Denk an mich

zu Psalm 106,4

Im Auto meines Onkels hing, einge­fasst in einen led­er­nen Rah­men, vorne gle­ich neben dem Steuer­rad ein Bild sein­er Frau. Auf dem Rah­men kon­nte man lesen: „Denk an mich – fahre vor­sichtig!“ Ich weiss nicht, ob das nötig war, damit er einen anständi­gen und sicheren Fahrstil pflegte. Ver­mut­lich hätte er das ohne­hin getan. Aber die Erin­nerung, dass sie auf ihn wartete und das Ver­sprechen, das er ihr wohl gegeben hat­te, waren ihm eine zusät­zliche Moti­va­tion. Er wollte das gute Leben miteinan­der nicht aufs Spiel set­zen. Mir kleinem Jun­gen, der in den Ferien manch­mal mit ihm im Auto unter­wegs war, hat sich dieses Bild fest eingeprägt.

Es kam mir wieder in den Sinn, als ich Psalm 106,4 las. Der Vers klingt, als ob ein Beter Gott so ein Denk-an-mich-Bild geben würde. Die Luther-Bibel über­set­zt: „Herr, gedenke mein­er nach der Gnade, die du deinem Volk ver­heis­sen hast; erweise an uns deine Hil­fe.“ Das bedeutet doch nichts anderes als: „Gott, erin­nere dich an mich und an das, was du mir ver­sprochen hast!“

Inter­es­san­ter­weise zählt Psalm 106 detail­liert auf, wann, wo und wie Men­schen Gott untreu gewe­sen waren. Es gäbe also, wie dem Beter bewusst wird, respek­table Gründe für Gott, um seine Ver­sprechen und Ver­heis­sun­gen zurück­zunehmen. Doch er tut dies nicht. Immer und immer wieder wen­det sich Gott seinen Men­schen zu. Der Psalm hält das staunend und dankbar fest, mit For­mulierun­gen wie: „Er ret­tete sie oft­mals.“ – „Er gedachte an seinen Bund mit ihnen.“ – „Er liess sie Barmherzigkeit find­en.“ — Gott lebt und han­delt also genau, wie es seinem Wesen und Namen entspricht. Der alttes­ta­mentliche Gottes­name Jah­we bedeutet ja das Ver­sprechen: „Ich bin und bleibe bei dir!“ Und so kann der Psalm­beter trotz des lan­gen Sün­den­reg­is­ters Gottes Namen rüh­men und seine Treue loben. Weil Let­ztere entschei­dend ist und nicht men­schliche Untreue. Schon der erste Satz dieses Psalmge­bets stellt darum fest: „Hal­lelu­ja! Dan­ket dem Her­rn; denn er ist fre­undlich, und seine Güte währet ewiglich.“

Wenn dem so ist – und daran halte ich mich — , kann man sich fra­gen, ob es denn über­haupt nötig sei, Gott an seine Gnade und Treue zu erin­nern. Müssten wir nicht viel mehr an unserem Gottver­trauen arbeit­en als Gott darum bit­ten, dass er uns hil­ft? – Nun ja, mein Onkel hat sich damals gerne daran erin­nern lassen, dass seine Frau sich von ihm einen vor­sichti­gen Aut­o­fahrstil wün­scht. Noch viel mehr gilt: Gott lässt sich gerne daran erin­nern, dass er ver­sprochen hat, uns gnädig zu sein und treu zur Seite zu ste­hen. — „Herr, gedenke mein­er nach der Gnade, die du deinem Volk ver­heis­sen hast; erweise an uns deine Hil­fe.“ Ein solch­es Gebet ist wie ein Denk-an-mich-Bild in Gottes Auto. Nicht nur, dass ich ihn jed­erzeit um Hil­fe bit­ten kann. Zusät­zlichen Rück­en­wind gibt mir der Gedanke, dass Gott mein Bild, Ihr Bild, unser Bild immer vor Augen hat und sich davon erin­nern lässt: „Ich habe ver­sprochen, bei ihnen zu sein und zu bleiben!“ – So lässt sich ein neuer Tag in Angriff nehmen, im Ver­trauen: Gott ist mit uns.

(Dieser Beitrag basiert auf einem ‘Wort zum Tag’, das am 4. März 2017 bei ERF Plus über den Sender ging.)

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