GASTBEITRAG: Wunder

Bildquelle: https://oraciontaizecadiz.wordpress.com/

von Pfr. Christoph Schluep, Regen­bo­genkirche EMK Zürich 2

Bibel­text: Markus 8,1–9

Bei der Geschichte von der Speisung der 4000 ist Vieles ganz aussergewöhnlich: 

Zum einen ste­ht nur zwei Kapi­tel vorher die Geschichte der Speisung der Fün­f­tausend. Sie wird hier fast wörtlich wiedergegeben. Schlaue The­olo­gen sprechen gerne von ein­er Dop­pelüber­liefer­ung, dh. eine Geschichte wird zweimal sep­a­rat über­liefert, weil sie nicht ganz iden­tisch sind. Nie­mand merkt es, nur wir, 2000 Jahre später, weil wir so gescheit sind. Aber das ist natür­lich Unsinn: Markus wusste sehr wohl, dass er ein fast iden­tis­ches Wun­der  kurz vorher erzählt hat. Das Aussergewöhn­liche daran ist nun nicht mehr die Ver­mehrung des Brotes — jed­eR LeserIn weiss, dass Jesus das kann. Aussergewöhn­lich ist, dass die Jünger es offen­bar nicht begrif­f­en haben. Sie sind das zweite Mal eben­so sprach­los und ideen­frei wie das erste Mal. Das scheint mir der geistliche Clou dieser Geschichte zu sein. 

Ein weit­ere Gesicht­spunkt ist die Selb­stver­ständlichkeit des Wun­ders: Jesus dankt nur, und dann ist viel mehr da, als benötigt wird. Wie es geschieht, wird nicht erzählt. Dass es jeman­dem aufge­fall­en wäre, auch nicht. Es passiert ein­fach so, als wäre es alltäglich. 

Und schliesslich: Diese Geschichte erin­nert mich auf eine fast schon schock­ierende Art an die Zeit, in der wir ger­ade leben: Aus nichts wird sehr, sehr viel, und wir wis­sen nicht, wie es geschieht. Nicht Brot, aber Tod. 

Drei Gedanke­nanstösse zu drei Gesichtspunkten: 

1. Wie oft müssen wir etwas erleben, bevor wir es glauben kön­nen bzw. es so tief in unsere Seele hineinsinkt, dass wir ein näch­stes Mal darauf ver­trauen kön­nen? Wie oft muss uns Gott helfen oder einen Weg zeigen, bis wir in der näch­sten Sack­gasse nicht wieder verza­gt und hoff­nungs­los vor dem Berg ste­hen, son­dern uns ver­trauensvoll an Jesus wen­den, weil wir glauben und erfahren haben und wis­sen, dass er hil­ft? Vielle­icht wäre das heute Hil­fe zur Hoff­nung: Hat er dich je hängenlassen? 

2. Jesus dankt, und aus fast nichts wird sehr viel. Nun, ich kann kein Brot ver­mehren, aber ich kann danken. Und sehen, was ich wirk­lich habe und nicht bloss ver­mis­sen, was mir fehlt. Das macht mein Leben reich. Es bleibt aber die Auf­gabe des Verteilens: Jesus macht nicht Brot für sich, son­dern für die anderen. Auch mein Brot gehört nicht nur mir. Was ich dank­end als Gabe Gottes erkenne, ist immer auch eine Gabe Gottes an mich — durch mich — für andere. 

3. Wer je gezweifelt hat, ob Brot sich über­haupt ver­mehren kann und ob diese Geschichte nicht ein­fach ein Ammen­märchen ist, merkt jet­zt, wie wenig es wirk­lich braucht, damit plöt­zlich alles still­ste­ht, weil die unheilige Ver­mehrung nicht mehr zu stop­pen ist. Oder hätte jemand von uns gedacht, dass wir noch Zeug­In­nen ein­er mod­er­nen Pest wer­den? Diese Geschichte gibt mir aber trotz­dem Hoff­nung: Wo viele viel brauchen und nichts mehr haben, da teilt Jesus aus. Wann und wie weiss ich auch nicht, aber ich weiss:  „Da sagt Jesus zu den Jüngern: Das Volk tut mir leid.“ (Markus 8,2). Das bringt das Bild oben zum Aus­druck — etwas kitschig vielle­icht, aber nicht min­der wahr. 

2 Gedanken zu „GASTBEITRAG: Wunder“

    1. Romy, Du hast Deinen Dank in weni­gen Worten for­muliert, Du lässt uns daran teil­haben. Danke viel­mals dafür. Du hast mir aus der Seele gesprochen!

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