Einerseits reden wir in Kirchen und Gemeinden sehr oft von Veränderungen, von Wachstum. Manchmal brauchen wir dafür auch den Begriff Heiligung. Andererseits tun wir uns oft doch schwer, wenn wir uns tatsächlich ändern müssen. — Das ging mir durch den Kopf, als ich am Anfang des Philipperbriefes las: „Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.“
Darin höre ich einerseits Entlastung und Ermutigung: Wir müssen es nicht alleine schaffen. Christus hilft uns. Er macht uns mehr und mehr zu den Menschen, die wir sein können und sein sollen. Mit seiner Hilfe können wir nach Gottes Willen leben. Dank ihm werden wir das Ziel erreichen.
Andererseits wird mir bewusst, welche Herausforderung das auch bedeuten kann. Statt uns mit dem schon Erreichten zufrieden zu geben, sollen wir Christus an uns arbeiten lassen. Wie gesagt, von reden Christen oft. Die Begriffe Wachstum, Heiligung und Veränderung sind ihnen geläufig. Und doch zögern sie oft, wenn es konkret wird und wirklich Neues, Anderes zu versuchen.
Ich konnte 2016 eine längere Auszeit gestalten. Das hiess für mich unter anderem: Ein halbes Jahr lang nicht predigen müssen, sondern zuhören dürfen und sich ansprechen lassen. Es ist mir weniger leicht gefallen als erwartet. Vor allem ist mir schnell aufgefallen, wie leicht und gerne man sich dabei auf das konzentriert, was einen bestätigt. Bleibt dies aus, würde man lieber den Prediger kritisieren als sich selbst hinterfragen zu lassen. Am liebsten möchte man sich zusprechen lassen, dass man gut unterwegs ist und das Richtige glaubt, denkt und tut. Zu Beginn dieser Auszeit habe ich mir deshalb jeweils sehr bewusst auf den Gottesdienstbesuch eingestellt und mir zugeredet: Du bist nicht als Kritiker da, sondern als einer, den Gott ansprechen will. Es geht nicht um die Bewertung der gehörten Predigt, sondern um das, was Gott Dir dadurch zeigen will. Sei bereit, dich hinterfragen zu lassen, dich korrigieren zu lassen, Gott an dir arbeiten zu lassen!
„Gott wird sein angefangenes Werk in dir vollenden!“ – Diese Verheissung hat ihre herausfordernden Seiten. Ich bin herausgefordert zum Wachstum, und das heisst eben auch: zur Veränderung. Bin ich dazu bereit? – Kleine Details in unseren Formulierungen lassen mich aufhorchen. Wie gerne reden doch davon ‚im Glauben zu stehen‘? Das klingt aber eher statisch und nach wenig Veränderung. Ausserdem geht dabei vergessen, dass Jesus weniger zum Glauben eingeladen als in die Nachfolge berufen hat. Unser Leben und Glauben wäre besser beschrieben, wenn wir sagen, dass wir mit Jesus, das heisst in seinen Fussspuren unterwegs sind. Wir sind noch nicht am Ziel, sind noch nicht vollkommen.
Wir müssen das auch nicht sein und Paulus sagt uns zu, dass Gott selbst uns weiter und dem Ziel näher bringt. So sesshaft wir auch in unseren Gedanken vielleicht gerne wären. Glauben heisst: Unterwegs sein, weiter gehen, wachsen. Dabei dürfen wir wissen: Wenn wir uns darauf einlassen, sind und bleiben wir gehalten durch den der in uns angefangen hat das gute Werk. Er wird es auch vollenden.
(Dieser Beitrag basiert auf einem ‘Wort zum Tag’, das am 19. März 2017 bei ERF Plus über den Sender ging.)
“Einerseits reden wir in Kirchen und Gemeinden sehr oft von Veränderungen, von Wachstum. Manchmal brauchen wir dafür auch den Begriff Heiligung. Andererseits tun wir uns oft doch schwer, wenn wir uns tatsächlich ändern müssen.”
Bei uns darf man gern auch von einem Schrumpfprozess sprechen, was die Veränderung von Kirchen und Gemeinden betrifft. Wir sind ja nicht China oder die islamische Welt …
Vielleicht darf das auch als Gesundschrumpfen bezeichnet werden — wiederum in zweifacher Hinsicht. Es gibt ja die in der “Kirche”, die austreten und von denen drin, die meinen, dazuzugehören, ohne es zu sein.