von Max Huber, EMK-Pfarrer im Ruhestand
Bibeltext: Johannes 20,19–23
Zur Passion von Willy Fries
Willy Fries (1907 bis 1980) hatte als Augenzeuge vom Beginn des Nationalsozialismus in Berlin die Grösse, an der Passion und dem schwärzesten Tag von Karfreitag nicht hängen zu bleiben. Er will bewusst Ostern und seinen hellsten Tag feiern!! Er fühlt sich beauftragt, mit Pinsel und Leinwand das Evangelium zu verkündigen.
Ja, was sollen wir denn feiern, gerade in Zeiten von Corona, wenn nicht den auferstandenen Christus? So hat er uns als Vermächtnis ein spezielles Osterbild hinterlassen.
Christi Erscheinen hinter verschlossenen Türen
Die Jünger – es sind nur noch elf – haben sich aus Angst, sie könnten auch am Kreuz enden, in einen fensterlosen, düsteren Raum eingeschlossen. Sie haben keinerlei Perspektiven, keine Erwartungen mehr, nur noch Angst. Selbst der wortgewaltige Petrus ist stumm geworden. Wortlos und ohne einen Glanz in ihren Augen sitzen sie blockiert da und wissen nicht mehr weiter. In ihren Herzen ist es genau so dunkel wie in ihrem selbstgewählten Verliess.
Völlig unerwartet steht der auferstandene Christus mitten unter ihnen. Er verbreitet ein wärmendes Licht. Sie ertragen seine überraschende Nähe und sein Licht nicht, wenden sich erschrocken und entsetzt ab, halten die Hände vor das Gesicht, suchen ein Versteck oder möchten fliehen.
Jesus aber ist noch nicht fertig mit ihnen. Sie hören keinen Vorwurf, keine Moralpredigt im Sinne von: „Ihr seid mir noch Helden“!
Kein „Hallo, Maria Magdalena hat euch doch von meiner Auferstehung berichtet!! Wo ist euer Glaube, euer Vertrauen“?
Völlig überraschend hören sie von Jesus die vertrauten Worte: „Schalom – Friede sei mit euch“!
Mit allem haben die verängstigten Jünger gerechnet, nur nicht mit seiner Gegenwart und dieser Liebeserklärung.
Damit nimmt sich Christus die Freiheit, aus „Wackelkandidaten des Glaubens“ „Visitenkarten des Glaubens“ zu machen!
Tief beschämt wissen sie in ihrem Innersten, wie sehr sie Unfertig, Unperfekt sind. Trotzdem geliebt zu sein von ihm wächst in ihnen der Wunsch, als Erlösungs- und Heilungsbedürftige in seiner Nähe zu sein und zu bleiben.
Als Glaubens-Hilfe zeigt er ihnen wortlos die durchbohrten Hände. Dann lesen wir im Johannes-Evangelium (20, 20b) weiter: „Da wurden die Jünger froh, als sie den Herrn sahen“!
In meiner Fantasie überlege ich mir, wie es weiter gegangen ist. Langsam, immer noch tief beschämt, gehen die erstarrten Jünger auf Jesus zu. Die „Freude am Herrn“ (Nehemia 8,10) geht wie ein heilender Stromstoss durch ihren Körper. Dank dieser Freude verlieren sie ihr Bekümmert sein und sind dankbar, von Christus eine zweite Chance erhalten zu haben.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie – beflügelt von dieser Freude und gelöst von Blockaden – behutsam Fenster-Läden und Türen öffnen. Es könnte sein, dass das hereinbrechende Licht und die frische Luft es ihnen leichter macht, ein neues „Ja“ zu finden zum auferstandenen Christus.
Kennen wir solch hausgemachte Blockaden mit verschlossenen Türen und Läden?
Wo habe ich diese zweite Chance selber auch schon erfahren dürfen, dass sich Christus die Freiheit nimmt, aus „Wackelkandidaten des Glaubens“ „Visitenkarten des Glaubens“ zu machen?
Lieber Max,
Herzlichen Dank für deinen tollen Beitrag, er ist so interessant und spannend und das Bild so wohltuend.
Vor allem der Gedanke, vom Wackelkanditaten zur Visitenkarte des Glaubens hat mich die letzten Tage enorm beschäftigt. Was liegt doch da für ein langer, beschwerlicher Weg dazwischen! Aber nicht ich musste mich abrackern um ihn zu gehen, sondern Christus ist ihn gegangen, von Karfreitag bis Ostern. Er ist gestorben für uns, auferstanden und das Grösste: ER LEBT, auch heute! Weil ich das glaube und annehmen kann darf ich eine Visitenkarte Gottes sein, wir alle sind Visitenkarten, jede anders gestaltet, bunt vielfältig, oder eher nüchtern, vielleicht auch in den Trendfarben schwarz weiss? Vielfältig wie wir Menschen! Aber etwas verbindet uns, der Name ist Programm!
JESUS CHRISTUS
Liebe Silvia
Herzlichen Dank für deine Rückmeldung. Ja, wir alle brauchen auf unserem Weg immer wieder solch Mut machende Glaubens-Erfahrungen.
Willy Fries hat mit Pinsel und Farbe markante Predigten gehalten, die unter die Haut gehen und darum unvergesslich bleiben.
Was meine Wenigkeit betrifft würde ich das mit den „Visitenkarten“ etwas vorsichtiger ausdrücken. Persönlich finde ich es als grosse Gnade, so etwas überhaupt sein zu dürfen!!! Weisch wie schön!!
Schon Paulus war aber Realist und bekennt im Philipper-Brief (3, 12):
„Nicht dass ich es schon ergriffen habe (die Visitenkarte), aber ich jage ihm (ihr) nach!!“
Dieses Vermächtnis ist ein feuriges Plädoyer für die Unfertigkeit – aber keinesfalls im Sinne einer Legitimation oder Bagatellisierung der Schuld, sondern vielmehr ein beneidenswerter Befreiungs-Schlag, erlöst und begnadet bis zum letzten Atemzug leben zu dürfen.
Auch Martin Luther hat es sprachgewandt formuliert: „Ich habe den alten Adam ersäuft, aber der Kerl kann schwimmen!!“
Weil „der Kerl“ schwimmen kann, bleibt es eine lebenslange Gratwanderung zwischen „Wackelkandidat“ und „Visitenkarte“. Oft ist es ja so, dass wir auch beides sind.
Solange wir mit Paulus Tag für Tag bekennen: „Ich jage ihm aber nach!!“ ist unser Leben nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden.
Manchmal ist das ganz unspektakulär, nicht selten aber total atemberaubend, diesem Jesus als „Normaler“ nachzufolgen.
Bhüet dich Gott uf däm spannende, gheimnisvolle Wäg zwüsched „Wackelkandidat“ und „Visitenkarte“!
Max Huber, unfertig aber begnadet!!!
Danke Max für deine Antwort. Genauso habe ich es auch verstanden. Statt Visitenkarte kann man ja auch sagen, eine Zeugin, ein Werkzeug Gottes. Das darf ich sein auch als Wackelkanditatin, gerade auch in meiner Schwachheit. Die Jünger Jesu waren ja auch nicht vollkommen, sondern sehr menschlich. Das tröstet mich! Es ist ein grosses Geschenk und eine noch grössere Gnade, dass Gott an mir und mit mir arbeitet. Ich werde mein Leben lang eine Wackelkanditatin sein und trotzdem freue ich mich, dass er mich auch braucht als Visitenkarte, als Werkzeug. Wir sind seine Arme, Füsse, Augen und Ohren! Die dürfen und sollen wir gebrauchen. Oft erscheint uns Christus gerade in unserem Nächsten. Wie schön wenn dieser Mensch dann ein Stück “Himmel” erleben darf ‚oder noch besser wenn er das Gefühl hat einem Engel begegnet zu sein. An diese Dinge habe ich eigentlich bei Visitenkarte gedacht! Du hast es für mich auf den Punkt gebracht: BEGNADET SEIN