Zuhören

Bildquelle: Dieter Schulz / pixelio.de

Zu Apos­telgeschichte 20,7–12

Man darf über alles predi­gen, nur nicht über eine halbe Stunde! Das wurde uns im Laufe der theologi­schen Aus­bil­dung immer wieder ans Herz gelegt. Unter­dessen zie­hen manche die Gren­ze schon bei 20 oder gar 15 Minuten. Die Auf­merksamkeitsspanne wird immer kürz­er und die Konzentrationsfä­hig­keit scheint all­ge­mein abzu­nehmen. Von Poli­tik­ern wird oft sog­ar ver­langt, dass sie das We­sent­liche in State­ments von 20 bis 30 Sekun­den auf den Punkt brin­gen kön­nen. Dabei geht das eigentlich gar nicht, weil die The­men ein­fach zu kom­plex sind.

In diesem Zusam­men­hang sehne ich mich manch­mal nach früheren Zeit­en. Da, so scheint mir, hat­te man noch Zeit zum Reden und zum Zuhören. Ich staune, wenn ich zum Beispiel eine Predigt von John Wes­ley lese und nachrechne, dass sie min­destens eine Stunde gedauert haben muss. In den Zeit­en der ersten Chris­ten muss es sog­ar noch län­gere Predigten gegeben haben, wie zum Beispiel Apos­telgeschichte 20,7 zeigt.

Als Verkündi­ger wün­schte ich mir manch­mal die Zeit, ruhig alles zu Ende zu for­mulieren, selb­st wenn das mal bis Mit­ter­nacht dauern sollte. Mir ist aber auch bewusst, dass ich als Predigth­ör­er ganz anders empfind­en würde. Da gin­ge mir die Geduld und die Kraft zuzuhören schon viel früher aus. Das war bei Paulus übri­gens auch so. Ein­er der Zuhör­er, Euty­chus, schlief während der Predigt ein und fiel dabei aus dem Fen­ster. Beim Sturz zog er sich tödliche Ver­let­zun­gen zu. Im Ver­trauen auf Gottes Kraft gelang es Paulus aber, ihn wieder zum Leben aufzuwecken.

Da fasse ich mich dann doch lieber ein wenig kürz­er. Das Risiko, neg­a­tive Fol­gen ein­er allzu lan­gen Predigt nur noch durch ein Wun­der kor­rigieren zu kön­nen, möchte ich doch lieber ver­mei­den. Es macht mich aber schon nach­den­klich, dass damals nicht nur Paulus die Zeit hat­te, so lange zu reden. Auch die Zuhör­er nah­men sich offen­sichtlich die Zeit, bis zum Ende dabei zu sein. Dabei war Paulus wohl gar nicht ein so bril­lanter Red­ner, dass man ihm gerne so lange zuhören wollte. Es muss die Leute schlicht sehr inter­essiert haben, was er zu sagen hat­te. Sie woll­ten so viel wie möglich von Gottes Wort hören. Dafür nah­men sie sich Zeit.

In dieser Beziehung gäbe es bei uns heute wohl schon Verbesserungspoten­zial. Wir sind Kinder ein­er hek­tis­chen und schnel­llebi­gen Zeit. Es schadet bes­timmt nicht, wenn wir uns hie und da fra­gen: Sind wir über­haupt bere­it, bis zum Ende auf das zu hören, was ein­er zu sagen und zu bezeu­gen hat? Schal­ten wir manch­mal nicht viel zu schnell auf Durchzug und meinen, wir wüssten ja sowieso, was der andere zu sagen hat? Ich ertappe mich sel­ber bei diesem Ver­hal­ten. Schon bei ganz alltäglichen Gesprächen, aber auch beim Hören von Predigten und Vorträ­gen – oder beim Lesen von Büch­ern. Das hat sich­er auch mit den Wort­law­inen und Infor­ma­tions­fluten zu tun, die ständig über uns rollen. Von da her ist fehlende Konzen­tra­tions­fähigkeit und man­gel­nde Bere­itschaft zuzuhören wohl ein Stück weit begrei­flich. Das ändert aber nichts daran, dass uns so Vieles ent­ge­ht. Ich möchte deshalb ler­nen, bess­er und geduldiger zuzuhören, mich zu konzen­tri­eren und mich mit dem auseinan­derzuset­zen, was andere zu sagen haben. Nicht nur, aber ger­ade auch dann, wenn mich jemand wie Paulus in sein­er Predigt im Namen Gottes anspricht. Ein leuch­t­en­des Vor­bild ist mir dabei Maria aus Bethanien. Laut Lukas 10,38–42 war sie bere­it, ihr Tages­geschäft liegen zu lassen und sich ganz auf das zu konzen­tri­eren, was Jesus zu sagen hatte.

(Dieser Beitrag ging am 6.August 2017 bei ERF Plus als Wort zum Tag über den Sender)

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