Am kommenden Sonntag feiern wir Pfingsten. Da geht es darum, dass wir uns begeistern lassen für Gott, dass wir ‘Feuer und Flamme’ werden für sein Evangelium, dass sein Heiliger Geist uns erfüllt und belebt. Als Jesu Jünger das erstmals erlebten, erschienen Feuerflammen auf ihnen. So erzählt es jedenfalls Lk in der Apostelgeschichte. — Die Frage ist immer wieder, ob wir zulassen, dass Gottes Feuer uns packt.
Dazu bin ich auf einen uralten und doch noch ganz aktuellen Text gestossen. Er stammt aus der Feder von Ferdinand Sigg, damals Redaktor der Zeitschrift Evangelist, später Bischof der Methodistenkirche. Erstmals erschienen ist der Artikel übrigens 1954:
Da stand an der Mustermesse ein Mann, das heißt, eine Puppe, eingekleidet in einen Asbestanzug mit einem feuerfesten Helm, vorne mit einem Fensterlein — was weiß ich, zur Rauchbekämpfung oder so etwas. Er war ja nicht nach meinen Bedürfnissen und nicht aus meiner «Branche». In Erinnerung blieb er mir nur, weil mein Begleiter so scherzweise im Vorbeigehen meinte: «So sitzen viele Leute in der Kirche!» Das Bild blieb haften: Der Christ im feuerfesten Anzug in der Kirche!
Mein Begleiter war ein Laie. Ein Kirchgänger unter Kirchgängern. So hatte er eigentlich seine eigene Kategorie, die Hörer angegriffen. Ich finde das nett, weil es ja, so landläufig gemessen, doch wohl in den Augen der Leute an den Predigern fehlt. Und das sei gleich hinzugefügt: Manche Verkündiger tragen auch einen Asbest-Anzug, so daß man, wie das Volk sagt, «nicht an sie herankommt». Unter ihnen sind solche, die es ganz herzlich gut meinen, auf Amtsdünkel gar nichts geben, und dennoch in einem Anzug stecken, der den Wind, das Feuer, den Staub der Welt, in der die Gemeindeglieder leben müssen, fern hält. Haben nicht die vieldiskutierten Arbeiterpriester diese Trennwand zu durchbrechen versucht, um als «Heilige» im Uberkleid vom Evangelium, vom Erlöser zu reden? Und das Ganze ist an tausend kleinen Dingen und an zwei, drei großen, undiskutierbaren Steinen des Anstoßes zu Fall gekommen! Ganz so einfach ist es für den Prediger des Evangeliums nicht, aus seinem Amtsanzug, aus seiner Welt herauszukommen, in die ihn ja auch wieder Tradition, Gemeindeansprüche, mißverständliche Auffassung davon, was ein Seelsorger sei, immer wieder pressen!
Aber da stand also der »feuerfeste» Laie an der Mustermesse, ein Sinnbild für gewisse Kirchgänger. Was wollen sie denn in der Kirche? Dortsein. Männer sind ja sowieso nicht allzuviele dort. Schade. Die Kirche von heute hat ja dem Mann viel zu sagen. So weltfremd ist die Verkündigung nicht. Man muß ja immer wieder bedenken, daß das Evangelium mit seinem Geist von oben auch bei bester und modernster Auslegung dem von der Straße herkommenden Hörer als unmöglich, als «harte Rede», wie sich die Jünger ausdrückten, vorkommen muß.
Aber da ist also der Mann im «feuerfesten Anzug» in der Kirche. Er ist da. Auch Frauen und junge Mädchen sind in solchen «feuerfesten» Kleidern in den Kirchenbänken. Der Helm trägt ein Fensterchen, so daß man etwas sieht, denn in der Kirche gibt es immer etwas zu sehen! Aber man will offenbar das Feuer nicht. Man will nicht ergriffen sein von diesem Feuer. Man ist da. Aber wenn es in der Gemeinde zu brennen anfangen würde, so müßte sich ja vom Kirchenvorstand bis zu den einzelnen Christen auf der hintersten Bank etwas ändern. Man könnte nicht mehr fragen, wie «man» es während zehn, zwanzig Jahren gemacht habe, sondern man müßte fragen: «Was will das Feuer?» Gar leicht ist die starre Form: «Das haben wir noch nie gemacht!» — «So etwas bringen Sie in unserer Gemeinde nicht durch!» — «Wenn das geändert wird, haben Sie mich gesehen! » — gar leicht sind also solche Sprüche der Asbestanzug, in den man sich und die ganze Gemeinde hüllt. Sitzt man dann gelegentlich beisammen und spricht davon, daß die Gemeinden darunter seufzen würden, daß keine Erweckungszeit sei, so hört man schnell, allzuschnell das Wort von der Ebbe und von der Flut, das Wort von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren. Diese Erklärung hat aber nur dann Gütigkeit, wenn wir alles getan haben. Und das haben wir nicht! Da wären einige Asbestanzüge auszuziehen; Seelsorger und Gemeindeglieder hätten es nötig, sie auszuziehen und schon vor Pfingsten, nicht erst dann, wenn das Kirchenjahr es befiehlt, zu rufen:
Ach daß doch bald dein Feuer brennte!
Und dieses Feuer wäre eben nicht zu bekämpfen, sondern anzunehmen, damit wir alle anders würden.
Wann willst du sagen: Bei mir muß etwas anders werden? Wann willst du anfangen, ohne Asbestanzug in die Kirche zu kommen?