Für wen lebe ich?

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Bibel­text: Römer 14,7–8

‘Dank’ Coro­na bekom­men wir in diesen Wochen vorge­führt, wie sehr wir dazu neigen, die Bedürfnisse des Indi­vidu­ums zu Las­ten der Gemein­schaft zu beto­nen. Darum fällt es uns alles andere als leicht, zu Gun­sten der Gemein­schaft auf indi­vidu­elle Frei­heit­en zu verzicht­en. Wir sind schon ziem­lich selb­stver­liebt. Wie oft wird zum auss­chlaggeben­den Argument:„Hauptsache, es stimmt für mich!“, ganz unab­hängig davon, was ger­ade zur Debat­te ste­ht! — Natür­lich ist das nicht nur schlecht. Es gab Zeit­en, in denen die Bedürfnisse der einzel­nen Men­schen zu wenig beachtet wur­den und viele unter die Räder kamen. Aber zur Zeit schlägt das Pen­del wohl eher auf die andere Seite aus. — Da klingt dann doch ziem­lich fremt, was Paulus in Römer 14,7–8 schreibt: „Denn unser kein­er lebt sich sel­ber, und kein­er stirbt sich sel­ber. Leben wir, so leben wir dem Her­rn; ster­ben wir, so ster­ben wir dem Her­rn. Darum: wir leben oder ster­ben, so sind wir des Herrn.“

Zunächst wehre ich mich beim Lesen: Spie­len meine Bedürfnisse denn gar keine Rolle? Und was ist mit meinen Träu­men? Muss ich alles loslassen, mich selb­st ganz vergessen, ja ver­leug­nen? Kann ich das über­haupt? Und falls ja: Ist es gesund?

Ich weiss nicht, ob Paulus solche Fra­gen über­haupt ver­ste­hen würde. Falls ja, dann würde er mir wohl von seinem Leben erzählen. Davon, wie er lange Jahre ganz seine Sicht von Gott und Glauben in den Vorder­grund stellte. Er würde mir erzählen, dass er überzeugt war, sich ganz auf Gott auszuricht­en. Er merk­te gar nicht, dass es nicht Gottes, son­dern seine eigene Sache war, die er so eifrig betrieb. Selb­st als seine Lei­den­schaft ihn dazu brachte, Ander­s­gläu­bige zu ver­fol­gen, blieb er überzeugt, das Richtige zu tun. Dass er damit nicht nur andere in Angst und Schreck­en ver­set­zte, son­dern auch sich selb­st schadete, fiel ihm nicht auf. Es brauchte schon Chris­tus selb­st, der sich ihm in den Weg stellte. Er zeigte ihm: Du leb­st nicht für Gott. Er ist anders, als Du meinst. Du leb­st nur für Dich! Du ori­en­tierst Dich nur an Deinen Ideen und Prinzip­i­en. Du ver­fol­gst Chris­tus! Und du schliesst Dich damit selb­st aus vom Leben, das er schenkt. – Glück­lich und zufrieden wirst Du auf diesem Weg nicht. Son­dern in Dir wächst Hass auf Andere und Anderes. Dieser Hass wird dich let­ztlich auf­fressen. Darum kehre um. Lass Deine Ideen los. Lass dich auf Gottes Ideen ein.

So oder ähn­lich kön­nte Paulus zu mir reden, wenn ich meine Zweifel an der Richtigkeit sein­er For­mulierung äussere: «Denn unser kein­er lebt sich sel­ber, und kein­er stirbt sich sel­ber. Leben wir, so leben wir dem Her­rn; ster­ben wir, so ster­ben wir dem Her­rn. Darum: wir leben oder ster­ben, so sind wir des Herrn.»

Und dann, so stelle ich mir vor, würde Paulus vom Geheim­nis des Glaubens zu reden begin­nen. Das Geheim­nis beste­ht darin, dass ich über­haupt nicht zu kurz komme, wenn ich für Chris­tus und nicht für mich lebe. Ger­ade da, wo ich ganz von mir abse­he, wo ich meine Ideen, Träume und Prinzip­i­en zurück­lasse und mich ganz auf Chris­tus aus­richte, wer­den meine Bedürfnisse gestillt und vielle­icht sog­ar Träume in ungeah­n­ter Weise wahr. Jesus bringt es so auf den Punkt: «Tra­chtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach sein­er Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufall­en.» (vgl. Mt 6,33) – Nicht mir sel­ber zu leben und zu ster­ben, son­dern mich für das Reich Gottes zu engagieren, ver­heisst let­ztlich ger­ade auch mir sel­ber Gewinn.

(Dieser Beitrag basiert auf einem ‘Wort zum Tag’, das am 4. August 2018 bei ERF Plus über den Sender ging.)

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