Heilig?

zu Johannes 2,13–17

Obwohl der Begriff darin gar nicht vorkommt, lässt mich der Bericht des Johan­ne­se­van­geli­ums von der soge­nan­nten Tempelrei­nigung über das Wort “heilig” nach­denken:  Was ist mir heilig? Wie ver­halte ich mich im Blick auf mir heilige Dinge? Bedro­ht Unheiliges Heiliges? Oder ist es vielle­icht eher umgekehrt?

Die Tempelreinigung

Die soge­nan­nte Tem­pel­reini­gung, bei der Jesus Händler aus dem Tem­pel ver­trieb, gehört zu den weni­gen Ereignis­sen, über die von allen vier Evan­gelien berichtet wird. Nur das Johan­ne­se­van­geli­um ord­net sie am Anfang von Jesu öffentlich­er Wirk­samkeit ein. Eben­falls nur dort wird ein Psalmz­i­tat (Psalm 69,10: «Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.») damit verknüpft, das man so deuten kön­nte, dass es in diesem Moment ein wenig mit Jesus durchge­gan­gen ist. Offen­sichtlich ist Jesus der Tem­pel als Ort des Gebets heilig. Der Han­del mit Opfertieren und Geld­wech­sel stört das in seinen Augen empfind­lich. Darum lässt er sich zu dieser Protes­tak­tion hin­reis­sen. — Aber es bleibt fraglich, ob er damit viel erre­icht hat. Dass die anderen Evan­gelien die Episode zu Beginn von Jesus Lei­densweg einord­nen, lässt eher ver­muten, dass die Aktion kon­trapro­duk­tiv war.

Was ist mir heilig?

Wenn mir etwas heilig ist, wenn mir jemand sehr wichtig ist, dann brin­gen mich Kri­tik oder dro­hende Gefahr auf die Bar­rikaden. So ging es Jesus offen­sichtlich im Tem­pel. Er sah Gott ange­grif­f­en, seine Heiligkeit in Frage gestellt oder ver­let­zt durch das Treiben im Tempel.

Was ist mir heilig? Wofür gin­ge ich not­falls auf die Bar­rikaden? Als Christ und The­ologe wün­schte ich mir, dass es eben­falls mit Gott zu tun hätte. Wenn ich aber ver­suche, ehrlich zu sein, merke ich, dass ich für Eigenes (meine Idee, mein Prinzip, meine Tra­di­tion, vielle­icht aber auch meinen Besitz) mehr oder leichter Lei­den­schaft entwick­le. Wo Gott, seine Liebe oder sein Reich ange­grif­f­en wer­den, bleibe ich dage­gen oft zu lange gelassen. Die Mah­nung aus der Berg­predigt (Mt 6,33: «Strebt vor allem anderen nach seinem Reich und nach seinem Willen») ist mir in meinem Han­deln wohl zu wenig selbstverständlich.

Schützen, was mir heilig ist?

Dann frage ich mich aber auch, ob es über­haupt das Beste sei, auf die Bar­rikaden zu gehen für das, was einem heilig ist. Der Bericht des Johan­ne­se­van­geli­ums über Jesu Tem­pel­reini­gung mit dem Zitat aus Ps 69 sät gewisse Zweifel. Die ver­stärken sich noch, wenn ich mir bewusst mache, dass Jesus in der Regel anders vorge­gan­gen ist. Er hat die Phar­isäer, für die es eine Grun­dregel war, das Heilige abzu­son­dern, vom Schmutz des All­t­ags fernzuhal­ten, oft hart kri­tisiert. Er ist offen auf ange­blich unreine und sündi­ge Men­schen zuge­gan­gen, hat sie berührt und umarmt. Im Ver­trauen darauf, dass das Heilige auf seine Umge­bung abfärbt, ist er auf Tuch­füh­lung mit “Zöll­nern und Sün­dern” gegan­gen. Und die Strate­gie hat funk­tion­iert, z.B. bei Zachäus. Der Besuch Jesu löste beim unbe­liebten Oberzöll­ner eine uner­wartete und radikale Kehrtwende aus (vgl. Lk 19,1–10).

Ihr seid geheiligt

Paulus hat davon gesprochen, dass Men­schen durch ihre Verbindung mit Jesus Chris­tus selb­st heilig seien bzw. Heiliges in sich tra­gen (vgl. z.B. 1.Kor 6,11 und 1.Kor 6,19). Wenn ich das ernst nehme, kön­nten sich Ver­schiebun­gen ergeben im Blick darauf, was mir heilig ist. Und ich kön­nte ler­nen darauf zu ver­trauen, dass das (Heilige), was Gott in mich legt, auf die Umge­bung abfärbt. Statt bis aufs Blut zu vertei­di­gen, was mir heilig ist, kön­nte ich mich darauf ver­lassen, dass die Kraft des Heili­gen Geistes auch durch mich heil­sam zu wirken ver­mag. Ich fange an, davon zu träu­men, dass so viel Entkramp­fung, viel Gelassen­heit und Wach­s­tum im Zwis­chen­men­schlichen möglich würde.

Es war eine Aus­nahme, dass Jesus so auf die Bar­rikaden ging, wie er es bei der Tem­pel­reini­gung tat. Hof­fentlich bleibt es auch bei mir eine Aus­nahme, dass ich so kämpfe für das, was mir heilig ist. Und wenn, dann hof­fentlich in einem Moment, in dem das auch angemessen ist. Vor allem aber möchte ich  mich an den vie­len Beispie­len ori­en­tieren, in denen Jesus durch sein vorurteils­freies und liebevolles Ver­hal­ten heil­same Begeg­nun­gen mit Men­schen gestal­tete, die als ver­loren galten.

(Dieser Beitrag basiert auf einem ‘Wort zum Tag’, das am 19. August 2019 bei ERF Plus über den Sender ging.)

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