Predigtreihe EVANGELIUM I

Bibeltexte: Jesaja 43,1; Lukas 10,20
ein alter Journalistenspruch besagt, dass nichts älter sei als die Zeitung von gestern. Heute kann eine Push-Meldung sogar schon nach einer Stunde überholt und damit uralt sein. Das ist ein Problem mit allen Nachrichten. Es gilt für die schlechten, die in den Medien meist dominieren (weil wir Menschen uns für die Negativschlagzeilen mehr interessieren), genauso wie für die guten Nachrichten. Man gewöhnt sich leicht daran. Und dann nimmt man noch die besten Nachrichten gelangweilt hin und lässt sich von nicht mehr aus dem Hocker reissen.
Hat es damit zu tun, dass die Begeisterung für das Evangelium oft nur eine kurze Halbwertszeit hat. Noch die aller-beste Nachricht erhält beim 10., 20. oder sicher dann 50. den Kommentar: „Ja, klar. Weiss ich schon!“ – ‚Feuer und Flamme bleiben‘ für das Evangelium, die beste aller Nachrichten? Das ist gar nicht so einfach.
Erinnern Sie sich denn noch an den Moment, als Sie zum ersten Mal die Tragweite des Evangeliums erfassten? Als Sie merkten: Es stimmt. Ich bin befreit. Angenommen. Geliebt. Gewollt. Willkommen. Erwartet. Und ich darf genau so sein, wie ich bin. – Erinnern Sie sich noch an die Freude, an die Begeisterung, an die Dankbarkeit, die sie dabei empfanden.
Und: Fühlen Sie diese Freude etc. heute noch in der gleichen Intensität und Tiefe wie damals, vor vielleicht 20, 40 oder sogar 60 Jahren? Können Sie die Gefühle von damals heute noch ‚reproduzieren‘? Nein?
Eben! Darum bin ich darauf gekommen, eine Predigtreihe über die gute Nachricht = Evangelium zu halten. Ich hoffe, dass es so gelingt, ein wenig frischen Sauerstoff in die Glut unseres Glaubens zu blasen … so wie man ein Feuer mit dem Blasbalg wieder anfacht. Damit wir von Christus begeistert und überzeugt sein können. Damit wir Feuer und Flamme sein, bleiben oder wieder werden können für die Gute Nachricht, für den Glauben, für das Evangelium.
Wie Sie jetzt vielleicht merken, hat diese Predigtreihe etwas mit dem Bezirkswochenende im Mai und seinem Thema zu tun: ‚Feuer und Flamme‘ steht über dem Flyer, den sie mit der Grundpost für das Wochenende auf dem Herzberg erhalten haben. ‚Feuer und Flamme‘ – Ich träume davon, dass Predigtreihe und Bezirkswochenende Feuer und Flammen unseres Glaubensfeuers neu auflodern lassen … nicht weil wir uns so anstrengen, sondern weil Gottes Geist neuen Sauerstoff in die Glut unseres Glaubens bläst.
I. GUTE NACHRICHT
Was wäre denn heutzutage eine gute Nachricht? Vielleicht: Die Pandemie ist vorbei! Stellen Sie sich das Fest vor, das wir feiern würden. – Oder: Du hast bei EuroMillions den Hauptgewinn erzielt. Das können über 200 Mio. Fr. sein. Wäre schon keine schlechte Nachricht, obwohl: Vermutlich kämen schnell auch ein paar neue Sorgen hinzu. – Oder: Die Steuern werden abgeschafft! Keine Steuererklärung mehr ausfüllen. Keine Steuern mehr bezahlen müssen. Wäre das nicht toll? – Oder: Der Klimawandel ist überwunden! Weil einer herausgefunden hat, wie man die Treibhausgase in der Atmosphäre ganz einfach regulieren kann…. Klar. Das ist Science-Fiction. Aber eine tolle Nachricht wäre es schon. – Oder stellt Euch die Schlagzeile vor: Stellenabbau bei der Polizei, nicht weil dem Staat das Geld, sondern weil der Polizei die Arbeit ausgeht.
Ja, das wären alles fette Schlagzeilen, die viel Freude und Begeisterung auslösen könnten. Und doch – das ist jeden-falls die Haltung der Bibel – würden sie nicht an das Evangelium Christ, nicht an seine gute Nachricht heranreichen. Denn diese gute Nachricht verspricht nicht bloss ein angenehmeres, einfacheres und besseres Leben. Sondern sie ist die Antwort auf die Grundsehnsüchte der Menschen. Wir alle wollen doch jemand sein, wollen eine Identität haben, wollen respektiert, willkommen, ja wollen geliebt sein. Wir wollen dazu gehören. — Das alles spricht das Evangelium Christi zu!
Seine Gute Nachricht hat viele Aspekte und Facetten (darum kann man auch eine ganz Predigtreihe darüber machen). Zuallererst aber ist das Evangelium der Zuspruch im Namen Gottes: „Ich kenne Dich. Ich will dich. Ich liebe dich. Du gehörst zu mir!“
Für die erste Predigt im Rahmen dieser Reihe habe ich darum als Thema formuliert: „Du bist gewollt und geliebt!“ – Das ist Evangelium pur. Das ist gute Nachricht.
Zwei schon in der Schriftlesung gehörte Sätze mögen dies noch unterstreichen. Einerseits Jesaja 43,1: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir!“ Dazu aus Lk 10,20 die
Garantie: „Eure Namen sind im Himmel aufgeschrieben!“ – Also noch einmal: Evangelium, die gute Nachricht schlechthin, heisst, dass Christus zu dir sagt: „Ich kenne dich. Ich weiss deinen Namen. Du gehörst dazu. Du bist registriert im Buch des Lebens. Du bist gewollt und geliebt!“
II. DER BEGRIFF ‚EVANGELIUM‘
Woher kommt eigentlich der Begriff ‚Evangelium‘? In einem Kommentar zum Mk-Ev von Bischof i.R. Walter Klaiber lese ich, dass das ntl Wort zwei Wurzeln habe:
- Antike: ‚Evangelium‘ war das Wort für eine Siegesbotschaft oder eine andere gute Nachricht. Es war ein Instrument der Herrscher in ihrer politischen Propaganda. Dabei verwendeten die römischen Kaiser z.B. das Wort immer in der Mehrzahl. Sie propagierten also immer viele gute Nachrichten. Ziemlich inflationär, und Manches wohl mindestens schöngeredet, wenn nicht sogar frei erfunden. – Ganz bewusst setzt die Bibel dagegen das eine Evangelium, die eine gute Nachricht von Jesus Christus.
- Altes Testament: Zwar nur selten, dafür aber an gewichtigen Stellen kommt das Wort ‚frohbotschaften‘ bzw. ‚die gute Nachricht verkündigen‘ als Verb vor. Z.B. in Jes 61,1f: „… der Herr hat mich gesandt, den Armen gute Nachricht zu bringen …“. Das ist wichtig, weil Jesus selbst seinen Hauptauftrag darin sah, den Armen zu frohbotschaften (vgl. Mt 11,5 par Lk 7,22; Lk 4,18). – Das heisst nichts weniger, als dass Mk und Paulus mit ihrem Reden vom Evangelium Christi Jesu eigenen Sprachgebrauch aufnehmen. Und beide ver-stehen es so: Jesus bringt DIE rettende frohe Botschaft bzw. gute Nachricht.
Und worin besteht diese gute Nachricht? Sie ist nicht ein System von Wahrheiten bzw. die richtige Lehre. Sie ist auch keine Anleitung zur Vollkommenheit, also ein Regelwerk für das Tun des Richtigen. – Evangelium ist schlicht die gute Nachricht, dass Gottes Reich nahe (Mk 1,15) bzw. in Jesus Gott selber den Menschen begegnet. Diese Nachricht ist so gut, dass sie sogar rettende Kraft entfaltet, wie Paulus in Röm 1,16 schreibt: „Das Evangelium ist die Kraft Gottes, die rettet!“ – Es rettet Dich vor Verlorenheit, Einsamkeit, Sinnlosigkeit, zu wissen, dass Du von Gott geliebt und gewollt bist.
III. CHARAKTERISTIKA DES EVANGELIUMS
Persönliche Ansprache: Ganz speziell ist bei dieser guten Nachricht, dass sie jedem und jeder persönlich zugespro-chen ist. Es wird also nicht nur allgemein festgehalten, dass alle gemeint sind … und die Menschen müssten dann halt selber merken, dass sie gemeint sind. Nein, Menschen werden persönlich, oft mit Namen angesprochen, ge-heilt, berufen oder hören den Zuspruch: ‚Dein Glaube hat dich gerettet!‘ Beispielhaft dafür stehen viele biblische Berufungsgeschichten: Abraham, Mose, Jeremia, Petrus, Paulus – um nur einige zu nennen — werden mit je ihrem Namen angesprochen. Und – aber darüber liesse sich eine eigene Predigt schreiben – der Zuspruch des Evangeliums an sie persönlich verbindet sich mit der Berufung in einen Dienst an der guten Nachricht. – Jedenfalls: Das Evangelium ist Gottes gute Nachricht für dich persönlich!
Bedingungslosigkeit: So persönlich diese gute Nachricht auch ist, gilt sie dennoch allen Menschen. Niemand wird ausgeschlossen. Es gibt keine Vorbehalte oder Aufnahmebedingungen. Ganz schön zeigt dies das Jesuswort, dass zur Jahreslosung 2022 wurde: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen!“ (Jh 6,37) – Du wirst erwartet, steht deshalb über dem Poster der EMK zur Jahreslosung. Du bist willkommen, könnte man auch schreiben. Vorbe-haltlos. Grenzenlos. Gott freut sich wenn du, ausgerechnet du kommst!
Gott macht keine Vorbehalte. Die machten eher die Gerufenen: Mose glaubte, er könne nicht gut genug reden. Jeremia fand, er sei zu jung. Petrus sagte: Aber ich bin ein sündiger Mensch. Usw…. Gott wollte sie alle dennoch. Vorbehaltlos für alle gilt: Du bist geliebt und gewollt.
Integration (Zugehörigkeit): Schliesslich für die gute Nachricht Christi auch ihre integrierende Kraft charakteristisch. Wer dem Evangelium traut, gehört dazu, d.h. gehört zu Gott. Noch einmal Jes 43,1: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei Deinem Namen gerufen. Du gehörst zu mir!“ Oder eben: Du bist gewollt und geliebt. Dasselbe betont Jesus in Lk 10,20 mit dem Hinweis, dass die Namen der Jünger im Himmel aufgeschrieben sind. Sie sind bei Gott schon registriert, gehören zu ihm. – Im Zusammenhang dieser Stelle wird übrigens noch eine wichtige Präzisierung gemacht: Jesus hatte ja 72 Jünger ausgesandt, die in den Dörfern frohbotschaften sollten, schon bevor er dort vorbeikam. Nach erfüllter Mission kamen sie begeistert zu Jesus zurück und erzählten, sogar die bösen Geister hätten ihnen gehorcht. Als ob das die gute Nachricht wäre. Nein, besondere Vollmachten seiner Beauftragten sind nur Beigemüse. Es gibt Wichtigeres. Jesus sagt deutlich: Darüber braucht ihr euch nicht zu freuen, dass Euch die Geister untertan sind. Freuen sollt ihr Euch, dass Eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind. Das nämlich ist das Evangelium.
IV. DAS EVANGELIUM FÜR MENSCHEN VON HEUTE FORMULIEREN
Im Laufe von unterdessen über 2000 Jahren Kirchengeschichte waren die Christen leider nicht immer sehr präzise, wenn es darum ging, das Evangelium zu verkündigen. So sind viele Missverständnisse entstanden und es ist gar nicht so leicht, Menschen heute zu erklären, worin die gute Nachricht Christi besteht.
So hat sich z.B. mit dem Begriff ‚EVANGELISIEREN‘ eine ganz bestimmte Methode der Verkündigung verknüpft: Ein Evangelist predigt und lädt Menschen ein, ihr Leben Jesus anzuvertrauen. Je nach Charakter und kirchlicher Her-kunft des Redners ist klingt die Botschaft eher einladend oder drängend, eher attraktiv oder beängstigend. Nach der Predigt werden die Menschen aufgefordert, eine Entscheidung für Jesus zu treffen. Sie sollen dazu für alle sicht-bar nach vorne kommen … Sie kennen das wohl. Ich will diese Form der Evangelisation keineswegs in Bausch und Bogen verwerfen. Auch unsere Kirche verdankt u.a. ihr, dass sie entstanden und gewachsen ist. Ausserdem kenne ich viele Christen, deren Glaubensweg genau auf so einer Veranstaltung begonnen hat.
ABER: Weil diese Evangelisationsform etwas aus der Zeit gefallen ist, wirkt sie ausserhalb kirchlicher Grenzen eher abschreckend. Und es ist deshalb möglich, dass man mit dem durch und durch positiv gemeinten Wort ‚Evangelium‘ jemanden eher in die Flucht treibt als für Christus gewinnt.
Wie also kann man die gute Nachricht von Christus für Menschen heute formulieren? Natürlich gibt es keine allge-meingültige Antwort für sämtliche vorstellbaren Situationen. Doch ich glaube: Wenn es gelingt, jemanden persön-lich und authentisch anzusprechen. Wenn man ihm/ihr vermitteln kann, dass er/sie von Gott gewollt und geliebt ist. Wenn man ausserdem nicht vergisst, sondern unterstreicht, dass dies bedingungslos und grenzenlos für alle gilt. Dann dürfte man zumindest auf einem guten Weg sein, ein Frohbotschafter (→ ‚Evangelist‘) zu werden.
Spätestens an dieser Stelle müsste die Predigt nun von jedem und jeder persönlich fertiggeschrieben werden. Zum Beispiel, indem Sie überlegen:
- Wie kann ich die gute Nachricht von Jesus für mich formulieren?
- Wie kann ich anderen Menschen, vielleicht sogar solchen, die nicht kirchliche sozialisiert sind, zeigen oder verständlich machen: Du bist von Gott gewollt und geliebt.
- Gibt es jemanden, der von mir – ausgerechnet von mir – hören müsste: „Du bist gewollt und geliebt. Jesus kennt dich und hat Freude an Dir!“
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie diese Fragen mit sich nehmen und bewegen würden. Wer weiss, was dann daraus wird. Schliesslich ist das Evangelium die Kraft Gottes, die rettet.
Amen
Schon als Vierjährige sass ich jeweils mit der Puppe im Arm in Evangelisations Versammlungen. So bin ich aufgewachsen. Damals haben mich vor allem die tollen Lieder fasziniert, von denen ich noch heute begeistert bin. Mit zwölf Jahren habe ich rebelliert und bin nicht mehr mitgegangen. Selbstständig habe ich mich dann in der ref. Kirche konfirmieren lassen. Jahre später, ich war siebzehn, bin ich doch auf Drängen meiner Eltern wieder einmal mitgegangen. Ein “Starevangelist” aus Deutschland war angesagt. Als wir ankamen, kam der Gemeindepastor völlig aufgeregt auf uns zu. Der Evangelist war krank und es kam ein alter Schweizer Prediger als Ersatz. Die Menschen waren enttäuscht. Er fing an zu sprechen mit leiser, zittriger Stimme, es war schwierig ihn zu verstehen. Aber das Unglaubliche geschah!! An diesem Abend hat mich Christus direkt angesprochen. Kein Mensch ging nach vorne, nur ich. Nie werde ich das tolle Gespräch, und das innige Gebet vergessen. Dieser Mann war schwach, er litt an Parkinson, was ihn aber nicht davon abhielt, mir seine zittrigen Hände aufzulegen und
mit mir zu beten. Seitdem brennt das Feuer in mir, mal mehr, mal weniger.Wer kennt sie nicht, die Leidens-und Durststrecken im Leben. Aber nie ist das Feuer ausgelöscht und ich wurde bei deinem Beitrag, Daniel ‚wieder daran erinnert. Der damalige Gemeindepastor konnte kaum fassen, was geschehen war. Er sagte zu mir, Silvia, ich hätte nicht gedacht, dass dieser Herr M. dich anspricht. Als aufmüpfige Siebzehnjährige habe ich geantwortet, nicht Herr M. hat mich angesprochen, sondern Gott!
Diese Geschichte habe ich erzählt, weil ich einen Buchtipp weitergeben möchte.
Magnus Malm: Gott braucht keine Helden. Es ist ein phantastisches Buch für alle, die in einer Gemeinde mitwirken und das tun wir ja alle!!! Es zeigt auch auf, was wir tun können, wenn wir ausgebrannt sind, oder uns in einer Rolle wiederfinden, die wir gar nicht mehr wollen. Ein empfehlenswertes Buch.
Vielen Dank für Deine Geschichte und den Buchtipp.