von Pfr. Stefan Zürcher, Distriktsvorsteher EMK Nordwest
Bibeltexte: Römer 12,1
Brüder und Schwestern, bei der Barmherzigkeit Gottes bitte ich euch:
Stellt euer ganzes Leben Gott zur Verfügung. Es soll wie ein lebendiges und heiliges Opfer sein, das ihm gefällt. Das wäre für euch die vernünftige Art, Gott zu dienen.
Ziemlich am Anfang des Lockdowns habe ich das obenstehende Bild erhalten: „Nicht alles ist abgesagt…“. Das hat mich mega aufgestellt, nachdem so vieles abgesagt werden musste und seither nicht mehr möglich ist, z. B. auch der gewohnte Gottesdienst.
Der Gottesdienst abgesagt… – ‚Stimmt gar nicht‘, höre ich Paulus widersprechen, ‚der Gottesdienst ist doch nicht abgesagt!‘ – Das bringt mich zum Nachdenken und ich frage mich: Ist der Gottesdienst wirklich abgesagt?
Darüber habe ich in den vergangenen Tagen nachgedacht, und meine Gedanken dazu will ich jetzt mit euch teilen.
Ist der Gottesdienst wirklich abgesagt? Ich will niemanden verwirren: Doch, Gottesdienst feiern, wie wir es gewohnt sind, ist abgesagt. In unseren Kapellen zusammenkommen, ist mindestens bis Mitte Juni nicht möglich. Alle kirchlichen Veranstaltungen sind zurzeit verboten.
Trotzdem, auch wenn Paulus von unserem Veranstaltungsverbot wüsste, würde er behaupten, der Gottesdienst ist nicht abgesagt – weil er mit Gottesdienst nicht unsern Sonntagsgottesdienst meint, oder jedenfalls nicht nur. Wenn er von dem schreibt, was wir mit Gottesdienst meinen, schreibt er von Zusammenkommen, von Versammlung der Gemeinde. So in 1. Kor 11 & 14, wo er die christliche Gemeinde in Korinth ermahnt, gut aufeinander zu achten, wenn sie zusammenkommen, miteinander essen, singen, beten, das Evangelium studieren und Abendmahl feiern. Den Begriff Gottesdienst, was für uns eigentlich logisch wäre, braucht er da aber eben nicht. Überhaupt braucht Paulus das Wort Gottesdienst in seinen Briefen nur viermal. Was er darunter versteht, sagt er in Röm 1,9, wo er seinen Aposteldienst beschreibt, und dann
eben in Röm 12,1.
Gottesdienst in dieser aussergewöhnlichen Zeit
Was hat das jetzt mit unserem Gottesdienst feiern in unseren Kapellen zu tun? Der wahre Gottesdienst hat zwei Seiten: die liturgische und die weltliche. Bei der liturgischen Seite des Gottesdienstes wenden wir unser Herz Gott zu – wir hören auf sein Wort, wir beten und loben, wir fasten usw., – am Sonntagmorgen, wenn wir als ganze Gemeinde zusammenkommen,
aber – und das ist wichtig – genauso in kleinen Gruppen oder für uns alleine.
Bei der weltlichen Seite des Gottesdienstes wenden wir unser Herz den Menschen und der Welt zu – wir sind da für Menschen in Not, wir tun Gutes, wir sorgen für die Schöpfung usw. Beide Seiten zusammen machen den wahren Gottesdienst aus. Keine darf fehlen.
Was heisst das jetzt für unser Gottesdienst feiern in diesen Wochen
und auch nach dem 8. Juni? Ich vermute, viele von uns freuen sich schon jetzt
auf den ersten Gottesdienst nach dem Lockdown. Manche sehnen sich so sehnlichst, dass sie diesen Moment kaum erwarten können. Endlich wieder als Gemeinde Gottesdienst feiern! Ich fürchte nur, manche werden sehr enttäuscht werden. Die Schutzmassnahmen werden immer noch gelten: 2 m Abstand,
d. h. pro 4 m2 eine Person – wie viele Leute haben dann in unseren Räumen Platz? –, vielleicht Mundschutz, die Risikogruppen immer noch genauso gefährdet wie jetzt… Das löst Unsicherheit aus. Für viele von uns ist das Erleben
von Gemeinschaft ganz wichtig – ich zähle mich auch dazu. Stellt euch einmal vor, wie es sein wird, unter diesen Umständen Gottesdienst zu feiern, Gemeinschaft zu erleben? – Es wird ganz sicher nicht sein wie vorher! Und das wird ein Frust sein.
Die liturgische Seite des einen, wahren Gottesdienstes wurde durch das Veranstaltungsverbot und die Schutzmassnahmen massiv eingeschränkt und wird es wohl über den 8. Juni hinaus noch für längere Zeit sein. Feiern und Gemeinschaft erleben als ganze Gemeinde wird unter diesen Bedingungen
schwierig bleiben und unsere Geduld noch lange auf die Probe stellen.
Ist der (wahre) Gottesdienst deswegen abgesagt? Nein, lehrt uns Paulus. An seiner weltlichen Seite hat sich seit dem 16. März nichts geändert. Und an seiner liturgischen Seite ja auch nicht alles – wir können zu Hause feiern und weiterhin persönliche Zeiten mit Gott haben. Und es ist zu erwarten, dass die voraussichtlichen Lockerungen am 8.Juni, wenn auch beschränkte, doch wieder
Möglichkeiten für physische Begegnungen eröffnen. Das gibt doch eine Perspektive!
Lasst uns diese beim Schopf packen! Lasst uns weiterhin mutig und kreativ sein! Dinge, die in den letzten Wochen gelungen sind – mit allen positiven, überraschenden Aussenwirkungen –, weiter führen, und Neues ausprobieren
– vielleicht Zusammenkommen draussen; Feiern auf einem Stationenweg;
kleine Gruppentreffen in unseren Kapellen verteilt über die ganze Woche zum Feiern, Singen, Beten, Austauschen (vgl. 1. Kor 14); und warum die Sonntagspredigt nicht weiterhin als Livestream, zum Hören oder Lesen anbieten… Kurz: viele Möglichkeiten erwarten uns! Lasst uns mutig Ungewohntes anpacken und probieren!
Das stellt mich auf: Der Gottesdienst ist nicht abgesagt! Und noch viel weniger Gottes liebevolle Zuwendung zu uns als Gemeinden und zu jedem von uns persönlich! Möge unser barmherziger Gott uns in dieser aussergewöhnlichen
Zeit in besonderer Weise mit seiner Liebe, aber auch mit Weisheit, Kreativität,
Mut und Geduld beschenken.
Danke für diesen ermutigenden Beitrag! Klar und verständlich.
Danke vielmals für Deinen Gastbeitrag, Stefan. In dieser schwierigen Zeit ist er sehr tröstlich. Wofür ich auch sehr dankbar bin, ist, dass ich in einem Staat mit einem funktionierenden Gesundheitswesen leben darf. Man kann ja in der Nachbarschaft (Italien) sehen, welcher grauenvolle Zustand eintritt, wenn das Gesundswesen schon in normalen Zeiten labil ist. Die USA sind ein Industriestaat. Trotzdem ist dort die Situation der reinste Albtraum.