von Max Huber, EMK-Pfarrer im Ruhestand
Bibeltext: Matthäus 21,1–11 par
Zur Passion von Willy Fries
Kurz vor dem zweiten Weltkrieg macht der Schweizer Maler Willy Fries (1907 bis 1980) bei einem Studienaufenthalt in Berlin die schmerzliche Erfahrung: Passion ist nicht Vergangenheit, sie findet heute statt. Die unübersehbare Schar von Zuschauern ist Fries unter die Haut gegangen. Er ist fast verzweifelt an ihnen.
Aus tiefer Betroffenheit hat er in der Stille vom Toggenburg 18 zum Teil grossformatige Passions-Bilder gemalt und das Leiden von Christus krass in unsere Gegenwart hineingestellt. So hat er mit dem Pinsel seine Ohnmacht und Wut festgehalten und einen Markstein gegen das Vergessen gesetzt. Aus innerer Berufung hält er uns einen menschenverachtenden Spiegel vor Augen, mit dem er sich damals viele Feinde geschaffen hat. Der Zyklus schliesst mit Ostern, Auffahrt und Pfingsten.
Es ist heilsam, ein erstes Bild „Palmsonntag“ auf sich wirken zu lassen.
Palmsonntag
Unscheinbar, in einem hellgrauen Mantel, reitet dieser seltsame König auf einem Esel, dem Lasttier der Armen, daher. Der Einzug findet nicht in Jerusalem, sondern unverkennbar in Hemberg statt. Da ist die Welt noch in Ordnung, weil die Kirche mitten im Dorf steht. Fries hat dem Bild damit einen aktuellen Stempel aufgedrückt.
Christus begrüsst alle, die ihm bei seinem Einzug entgegen kommen nicht mit dem Zeichen vom Segnen, sondern mit dem V — Zeichen, mit dem sich im 2. Weltkrieg die Widerstandskämpfer grüssten.
Eine ganze Schar von erwartenden Menschen breitet Tücher auf dem Boden aus. Und im Chor der Masse hört man immer wieder nur den einen Ruf „Hosianna — Hosianna, gelobt, sei der da kommt in dem Namen des Herrn“!!
Jesus lässt sich nicht blenden vom königlichen Empfang und dem Jubelruf. Er weiss, was für eine Krone man ihm in Kürze aufsetzen wird.
Die nackten, spitzästigen Bäume vom Vorfrühling tun mehr als nur die Sicht beeinträchtigen. Ihre Stacheln sind ein untrüglicher Hinweis auf die Dornenkrone.
Optisch und akustisch ist das Volk eine geschlossene Einheit. Nur einer — am rechten Bildrand — ist ausgebrochen. Hinter einem Busch ist er ganz für sich in die Knie gesunken. Vielleicht ist er der einzige, der wirklich eine Ahnung hat, um was es jetzt da geht.
Wo finde ich mich selber auf diesem Bild?