Unsere Sicht auf die eigene Kirche und Gemeinde ist oft problem- oder defizitorientiert. Wir können gut benennen, was fehlt, was nicht so recht klappt und wo wir an Grenzen stossen. — Selbstkritik ist sicher wichtig. Aber man kann es auch übertreiben. Und dann gräbt man der eigenen Begeisterung nicht nur für die Gemeinde, sondern auch für den Glauben überhaupt, das Wasser ab. Das muss nicht sein. Denn es gibt Gründe, ein stolzer Methodist zu sein.
Stolz?
Stolz gilt seit den Anfängen der Kirche als eine der sieben Todsünden. Und selbst wenn man davon abzusehen vermag, klingt Stolz in unserer Sprache doch immer mehr oder weniger stark nach Überheblichkeit. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sich ein T‑Shirt mit der Aufschrift ‘proud Methodist’ bei uns wohl schlecht verkaufen würde. Überheblichkeit oder Überschwang beurteilen wir doch gerne ziemlich kritisch.
Im Praktikum vor dem Theologiestudium mussten wir u.a. ein Büchlein von A.Schütz mit dem Titel ‘wir lieben unsere Kirche’ lesen. Ich erinnere mich an eine, wie ich damals fand, allzu unkritisch positive Selbstdarstellung. Andererseits beeindruckte mich die ungeschminkte Begeisterung für die eigene Kirche schon, die darin zum Ausdruck kam. Der Autor, selbst EMK-Pfarrer, war stolz auf seine Kirche. Und heute frage ich mich manchmal, ob ich da nicht ein wenig von ihm lernen könnte.
Vielleicht ist ‘Stolz’ im Deutschen kein gutes Wort dafür. Aber Dankbarkeit für die eigene Kirche und Gemeinde zu empfinden und zu zeigen, kann so verkehrt ja nicht sein. Man darf auch das Potenzial mal in den Fokus rücken und von da her Positives nicht nur sehen, sondern sogar rühmen. So macht es z.B. Paulus mit Blick auf die Gemeinde in Thessalonich.
Z.B. Paulus: Potenzial statt Grenzen sehen
Wer 1. Thess. 1,2–10 liest, gewinnt den Eindruck, dass damals in Thessalonich eine vitale und starke christliche Gemeinde gelebt haben müsse. Doch das täuscht wohl etwas. Als Paulus den Brief schrieb, gab es die Gemeinde noch gar nicht lange. Die Gründung war unter schwierigen, ja turbulenten Umständen (vgl. Apg 17,1–15) erfolgt und die Christen waren unter Druck. Der Fortbestand dieses Gemeindegründungsprojektes stand also noch auf sehr wackligen Füssen stand. Dennoch war Paulus voll des Lobes und schrieb u.a.: «… überall hat sich die Kunde von eurem Glauben an Gott verbreitet.» Vielleicht war das übertrieben. Die Wirklichkeit dürfte bescheidener ausgesehen haben. Doch Paulus wollte ermutigen und hielt darum anerkennend fest, wie engagiert die Christen in Thessalonich Glaube, Liebe und Hoffnung zu leben versuchten. Überzeugt, dass dies viel stärker wirkte als sie selbst wahrnahmen, rühmte und verdankte Paulus vor Gott deshalb eine weltweite Ausstrahlung der wenigen Christen in dieser Hafenstadt.
Wichtig war ihm das Potenzial, das also, was aus einem kleinen Anfang noch werden konnte. Mit dem Hinweis darauf konnte er den Thessalonichern in ihrer Situation den Rücken stärken. Und der Gefahr von Überheblichkeit begegnete er dadurch, dass er letztlich nicht den Gemeindemitgliedern dankte, sondern Gott lobte, der dieses Potenzial in die Situation schenkte.
Dankbar für die EMK
Wenn ich mir Paulus Perspektive zu eigen mache und so auf die eigene Gemeinde und Kirche schaue, entdecke ich: Es gibt viele Gründe, weswegen ich dankbar und vielleicht sogar auch ein wenig stolz bin auf die EMK. Dazu gehören:
- In der EMK liegt der Schwerpunkt nicht auf der korrekt formulierten Lehre, sondern darauf, dass der Glaube konkrete Auswirkungen hat. Auf dem Grundstein der EMK Bülach steht das von John Wesley gewonnene Motto: «Glaube, der sich in Liebe betätigt.»
- Die Bereitschaft, über Kirchen- und Gemeindegrenzen hinaus mit — wie John Wesley wohl sagen würde — ‘allen Menschen guten Willens’ zusammenzuarbeiten zum Lob und zur Ehre Gottes.
- Sehr viele engagierte Menschen, die sich treu und ausdauernd engagieren in der Gemeinde.
- Die Gemeinschaft mit anderen Christen, in der ich mich nicht verstellen muss, sondern mit meinen Möglichkeiten und Grenzen akzeptiert und respektiert werde.
- Das ausdauernde Gebet vieler miteinander und füreinander.
Und was macht Dich dankbar, vielleicht sogar ein wenig stolz für deine Gemeinde und Kirche?
Fragen und Gedankenanstösse:
- Zur persönlichen Umsetzung: Wofür bin ich dankbar im Blick auf meine Kirche und Gemeinde?
- Zur Diskussion: Wie kann man verhindern, dass nötige Selbstkritik nicht zur Selbstzerfleischung wird? Wie kann man andererseits dafür sorgen, dass dankbarer Stolz nicht in Überheblichkeit kippt?