GASTBEITRAG: ‘Seid wachsam!’

Pho­to by Murat Onder on Unsplash

von Pfr. Christoph Schluep, Regen­bo­genkirche EMK Zürich 2

Bibel­text: Markus 13,33–37

Die Andacht heute ist aus dem 13. Kapi­tel des Markus-Evan­geli­ums. Es ist die grosse Endzeitrede, die ein­er­seits etwas ver­wirrend ist und Angst macht, ander­er­seits aber auch eine gewisse Aktu­al­ität hat. Ohne zu recher­chieren kann ich mir gut vorstellen, dass es nicht wenige Apoka­lyp­tik­er in den Kirchen gibt, die in Coro­na den Anfang des Endes sehen. Ob das so ist, wer­den wir bald sehen.  Unser Text ist das Ende des Kapi­tels, die Fort­set­zung ist der Anfang der Passionsgeschichte

33 Gebt acht, bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann der Zeit­punkt da ist.  
34 Es ist wie bei einem Men­schen, der auss­er Lan­des ging: Er ver­liess sein Haus, gab seinen Knecht­en Voll­macht, jedem seine Auf­gabe, und dem Türhüter befahl er, wach­sam zu sein.  
35 Seid also wach­sam, denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Haus­es kommt: ob am Abend oder um Mit­ter­nacht oder beim Hah­nen­schrei oder am frühen Mor­gen, 
36 damit er, wenn er auf ein­mal kommt, euch nicht schlafend finde.  
37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!

Wie immer bei Gle­ich­nis­sen muss man die Geschichte als ganze nehmen und darf nicht einzelne Ele­mente aus dem Zusam­men­hang reis­sen. Es geht hier also nicht primär um Jesus, der geht, uns Voll­macht und Auf­gaben gibt etc. Es geht um einen Haushalt der Antike, zu dem immer auch die Angestell­ten und die Knechte resp. Sklaven gehören. Und wenn der Herr eine Reise macht, dann muss das Haus in Ord­nung sein, jed­er muss wis­sen, was er zu tun hat. Deut­lich wird die Autorität des Her­rn, vor dem die Zurück­ge­bliebe­nen grossen Respekt haben — kommt er wieder und find­et er sie trotz sein­er Weisung unacht­sam oder ver­schlafen, dann wer­den sie bestraft wer­den. Die Sache ist ernst, die Zeit unscharf (wann kommt er wieder?), die Auf­gabe klar. 

Über­set­zt in die Sit­u­a­tion der­er, die die Geschichte hören oder lesen, heisst es: Lasst euch nicht ablenken, seid dem Her­rn treu, ver­richtet, was ihr zu tun habt. Ob sie das tun sollen, weil sie sich fürcht­en vor dem Her­rn oder aus Respekt und Achtung vor ihm, scheint mir nicht ein­deutig zu sein. Ich möchte mich nicht fürcht­en müssen vor Jesus und tue dies auch nicht. Das heisst aber nicht, dass ich die Sache auf die leichte Schul­ter nehme. Ich bin grund­sät­zlich der Mei­n­ung, dass ich und wohl die meis­ten von uns motiviert­er arbeit­en und konzen­tri­ert­er wach­sam sind, wenn sie es auch Liebe und Ver­ant­wor­tung tun und nicht aus Angst. Die Moti­va­tion ist intrin­sisch, dh. von innen her­aus, sie ist nicht aufgezwun­gen durch Dro­hung. Das ist anstren­gen­der, aber nachhaltiger. 

Worauf sollen wir denn wachen? Dass alles seinen geord­neten Pfad geht? Lange hat sich die Kirche als Hüterin von Recht und Ord­nung ver­standen und gar nicht gemerkt, dass sie damit dem Staat zudi­ent und Jesus zu einem meta­ph­ysis­chen Polizis­ten macht. Wachen, damit man Jesus nicht ver­passt, wenn er wiederkommt? Ich glaube, wenn die Zeit ein Ende nimmt und Jesus auf der Wolke (oder was auch immer) zurück­kehrt, dann wird es gar nicht möglich sein, ihn zu verpassen. 

Ist die Wach­samkeit ein neu­ro­tis­ches Relikt ein­er geset­zlichen Reli­gion? Das wohl auch nicht. Ich glaube, unsere Wach­samkeit ist ganz der Zeit gewid­met: Wo set­zt Jesus Schw­er­punk­te? Wo will er die Welt verän­dern, wo ist er gegen­wär­tig? Und das ist mein­er Mei­n­ung nach sel­ten in den grossen Evan­ge­li­sa­tionsver­anstal­tun­gen und in den Wor­ship-Konz­erten, es ist im Täglichen, Kleinen, Wiederkehren­den, Wichti­gen, Unerlässlichen. 

Ich schliesse mit ein paar Beispie­len: 
Sei wach­sam, dass du auch in der Coro­n­azeit die Armen nicht ver­gisst, die jet­zt noch weniger haben als vorher. 
Sei wach­sam, dass du nicht davon aus­gehst, dass sich die Ein­samen und die psy­chisch Angeschla­ge­nen schon irgend­wie arrang­ieren wer­den. 
Sei wach­sam, dass du vor lauter Coro­na den Rest des Lebens und der Welt nicht ver­passt.
Sei wach­sam, dass das, was du jet­zt erleb­st, nicht zu ein­er ver­gan­genen Episode wird, son­dern unser aller Leben nach­haltig und zum besseren verän­dert. 
Sei wach­sam, dass dir jet­zt, wo vieles ungewiss ist, wed­er Glaube noch Hoff­nung ver­loren geht, weil es jet­zt so ein­fach ist, fatal­is­tisch zu wer­den und alles, was gestern noch wichtig war, mor­gen aufzugeben. 
Sei wach­sam, denn auch und ger­ade jet­zt find­est du Jesus an vie­len Orten deines Alltags. 

2 Gedanken zu „GASTBEITRAG: ‘Seid wachsam!’“

  1. Lieber Christoph,
    Danke für deinen span­nen­den Beitrag! Endzeit Prog­nosen gab und gibt es immer wieder. Das kann verun­sich­ern. Aber es geht auch anders. Voller Freude sehe ich in mein­er Umge­bung “junge, schwan­gere und frisch geback­ene Eltern”, die voller Freude/Vorfreude über ihren Nach­wuchs sind. Ich staune über ihren Mut, ihre Hoff­nung und ihr Ver­trauen in Gott. Hören sie doch nicht sel­ten Sprüche im Sinn von, wie kön­nt ihr heutzu­tage noch Kinder in diese Welt set­zen. Aber jedes neuge­borene Kind ist ein Gedanke Gottes und zwar ein genialer, ger­ade junge Eltern sind sehr offen, erleben sie die Schöp­fung doch haut­nah mit. Aber auch wir anderen sind gefordert, was ist unser per­sön­lich­es Apfel­bäum­chen das wir noch einpflanzen wollen auch wenn mor­gen die Welt untergin­ge? Warten wir nicht zu lange, han­deln wir!
    Ich möchte euch noch ein wun­der­schönes Lied von Man­fred Siebald weit­ergeben, der diese Gedanken genau auf den Punkt bringt. Hört es euch an, es ist wun­der­schön und vor allem ermutigend!

  2. https://www.google.ch/url?
    sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiSuc_HgZDpAhXC-KQKHS9rDAMQwqsBMAB6BAgLEAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.youtube.com%2Fwatch%3Fv%3D0hWQm08rrZE&usg=AOvVaw2XYa5IHviz9w7sHIu2qmqS

    https://www.google.ch/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiSuc_HgZDpAhXC-KQKHS9rDAMQwqsBMAB6BAgLEAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.youtube.com%2Fwatch%3Fv%3D0hWQm08rrZE&usg=AOvVaw2XYa5IHviz9w7sHIu2qmqS

    Lei­der wurde mein Lied Vorschlag unge­fragt gelöscht. Da ich ger­ade heute eine Geburt­sanzeige von ein­er ehe­ma­li­gen Teil­nehmerin der Diskuthek bekom­men habe, die mich riesig freut und “auf­stellt”, ver­suche ich es noch ein­mal! Fol­gende 2 Lieder von Man­fred Siebald und Rein­hard Mey widme ich auss­chliesslich allen wer­den­den und frischge­back­e­nen Eltern!
    Seid behütet!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert