Bibeltexte: z.B. Matthäus 11,28; Lukas 15,11–32; Johannes 6,37
von Pfr. Robert Seitz aus seinem Buch ‘offene Fenster’
An einem Ort, in einem Kreis von Menschen nicht willkommen zu sein, das ist eine schwierige Erfahrung. Du gehst, so wie du bist, zum Beispiel in ein Restaurant. Dann kommt ein Kellner und serviert dir auf einem Teller die Notiz: Wir bitten Sie, unauffällig dieses Lokal zu verlassen. Etwas stimmt nicht mit dir in diesem Lokal: Deine Klamotten, deine Frisur oder die Art und Weise, wie du hereingekommen bist. Oder du machst den Eindruck, dass du nicht viel Geld hast. Du bist auf jeden Fall nicht willkommen.
Du gehst durch den wegfahrenden Intercity. Wagen für Wagen und kein freier Platz. Auf vielen Sitzen aber liegen Taschen und Säcke. Niemand sagt zu dir, da hat es noch Platz, kommen Sie. Und weil du nicht frech genug bist, gehst du wieder durch die Wagen zurück und stehst dann irgendwo zwischen den
Wagen.
Du gehst, so wie du bist, in eine Kirche. Nach dem Amen wagst du dich noch zum Kirchenkaffee. Viele Leute sind da. Alle schon in kleinen Grüppchen. Sie stehen an Tischchen oder sitzen in kleinen Gruppen. Sie reden und lachen miteinander und vor allem: Sie kennen einander schon. Du stehst mit einer
Tasse in der Hand dazwischen und jetzt wird es schwierig, weil du irgendwie daneben oder dazwischen stehst. Niemand sagt zu dir: Komm, für dich hat es auch noch Platz bei uns. Nein, an diesem Tisch kennen sich alle schon so gut, dass sie gerne unter sich sind. Es sind religiöse Stammschwestern und Stammbrüder und da kommst du schwer hinein. Immer noch stehst du verlegen herum, Ausschau haltend nach einem anderen Menschen, der auch nicht weiss, wohin in dieser zelebrierten Gemeinschaft. Gottlob, da vorne, schon nahe beim Ausgang steht auch so ein verlorenes Menschenkind und schaut durch die Menschen hindurch irgendwohin. Du gehst auf es zu und ihr rettet euch gegenseitig.
Einmal bin ich in einen Kreis von gläubigen Menschen gegangen. Ich habe dort zugehört. Und anschliessend Fragen gesteilt, auch kritische Fragen. Das hatten sie nicht gerne. Und da bat man mich, nicht mehr in ihren Kreis zu kommen.
Leider wurden gerade auch in der Kirchengeschichte Menschen in allen Jahrhunderten geächtet — weil sie nicht den kirchlichen Dogmen entsprachen, weil sie nicht ins gemachte Gottesbild passten oder moralisch untragbar waren. Die Homosexuellen zum Beispiel und die Andersgläubigen.
Das Sektenhafte an der Kirchengeschichte ist ihre Tendenz, Menschen aus der Gemeinde zu entfernen, im Wahn, damit Gottes Ehre zu retten. Heute ist das nicht mehr nötig. Die Menschen gehen von selber — wenn die Kirche nicht ein offenes Haus des Himmels ist.
Aber in der richtigen Kirche, in der Kirche von Jesus Christus, da sind alle Menschen willkommen. Das ist das Wunderbare an Jesus: Er ist nicht wie die Kirchengeschichte. Er ist auch nicht wie der Boss eines Restaurants, der dir auf einem Tablett die Botschaft serviert: Bitte verlassen Sie unauffällig dieses Lokal. Er ist wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn, der seinem Kind mit offenen Armen entgegenläuft. Und er hat gesagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus stossen. In der Liebe von Gott ist jeder und jede willkommen.