Bibeltext: Lukas 18,9–14
von Pfr. Robert Seitz; aus seinem Buch: ‘So weit der Himmel ist — Horizont-Erweiterungen’, S. 182
Es ging ein Mensch in die Kirche,
um seinem Gott nahe zu sein.
Er bezeichnete sich selber als einen Gläubigen.
In seinem Auftreten war er ein lebendiger Vorwurf
für die Ungläubigen um ihn herum.
Er stand da in der Kirche und
lobte seinen Gott mit erhobenen Armen.
Mit seinen Liedern erhob er ihn zum Sieger
über alle seine Feinde.
Er fühlte sich entrückt in die Gegenwart des Allmächtigen
und ohne dass er es wusste,
kreiste er wie ein Planet um sich selber.
Die Engel aber waren in Sorge und flüsterten einander zu:
“Wenn er doch nur etwas weniger das Wort ich gebrauchen würde!
Hat nicht unser Erlöser Christus im Gebet, das er uns lehrte,
dieses Wort kein einziges Mal gebraucht?”
Aber der Mensch betete weiter und sagte:
“Ich danke dir, Gott, dass ich näher bei dir bin.
Ich bin kein Einbrecher und homosexuell bin ich auch nicht.
Ich bin kein Sozialbezüger. sondern ich arbeite.
Ich faste zweimal die Woche mit etwas Obst und esse Knoblauch.
Ich bin darum gesünder geblieben als andere Leute.
Ich gebe von meinem Einkommen ungefähr den Zehnten
für gute Zwecke und ich nehme keine Kleinkredite auf.”
Und während er betete, hielten sich die Engel ihre Ohren zu
und sagten zueinander:
„Jetzt hat er schon wieder zehn Mal ich gesagt.“
Und Gabriel schlug vor:
“Dieses Gebet übertragen wir nicht an höchste Stelle.”
Und ein Armer stand da und hatte nur seine innere Armut.
Stationen aus seinem Leben tauchten auf in seinem Gedächtnis.
Und er brachte die Worte kaum hörbar über seine Lippen:
“Gott, deine Liebe ist meine letzte Rettung.
Sieh meine Armut und nimm mich an.“
Und die Engel waren sich einig:
“Das übertragen wir mit Freude live.”