… also schämt euch nicht!

Predigtrei­he EVANGELIUM VI

Bibel­texte: Römer 1,16

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in den Kriegen zwis­chen Israel unter König Saul und den Philis­tern hat­ten let­ztere die Bun­deslade gestohlen. Der ver­gold­ete Holzkas­ten, der die Tafeln mit Gottes Geboten enthielt, war der heilig­ste Besitz des Volkes. Etliche Jahre später kam die Bun­deslade zurück nach Jerusalem. 2.Sam 6 erzählt, wie das vor sich ging. Für David, erst seit kurzem König über Israel, war e eine ganz grosse Sache. Er liess es sich nicht nehmen, den Umzug per­sön­lich anzuführen. Bek­lei­det nur mit einem Priester­schurz, tanzte er den ganzen Weg vor der Bun­deslade her. Und zwar nicht gesit­tet, zurück­hal­tend, wie es sich für den König geziemt hätte. Son­dern voller Hingabe, voller Lei­den­schaft, oder wie die Luther­bibel über­set­zt: „David tanzte mit aller Macht vor dem Her­rn her!“ Sein­er Frau Michal hinge­gen war es höchst pein­lich, wie David sich – wie sie fand – vor dem ganzen Volk zum Affen machte. Sie schämte sich in Grund Boden. David hinge­gen erk­lärte, dass er sich gerne klein machen wolle, solange es der Ehre Gottes diene.

„ … also schämt euch nicht!“

Das ist das let­zte The­ma in der Rei­he über das Evan­geli­um. Dazu ist mir die Geschichte vom tanzen­den David einge­fall­en. Manch­mal, vielle­icht sog­ar oft, gle­ichen wir eher Michal. Dann fra­gen wir uns, was die Leute wohl über uns denken. Wir entwick­eln Hem­mungen. Wie wir wirken, wird uns wichtiger als das Ziel, die gute Nachricht zum Leucht­en zu brin­gen. Vielle­icht täte es uns gut, wenn wir uns mehr am hem­mungs­los tanzen­den David ori­en­tieren könnten.

Vier Predigten der Rei­he beschäftigten sich mit dem Inhalt des Evan­geli­ums, der guten Nachricht von Chris­tus. Allen Men­schen gilt der Zus­pruch Gottes: Du bist geliebt und gewollt. — Du bist, so wie du bist, Gottes Bild. — Verän­derung ist möglich. — Du bist nie allein.

Am ver­gan­genen Son­ntag habe ich dann unter­strichen: Die gute Nachricht ist nicht nur Zus­pruch an uns. Sie nimmt uns auch in Anspruch. Wir sind beauf­tragt von Chris­tus, sollen beitra­gen, dass alle Men­schen diese guten Nachrichten.

Ich habe zwar sehr bemüht, diese Botschaft neu zu for­mulieren. Den­noch war für die meis­ten wohl nur wenig ganz Neues in den Predigten. Wir wis­sen es doch, und schon lange. Wir ken­nen das Evan­geli­um. – Doch, was machen wir damit?

Am Schluss der ersten Predigt standen drei Fragen/Denkaufgaben:

  • Wie kann ich die gute Nachricht von Chris­tus für mich formulieren?
  • Wie kann ich anderen Men­schen zeigen oder ver­ständlich machen: Du bist von Gott gewollt und geliebt?
  • Wer von den Men­schen, mit denen ich zu tun habe, müsste von mir – aus­gerech­net von mir – hören: Du bist gewollt und geliebt. Chris­tus ken­nt dich und hat Freude an Dir?

Ich wün­schte mir, dass diese drei Fra­gen uns begleit­en. Und wenn sie uns ab und zu auch zum Han­deln oder Reden brächt­en, dann hätte die Predigtrei­he ihr haupt­säch­lich­es Ziel erre­icht. – Nur: Wie leicht bremst uns vor dem Han­deln oder Reden das eine oder andere ABER brem­sen kann: Wann ist der richtige Moment? Wie laut­en die guten Worte? Inter­essiert über­haupt jeman­den, was ich zu sagen hätte? Was, wenn gar nie­mand zuhören will …? – Dann kön­nte ich mir doch die Energie sparen!

Paulus‘ Rezept gegen solche Wenn und Aber lautet nach Röm 1,16: Denn ich schäme mich nicht für die Gute Nachricht. Sie ist eine Kraft Gottes, die jeden ret­tet, der glaubt –an erster Stelle die Juden, dann auch die Griechen.“ Oder nach Luther, wie es manche wohl bess­er im Ohr haben: „Ich schäme mich des Evan­geli­ums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und eben­so die Griechen.“

Schä­men wir uns für das Evan­geli­um? Hof­fentlich nicht! — Der Aus­druck mag etwas stark sein. Schweiz­erIn­nen schä­men sich vielle­icht nicht so schnell. Aber wir haben manch­mal Hem­mungen. Mani Mat­ter hat das vor vie­len Jahren bis heute unübertrof­fen besun­gen: „S’git Lüt, die wür­den alletwäge nie, es Lied vorsinge, so win ig jitz hie, eis sin­gen um kei Prys, nei bhüetis nei, wil si Hem­mige hei …“

Mit dem Wort Hem­mungen ist der Stolper­stein wohl gut umschrieben. Darüber fall­en wir des Öfteren, wenn es darum gin­ge, das Evan­geli­um zu verkör­pern, zu leben, mit anderen zu teilen. — Paulus ruft uns zu: Seid hem­mungslose Chris­ten und Christin­nen. Oder, vielle­icht noch bess­er: Seid hem­mungslose, lei­den­schaftliche, hinge­bungsvolle Nach­fol­gerIn­nen, Jün­gerIn­nen Jesu. Lasst Euch durch nichts darin hem­men oder brem­sen, die gute Nachricht in Eurem Leben abzubilden.

Ausser­dem steckt in seinem Satz der andere wichtige Hin­weis: Das Evan­geli­um ist Kraft Gottes zum Leben. Es ist nicht eine Lehre oder gar ein Gesetz. Son­dern es ist die Energiequelle, aus der die Kraft wächst, das Leben gut zu gestal­ten und zu bewälti­gen. – Als Zeug­In­nen des Evan­geli­ums soll­ten wir uns deshalb nicht belehrend geben. Es sollte nicht „von oben herab‘ tönen, was wir sagen. Unser Job ist ja nicht, der Welt die Leviten zu lesen. Ich meine deshalb übri­gens auch, dass wir viel weniger, als das Chris­ten meist getan haben und immer noch tun, von Sünde reden soll­ten (aber das wäre dann wohl ein ganz neues The­ma, wie man heute angemessen und ver­ständlich von Sünde reden kann). Wir sind ein­ge­laden, begeis­ternd, inspiri­erend, lei­den­schaftlich, ansteck­end, unsere Beziehung mit Gott zu leben … ohne Hem­mungen dazu zu ste­hen, dass er unser Leben und unser Glauben trägt.

Was hemmt uns? Was bremst uns? – Lassen sie mich kurz (ohne Anspruch auf Voll­ständigkeit) einige Möglichkeit­en aufzählen und auch zeigen, dass solche Hem­mungen nicht gut begrün­det sind:

  • Was sagen/denken wohl die anderen (→ Sorge um den guten Ruf)? – Erstens: Was spielt es für eine Rolle, wenn sich manche wun­dern und andere dich sog­ar belächeln! Du bist ja schon voll akzep­tiert und respek­tiert, so wie du bist, von Chris­tus. Was willst du mehr? Und zweit­ens: Die Gedanken der Mit­men­schen über uns sind meis­tens pos­i­tiv­er, anerken­nen­der als uns unsere Hem­mungen ein­flüstern wollen.
  • Bin ich kom­pe­tent? Ich habe doch nichts zu sagen! (→ fehlen­des Selb­stver­trauen) – Doch, natür­lich hast Du etwas zu sagen. Du bist Gottes Bild. Er hat dich aus­gewählt, ihn und seine Liebe zu verkör­pern. Wenn du authen­tisch bleib­st und beschei­den, hast Du nicht nur etwas zu sagen. Son­dern es wer­den Dir auch Men­schen zuhören.
  • Evan­ge­li­sa­tion und Mis­sion sind ver­pönt! (→ ‚his­torisch­er Holzham­mer‘) – Ja, stimmt, das ist ein Prob­lem. Aber: Wir haben doch gel­ernt, dass wir nicht Chris­ten pro­duzieren sollen, schon gar nicht ‚Gläu­bige in unserem Sinn‘ und auch nie­man­dem eine Kul­tur über­stülpen dür­fen. Vielmehr geht es darum: Ein­samen zuzus­prechen, dass sie nicht allein sind. Trau­ri­gen, dass sie getröstet wer­den. Suchen­den, dass ihr Leben sin­nvoll ist. Etc. – Es geht darum, dass Men­schen die gute Nachricht hören kön­nen. Wie sie die dann umset­zen, das dür­fen wir get­rost ihnen und Gott überlassen.
  • Inter­essiert das Evan­geli­um über­haupt? – Ja, sich­er. Wen sollte es nicht inter­essieren, zu hören, das er/sie geliebt, angenom­men, respek­tiert etc. ist. Genau das suchen doch alle.
  • Res­ig­na­tion: Schon so oft pro­biert … und die Gemeinde ist immer noch am Schrumpfen. – Auf die Gefahr hin, mich zu wieder­holen: Es geht nicht um die Insti­tu­tion unser­er Kirche/Gemeinde. Es geht um die Men­schen, die Chris­tus brauchen. Und: Ich bin überzeugt, solange wir als Kirche/Gemeinde dazu beitra­gen, dass Men­schen das Evan­geli­um hören, wird Gott uns nicht vergessen. Wenn wir dage­gen uns zu ret­ten ver­suchen und die Men­schen vergessen, die durch uns von Chris­tus hören soll­ten .… ja weiss Gott vielle­icht mit der Zeit nicht mehr, wozu er unsere Insti­tu­tio­nen noch brauchen könnte.

Nur keine Hem­mungen, sagt Paulus darum. „Ich schäme mich des Evan­geli­ums nicht!“ Seit sein­er Bekehrung vor den Toren Damaskus‘ blieb er Feuer und Flamme für Chris­tus. Wie ist ihm das gelun­gen? Er hat nie aufge­hört darüber zu staunen, dass Jesus aus­gerech­net ihm, der doch ein Chris­ten­ver­fol­ger ist, begeg­net und ihm seine Liebe gezeigt hat. Er hat sich nie daran gewöh­nt, son­dern sich jeden Tag neu darüber gefreut. – Petrus und Johannes, von denen wir in der Schriftle­sung aus der Apos­telgeschichte gehört haben, muss es ähn­lich gegan­gen sein. Immer blieb ihnen vor Augen, was für ein unglaublich­es Geschenk es bedeutet, Jesus ken­nen­gel­ernt zu haben und mit ihm das Leben zu gestal­ten. Auch ihnen gelang es, dem Gewöh­nungsef­fekt ein Schnip­pchen zu schla­gen. Sie waren so überzeugt, dass nicht ein­mal Dro­hun­gen vor Gericht sie ein­schüchtern kon­nten. Im Wis­sen, dass sie sich damit neue Schwierigkeit­en ein­han­deln wür­den, sagten sie: „Wir kön­nen es ja nicht lassen, von dem zu reden, was wir gese­hen und gehört haben!“ (Apg 4,20)

Wie kön­nen wir ihrem Vor­bild nacheifern? – Zunächst soll­ten wir nicht aufhören, uns auf ganz per­sön­liche Weise mit dem Evan­geli­um zu beschäfti­gen. Uns vor­buch­sta­bieren, uns neu zus­prechen lassen: Ich bin gewollt und geliebt. Ich bin ein Bild Gottes. Ich bin nie allein. Verän­derung ist möglich. – Nicht aufhören zu staunen darüber, dass Chris­tus aus­gerech­net mich liebt, mir Sinn und Halt gibt, mir Kraft zum Leben gibt. Mich so von Gottes Liebe anfeuern lassen. Mich vom Heili­gen Geist, der nichts ver­bren­nt und doch in mir glüht, ansteck­en und ent­flam­men zu lassen. Feuer und Flamme bleiben für Chris­tus. Bei allem Auf­trags­be­wusst­sein müssen wir uns aber doch nicht unter Druck set­zen. Son­dern dür­fen darauf ver­trauen: Ich muss es nicht ‚erchrampfe‘. Er begeis­tert und inspiri­ert mich. Ich kann mich darauf ver­lassen: Wenn ich reden soll, dann wird der Heilige Geist mir helfen, die richti­gen Worte zu find­en. So hat es Jesus näm­lich ver­sprochen (vgl. Mt 10,19 par Lk 12,12). Amen.

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