Bibeltext: Psalm 139
Diese Übertragung von Psalm 139 stammt von Pfr. Robert Seitz aus seinem Buch ‘das Leben umarmen’
Gott, mein Schöpfer,
Du weißt, wer ich bin.
Du siehst in mein Innerstes.
Was mir selber verborgen ist,
ist bei Dir kein Geheimnis.
Vor Dir muss ich keinen falschen Schein erwecken.
Ich darf sein wie ein offenes Buch.
Neben den schönen Kapiteln meines Lebens
muss ich die Unschönen nicht verbergen
Liebender Ursprung des Lebens,
Du weißt um die unsichtbare Welt meiner Gedanken.
In meinen geheimsten Gedanken kannst Du lesen.
In meinen Tag- und Nachtträumen siehst Du
meine Sehnsucht nach Leben und Liebe.
Du siehst, wenn meine Gedanken fliegen wie Vögel.
Um alle meine Wünsche weißt Du,
auch um die verborgenen.
Meine schweren und dunklen Gedanken
verraten Dir mein Leiden am Leben
und meine Not mit mir selber.
Und in meinen guten Gedanken
siehst Du meinen Wunsch,
mit meinem Leben Güte weiter zu geben.
Gott, mein Schöpfer,
Du kennst alle meine Wege in meinem Leben:
meine Wege auf der Sonnenseite des Lebens,
aber auch die im Schatten,
meine Irrwege und meine Umwege.
Du bist vertraut mit meinen geraden
und mit meinen krummen Touren.
Meine Lebens- und meine Glaubenskrisen.
meine Ehe- und Familienkrise
sind Dir nichts Fremdes.
Alle meine Worte sind Dir bekannt,
die Wortlawinen, die manchmal aus meinem Herzen
und aus meinem Mund kommen.
Du kennst alle Tonarten meines Redens,
vom zärtlichen Wort und vom Schweigen,
bis zum lauten Protest,
vom guten und segnenden Wort,
bis zum heimlichen Fluchen.
Du weisst auch um die Worte,
die mir im Hals stecken geblieben sind.
Mein Gott,
mein Leben ist wie eine Insel
im weiten Meer von Deiner unendlichen Gegenwart.
Im Rauschen der Wellen begegne ich Dir,
im Wind und im nächtlichen Sternenhimmel.
Wie ein kleiner Vogel in Deiner grossen Hand
komme ich mir vor.
Hätte ich alle Professorentitel dieser Welt,
Dein Geheimnis des Lebens
würde weit über mein Begreifen
und Verstehen hinaus gehen.
Aber ich ahne es:
Du selber hast Deine Hand auf mich gelegt.
Und ich weiss, was Iesus gesagt hat:
Niemand kann die Menschen, die Gott mir gegeben hat,
aus meiner Hand reissen.
Manchmal kommt die Versuchung über mich,
selber Gott zu spielen
und alles besser zu wissen.
Ich lebe dann, als gäbe es Dich nicht
und als brauchte ich keinen Erlöser.
Ich tue so, als hätte mein geschulter Verstand
das Geheimnis des Weltalls und der Atome
und das Geheimnis des Lebens begriffen.
Aber Deine Engel im Himmel können nur fröhlich
lachen über diesen Hochmut.
Wenn ich mich weit entfernt habe von Dir
mit meinen Gedanken und Taten:
am Ende meiner Flucht
und am Ende meiner Menschenweisheit
bist immer Du.
Du bist wie der barmherzige Vater
im Gleichnis vom verlorenen Kind:
Je weiter es von daheim weggelaufen ist,
um so näher bist Du ihm mit Deinem Herzen gewesen.
Gott, mein Schöpfer,
und sollte ich einmal ganz am Ende sein,
mein fröhliches Lachen ist gestorben
und mein Leben eine einzige Enttäuschung,
wenn ich wie Jesus einst in Gethsemane am Boden
liege und ich sehe nur noch Nacht um mich herum
und würde am liebsten einschlafen
und nicht mehr erwachen:
Dann kann ich mit meiner Finsternis
Jesus nicht daran hindern
in meine Umnachtung hinein zu rufen:
Ich bin das Licht der Welt.
Und ich kann mit meinen schwarzen Gedanken
das Osterlicht nicht vertreiben,
das über mir aufgegangen ist.
Mitten in aller Erdennacht
beginnt ein neuer Schöpfungstag.
Ewiger Gott,
Du hast mich wunderbar geschaffen
im Leib meiner Mutter.
Auch wenn Menschen klonen können:
jeder Mensch, der geboren wird,
bleibt ein Original in deinem Herzen.
Es wird auch in Zukunft jeder Mensch
seine eigene Seele haben.
Bevor ich in die Zeit kam
und bevor ich wieder aus dieser Zeit hinaus gehe,
das alles, meine Zeit,
liegt wie ein Kalenderblatt in Deiner Hand.
O Gott, wer bist Du eigentlich?
Wie gross sind Deine Gedanken und Ideen!
Auch Deine dunklen Seiten sind eine Wirklichkeit.
Du bist auch das, was ich nicht verstehe.
Am meisten aber staune ich über Deinen Gedanken,
selber ein Mensch zu werden unter uns
im Leben von Jesus Christus.
Wie grossartig ist dieser Gedanke:
Im Leben von einem Kind,
das in einem Stall geboren wird,
kommst Du in unsere Armut und Verlorenheit hinein.
Immer wieder muss ich an dieses Wunder denken;
mitten in der Nacht kommt es mir in den Sinn.
Mein Gott,
es macht mir zu schaffen,
wie viele Menschen alles Heilige verloren haben
in ihrem lauten und unruhigen Leben.
Es macht mir Angst, wenn die Welt auf der einen
Seite immer gottloser und gewalttätiger wird,
und auf der anderen Seite Frömmigkeit überhand
nimmt, die kein Haar besser ist.
Manchmal denke ich, Du müsstest jetzt drein fahren.
Aber ich ahne es:
Du sorgst Dich um die ganze Welt,
auch um die, die es noch nicht wissen,
dass sie im Grunde genommen Deine Kinder sind.
Liebender Gott,
schaue mein unruhiges Herz an.
Nimm es Tag und Nacht in Deine Hände.
Halte mich fest.
Du weisst, was mich in meinem Innersten
herumtreibt.
Ich selber habe ein Durcheinander
in meinen Gedanken und Gefühlen.
Nimm Du mich jetzt bei der Hand
und leite mich auf dem Weg
zu Dir.
Ein wunderbarer Text, besser kann man es nicht sagen, es beinhaltet alles Menschliche!
Einfach grossartig! Danke Robi