Gebrauchsanweisung für ein Wunder

zu Lk 9,10–17

Bib­lis­che Wun­dergeschicht­en for­dern den Ver­stand her­aus: Kann das wirk­lich so passiert sein? Doch der Stre­it darüber, ob es genau­so war wie berichtet, lenkt ab. Denn wer sich sich von Wun­dergeschicht­en motivieren lässt, kann auch heute Erstaun­liches erleben.

Kann das wirklich sein?

Es ist schw­er vorstell­bar, dass fünf Brote und zwei Fis­che aus­gere­icht haben sollen, um so viele Men­schen (die Zahl 5’000 bezieht sich nur auf die Män­ner; Frauen und Kinder ein­gerech­net müssten weil über 10’000 Leute dabei gewe­sen sein) satt zu machen. Das kann doch nicht mit recht­en Din­gen zuge­hen. So gab es zahlre­iche Ver­suche, diese Geschichte erk­lär­bar zu machen. Man ver­suchte die Zahl herun­terzuhan­deln. Oder man erk­lärte, das manche der Anwe­senden sehr wohl Pro­viant bei sich gehabt hät­ten und Jesus es geschafft habe, diese zum Teilen mit den anderen zu bewe­gen. Ein Ausleger spekulierte, dass Jesus vor ein­er Höh­le ges­tanden habe, in der die Jünger im Stile eines Schnel­lim­biss­es massen­haft Ess­waren produzierten.

Es geht um die Botschaft, nicht um das Ereignis

Doch solche Erk­lärungsver­suche gehen aus mein­er Sicht am Ziel vor­bei. Einen lan­gen mündlichen und schriftlichen Über­liefer­ung­sprozess exakt rück­wärts aufzurollen bis man beim exak­ten Usprungsereig­nis ankommt, ist bei vie­len Bibel­tex­ten schlicht nicht möglich. Sie wollen näm­lich nicht im exakt im mod­er­nen Sinn his­torisch bericht­en. Son­dern sie wollen zum Ver­trauen auf Gott motivieren. Die Speisung der 5000 zielt nicht in erster Lin­ie auf die Aus­sage: “Wow, so viele Leute kon­nte Jesus sät­ti­gen!” Son­dern sie lädt ein, ja fordert her­aus: “Ent­decke, was möglich wird, wenn Du Gott zur Ver­fü­gung stellst, was Du hast!”

In vier Schritten zum Wunder

Wie kommt es zu diesem Wun­der? Ich nehme in Lk 9,10–17 (die Geschichte wird übri­gens als von ganz weni­gen in allen vier Evan­gelien erzählt; vgl. Mt 14,13–21; Mk 6,31–44; Jh 6,1–13) vier Schritte wahr:

  1. Problem/Bedürfnis wahrnehmen: Die Jünger nehmen wahr, dass Men­schen mit einem bes­timmten Bedürf­nis da sind. Sie haben Hunger. Dage­gen muss man etwas unternehmen.
  2. Mein Poten­zial ein­brin­gen: Jesus fordert die Jünger auf, sie soll­ten den Men­schen selb­st zu essen geben. So kom­men fünf Brote und zwei Fis­che zum Vorschein. Das ist zwar auf den ersten Blick nur ein Tropfen auf einen heis­sen Stein. Und doch ist es ein Anfang. Es ist wichtig, das eigene Poten­zial zur Ver­fü­gung zu stellen, es in eine Prob­lem­lö­sung zu investieren.
  3. Das Vorhan­dene ver­trauensvoll Gott zur Ver­fü­gung stellen: Jesus nimmt nun das kleine vorhan­dene Poten­zial, die fünf Brote und zwei Fis­che, und dankt Gott dafür. Er stellt es ihm zur Verfügung.
  4. Staunen, was Gott daraus macht: Was nun daraus wird, sprengt alle Vorstel­lun­gen. Fünf Brote und zwei Fis­che sind für Gott genug, um eine grosse Men­schen­menge mehr als satt zu machen. Die Botschaft des Bibel­textes lautet also: Was immer du Gott zur Ver­fü­gung stellst, er mul­ti­pliziert es und kann daraus Gross­es für Viele wer­den lassen.
Funktioniert die Methode?

Wer diese vier Schritte zur Meth­ode machen will, mit der man Gott Wun­der abtrotzen kann, wird ent­täuscht wer­den. So ‘funk­tion­iert’ die Meth­ode natür­lich nicht. Aber wer mit seinem vielle­icht kleinen Poten­zial anz­u­fan­gen wagt, sich für Prob­lem­lö­sun­gen zu engagieren, wer das Wenige, das er hat, Gott zur Ver­fü­gung stellt, bewirkt und erlebt wohl Erstaunlich­es. Viel mehr jeden­falls als andere, die wohl die Grösse von Prob­le­men wahrnehmen und bekla­gen, im Bewusst­sein der eige­nen Gren­zen aber beim Jam­mern ste­hen bleiben und gar nicht erst einen Ver­such wagen.

Zum Beispiel

Die Bibelle­se­hil­fe ‘Mit der Bibel durch das Jahr 2017’ macht fol­gende Verknüp­fung: “Angesichts der Flüchtlinge sagen wir: ‘Es sind zu viele! Wir kön­nen uns doch nicht um alle küm­mern!’ Angesichts der Men­schen, die kamen, um Jesus zu hören und von ihm geheilt zu wer­den, bat­en die Jünger: ‘Schick sie woan­ders hin! Wir haben nicht genug zu essen für alle!’ Wer wollte kein Ver­ständ­nis haben für ihre Lage? Es wäre eine vernün­ftige Lösung des Prob­lems gewe­sen, wenn sich die Menge auf die umliegen­den Dör­fer verteilt hätte. Die Jünger sahen ganz real­is­tisch, dass es ein­fach nicht reichte, was sie zu bieten hat­ten: Fünf Brote und zwei Fis­che. Vielle­icht hat­ten sie auch Angst, sel­ber zu kurz zu kom­men? Jesus fragte die Jünger nicht nach ihren Grün­den. Er sagt zu ihnen: ‘Gebt ihr ihnen zu essen.’ – Er sagt es auch zu uns:’Gebt den Hungern­den zu essen und nehmt die Flüchtlinge auf. Gebt, was ihr geben kön­nt, damit Men­schen men­schen­würdig leben kön­nen und nicht aus ihrer Heimat fliehen müssen.’ – Fünf Brote und zwei Fis­che. Die Jünger gaben Jesus das in die Hand, was sie hat­ten. Viel war es nicht. Aber Jesus nahm das Wenige und sprach darüber seinen Segen. Und dann war dieses geseg­nete Brot, dieser geseg­nete Fisch genug. Genug für alle. Angesichts der Men­schen, die vor Krieg und Armut fliehen, sollen wir nicht nach Grün­den suchen, um die Men­schen abweisen und fortschick­en zu kön­nen. Auch wir kön­nen das Wenige, was wir zu geben haben, in Jesu Hände leg­en. Es kann es ver­wan­deln in etwas Grösseres ….” (Karen Hin­richs in: Mit der Bibel durch das Jahr, öku­menis­che Bibelausle­gun­gen 2017, erschienen im Kreuz Ver­lag und im Katholis­chen Bibel­w­erk, zum 08.02.2017).

Fragen und Gedankenanstösse:

  • Zur per­sön­lichen Umset­zung: Welche Bedürfnisse/Aufgaben nehme ich wahr? Was hin­dert mich allen­falls, mein Poten­zial einzubrin­gen und mich für eine Lösung zu engagieren? Wie finde ich den Mut, anzufangen?
  • Zur Diskus­sion: Was macht ein Ereignis/Erlebnis zu einem Wun­der? Ist es im Sinne dieses Bibel­textes, diese Geschichte mit der Prob­lematik von Migra­tion und Flüchtlin­gen zu verknüpfen?

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