Begegnung mit Gott

Pho­to by Joshua Ness on Unsplash

zu Johannes 1,17

Das erste Kapi­tel des Johannes-Evan­geli­ums ist ein ganz beson­der­er Text. Mich fasziniert daran ein­er­seits sein Bemühen, die gute Nachricht von Jesus in der Sprache der dama­li­gen Philoso­phie zu for­mulieren. Ander­er­seits bringt dieses Gedicht präzise auf den Punkt, was sich im Neuen Tes­ta­ment gegenüber früher geän­dert hat. Zusam­menge­fasst klingt das in der Lutherüber­set­zung in Vers 17 so: «Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Chris­tus geworden.»

Worum geht es da? – Für das ganze Alte Tes­ta­ment galt: «Nie­mand hat Gott je gese­hen» (vgl. Joh 1,18). Nicht ein­mal Mose und Elia wurde dies geschenkt. Sie erlebten wohl Gottes Präsenz im bren­nen­den Dorn­busch bzw. in einem kaum beschreib­baren Lufthauch. Und doch blieb Gott für sie unsicht­bar, ohne Gestalt, nicht fass­bar. Noch am konkretesten wurde Gott und das, was er will, in den Steintafeln mit den zehn Geboten, die Mose auf dem Berg Sinai erhielt. Doch diese Tafeln waren sta­tisch, kalt, starr. So gross und hil­fre­ich diese Gabe auch war, sie war nicht der lebendi­ge Gott selbst.

Doch dann wurde Gott in Jesus von Nazareth Men­sch, und damit ein­er von uns. Viel bess­er und näher als in den Buch­staben des Geset­zes wurde in der Per­son Jesu die Fülle göt­tlichen Heils sicht­bar. Sei­ther sind Gottes Gnade und Wahrheit nicht mehr abstrak­te Buch­staben oder Ideen, sie sind lebendi­ge Wirk­lichkeit. Gott wurde konkret erfahrbar, fass­bar. In inspiri­eren­den, begeis­tern­den und heil­samen Begeg­nun­gen mit Jesus erlebten das damals viele Men­schen. Und solche Begeg­nun­gen sind dank Gottes Geist bis heute möglich.

Vielle­icht sind die For­mulierun­gen des ersten Kapi­tels im Johannes-Evan­geli­um für uns heute schw­er zugänglich. Seine Sprache ist auf die philosophisch Gebilde­ten der dama­li­gen Zeit aus­gerichtet. Aber wir kön­nen ja ver­suchen, diese Gedanken in unsere heutige Sprache zu über­set­zen. Und das kön­nte dann so klin­gen: Gott ist nicht the­o­retisch, er ist wed­er abstrakt noch ver­bor­gen. Gott ist fass­bar und erleb­bar. Er begeg­net uns ganz konkret. Wer Gott erken­nen will, muss nicht die kor­rek­ten For­mulierun­gen find­en. Gotte­serken­nt­nis geschieht in der Begeg­nung. Wem eine solche Begeg­nung geschenkt wird, braucht nach­her keinen Gottes­be­weis mehr. Er weiss und hat erfahren: In mein Leben ist Gott hineingekom­men. Er ist da, er ist gegen­wär­tig. Ich bin angenom­men, wie ich bin. Ich bin geliebt mit all meinen Eck­en, Kan­ten und Wider­sprüchen. Es ist wahr: Er bleibt mir zugewen­det durch dick und dünn.

In Begeg­nun­gen sind die Begriffe Gnade und Wahrheit viel bess­er zu begreifen. Auch in Begeg­nun­gen mit anderen Men­schen kann uns immer wieder Gott selb­st begeg­nen (vgl. Mt 25, 31–46). — Der Lie­der­ma­ch­er und Pfar­rer Clemens Bit­tlinger hat das in einem sein­er Lieder sehr schön for­muliert. Dort heisst es unter anderem: «Gott, wo wir uns von Men­sch zu Men­sch begeg­nen und ich in dir erkenne, wie ein Men­sch sein kann, begin­nt mein Ein­druck von dir etwas zu bewe­gen und dieses Etwas fängt zu lieben an…. Gott, weil wir uns von Men­sch zu Men­sch begeg­nen, Du Unfass­bar­er, wirst fass­bar …» — Ich wün­sche Ihnen heute gute Begeg­nun­gen. Und darin die beglück­ende Erfahrung, dass Gott selb­st Ihnen nahe kommt.

(Dieser Beitrag basiert auf einem ‘Wort zum Tag’, das am 18. März 2018 bei ERF Plus über den Sender ging.)

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