Gegen das Grundgefühl unserer geschäftigen Zeit lädt das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat zu viel Gelassenheit ein. Schliesslich wachse «von selbst» (im Griechischen steht das Wort «automatisch»), was es einmal zu ernten gebe.
Von nichts kommt nichts
«Von nichts kommt nichts!» – So glaubt der Volksmund. Entsprechend engagiert und bisweilen verbissen arbeiten wir, um etwas zu erreichen. Angeblich lacht das Glück ja dem Tüchtigen. Auch Kirchen und Gemeinden sind von dieser Haltung angesteckt. Wir entwerfen Konzepte, definieren und überprüfen Ziele und rackern uns dann ab, um diese Ziele zu erreichen. Nicht selten sind wir aber später frustriert, wenn wir merken, dass der Ertrag nicht dem Aufwand entsprochen und der Berg nur ein Mäuschen geboren hat. Wir fühlen uns wie der legendäre Sysiphus und beginnen immer wieder von vorne. Und beim nächsten Anlauf arbeiten wir noch etwas härter. So muss der Erfolg doch kommen, früher oder später. So zu denken scheint ein unanfechtbares Credo unserer Zeit zu sein.
Laisser-faire
Ganz anders klingt ein Gleichnis, das nur im Merkus-Evangelium zu finden ist. Jesus erzählt (in Mk 4,26–28): «Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiss nicht wie. Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.» Diese Geschichte ist eine Zumutung für alle Fleissigen und Tüchtigen. Wie soll man es denn aushalten, nicht aktiv zu sein, sondern geduldig und vertrauensvoll zu warten, bis von selber wird, worauf man hofft?
Nicht faul, aber gelassen
Freilich geht es nicht um Dolce far niente. Jesus redet nicht der Faulheit das Wort. Aber er ermuntert zu mehr Vertrauen und zu mehr Gelassenheit. Wir können ja den Erfolg nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen und garantieren. Und wir müssen das auch gar nicht. Sondern wir sind vielmehr eingeladen, auf das Wirken Gottes, das all unser Tun und Verstehen übersteigt, zu vertrauen. — Wie entlastend das wäre und was für ein starkes Mittel gegen drohende Resignation, wenn ich Gott mehr zutrauen und ihm mehr Zeit zum Wirken geben könnte! Die Herausforderung besteht darin, darauf zu vertrauen, dass Gott zur gegebenen Zeit wachsen und reifen lässt, was ausgesät worden ist.
Beten UND Arbeiten
Klar festzuhalten ist aber: So einseitig und falsch es ist, alles aus eigener Kraft bewerkstelligen und bewirken zu wollen, so falsch ist es auch, sich gar nicht zu engagieren mit der Begründung: Gott allein lässt wachsen, was eines Tages geerntet werden kann. Es geht eher darum, ein gutes Gleichgewicht zu finden. Ein Martin Luther zugeschriebenes Zitat bringt es ganz gut auf den Punkt: «Man muss beten, als ob alles Arbeiten nichts nützen, und arbeiten, als ob alles Beten nichts nützen würde.» – In diesem Sinne wünsche ich mir und Ihnen ein überzeugtes und gelungenes Engagement in unseren Aufgaben. Und zugleich das gelassene Vertrauen, dass dank Gottes Wirken und Segen unser Engagement Gutes bewirkt. Denn Gott lässt wachsen und reifen. Und ihm verdanken wir, dass es immer wieder etwas zu ernten gibt.
(Dieser Beitrag basiert auf einem Wort zum Tag, das am 5.März 2016 bei ERF Plus über den Sender ging.)