleinen und grossen Fehlern. Und es gelingt oft nicht ger­ade gut, mit Fehlern, ihren Fol­gen und den daraus wach­senden Schuldge­fühlen klar zu kom­men. — ‘Nobody is per­fect!’ Das ist nicht nur eine Bin­sen­wahrheit. Es ist auch ein Prob­lem, für das wir als Gesellschaft keine Lösung haben.

Wie kön­nte ein Ausweg ausse­hen? – Es gibt Schlaumeier, welche die Ein­sicht ‘Nobody ist per­fect’ als ihre eigene Gen­er­alamnestie miss­brauchen. Sie treten da mal jeman­dem auf den Fuss, stossen dort einen vor den Kopf und set­zen immer wieder Pro­jek­te in den Sand. Doch das kratzt sie nicht. Darauf ange­sprochen sagen sie nur: “Was soll’s? Fehler passieren halt! Nobody ist per­fect!” Aber eine Lösung kann das ja wohl kaum sein. Wer so denken will, nimmt die Ver­ant­wor­tung für sein Tun nicht wahr und ver­leugnet neg­a­tive Auswirkun­gen auf andere. Und das führt vielle­icht sog­ar dazu, dass man seine Mit­men­schen für eigene Fehler bezahlen lässt.

Ander­er­seits kann auch eine alte fromme Vari­ante als Ausweg nicht überzeu­gen! Jahrhun­derte­lang hat man in Kirchen dazu geneigt, alles und jedes zu ver­bi­eten, bei dem schon ein­mal ein­er einen Fehler gemacht hat. So hat man vielle­icht die Fehlerquote tat­säch­lich leicht reduziert. Aber dabei ging jegliche Lebens­freude ver­loren. Ausser­dem bröck­elte der zwis­chen­men­schliche Kitt, wenn Men­schen sich gegen­seit­ig kon­trol­lierten statt sich zu unterstützen.

Wie kann man auf eine gute Art mit Schuld und Fehlern umge­hen? Ist das über­haupt möglich? Ich glaube: Ja! — Jesus hat es doch vorgelebt, zum Beispiel in sein­er Begeg­nung mit der Ehe­brecherin (Jh 8,1–11). Sie zeigt, wie es Jesus ein­er­seits gelingt, Schuld nicht zu ver­harm­losen. Er nimmt wahr und benen­nt auch, was nicht gut ist. Jesus bejaht sog­ar, dass Schuld Kon­se­quen­zen hat. Und doch braucht er ander­er­seits die angeklagte Frau nicht an den Pranger zu stellen und fer­tig zu machen. Son­dern er bringt es fer­tig, ihr eine neue Chance zu eröff­nen. Sie kann nochmals von vorne anfan­gen und erhält damit die Hoff­nung, dass es dies­mal bess­er gehen kann.

Im Umgang mit Men­schen, die Fehler gemacht haben, lässt sich Jesus von Liebe und Hoff­nung leit­en: Aus Liebe verurteilt er nicht, son­dern er vergibt. Aus Liebe mah­nt er zu einem barmherzi­gen und ehrlichen Umgang miteinan­der. Und aus der Liebe wächst die Hoff­nung, die es Jesus erlaubt, Sün­dern eine neue Chance zu gewähren.

Diese Geschichte zeigt, dass ein guter Umgang mit Fehlern mit ein­er real­is­tis­chen Ein­schätzung begin­nt. Zuerst müssen Fehler wahrgenom­men und zugegeben wer­den! Jesus akzep­tiert und respek­tiert, dass die Frau gegen das Gesetz ver­stossen hat. Doch das gilt für die Ankläger genau­so. Deshalb ver­langt Jesus, dass nur ein­er den ersten Stein wer­fen dürfe, der selb­st ganz unschuldig sei. So wird den Anklägern klar: Es hat kein­er das Recht, mit dem Fin­ger auf andere zu zeigen. Die Men­schen sitzen alle im gle­ichen Boot. Es hat jed­er Dreck am Steck­en. Darum macht es keinen Sinn, sich gegen­seit­ig zu verurteilen und zu bestrafen. Das zer­stört nur die Gemein­schaft. Wer für andere unnachgiebige Härte fordert, wird selb­st nicht auf Gnade hof­fen dür­fen. Dabei sind wir doch genau darauf angewiesen, um mit unseren Fehlern umge­hen zu kön­nen. Wir brauchen Gnade und Verge­bung. Wir sind darauf angewiesen, all unseren Män­geln zum Trotz geliebt und angenom­men zu wer­den. Und wir sind her­aus­ge­fordert, genau dies unseren Mit­men­schen anzubieten.

So kann Hoff­nung auf Besserung keimen: Wenn Fehler nicht gnaden­los bestraft, son­dern grosszügig vergeben wer­den, dann ist mit dem, was geschehen ist, noch nicht alles ver­loren. Dann gibt es eine neue Chance. Jesus sagt der Frau, dass er sie nicht verurteile. Und so motiviert er sie, es von nun an bess­er zu machen. Seine Mah­nung: ‘Von nun an sündi­ge nicht mehr!’ ist fast über­flüs­sig. Denn wer eine neue Chance erhält, wird alles daran set­zen, diese auch zu nutzen.

‘Nobody is per­fect!’ – Das weiss Jesus ganz genau. Und doch liebt er seine unvol­lkomme­nen Men­schen. Er ver­mit­telt der Ehe­brecherin, dass sie wertvoll und geliebt bleibt. Das ist das Beste an der Geschichte: Ob Gott jeman­den liebt, hängt nicht an sein­er Leis­tung! Kein Fehler, und sei er noch so schlimm, hin­dert Jesus daran, einen Men­schen zu lieben. Und weil er alle liebt, bietet er auch jedem die Chance, wo immer nötig einen neuen Anlauf zu nehmen.

Ich darf mich also darauf ver­lassen, dass Jesus gren­zen­los grosszügig mit meinen Fehlern umge­ht. Zugle­ich bin ich dadurch her­aus­ge­fordert, meinen Mit­men­schen gegenüber dieselbe Grosszügigkeit an den Tag zu legen.

Fragen und Gedankenanstösse:

  • Zur per­sön­lichen Umset­zung: Gelebte Gnade im Sinne eines fehler­fre­undlichen Umgangs miteinan­der muss bei mir anfan­gen. Wo muss ich meine Ansprüche und Erwartun­gen zurückschrauben, um anderen Raum für eine neue Chance geben zu können?
  • These zur Diskus­sion: Lieber viele Fehler machen als aus Angst vor Fehlern nichts tun. Ein Heiliger ist nicht fehler­frei, son­dern jemand, der sich dank Jesus Chris­tus mit sein­er Unvol­lkom­men­heit ver­söh­nt hat.

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