Auferstanden — schwer zu glauben

Predigt in der EMK Adliswil am Oster­son­ntag, 17.04.2022

der älteste Oster­bericht der Evan­gelien hörte ursprünglich so auf, wie wir es in der Schriftle­sung gehört haben: „Da gin­gen sie (die Frauen) hin­aus und flo­hen weg vom Grab, denn sie waren starr vor Angst und Entset­zen. Und sie sagten nie­man­dem etwas, denn sie fürchteten sich“ (Mk 16,8). Darin spiegelt sich etwas davon, wie schw­er die Aufer­ste­hungs­botschaft zu fassen ist. Sie liegt ja ganz ausser­halb unseres üblichen Wahrnehmungs- und Erfahrung­shor­i­zontes. Ausser­dem steck­ten Jesu Jün­gerIn­nen in ein­er tiefen Depression.

Seit Jesu Tod wur­den sie von hefti­gen Schuldge­fühlen geplagt, weil sie ihn im Stich gelassen hat­ten. Sie waren Jesus nicht die Fre­unde gewe­sen, die sie hät­ten sein sollen. Das plagte sie. Und sie mussten befürcht­en, dass ihnen das­selbe Schick­sal dro­hen kön­nte wie Jesus. – Ausser­dem hat­ten sie ja keine Ahnung hat­ten, was sie aus ihrem Leben machen soll­ten. Ihr altes Leben hat­ten sie aufgegeben, um mit Jesus zu gehen, überzeugt davon, dass er der Mes­sias sei. Sie hat­ten darauf ver­traut, dass Jesus ‚Worte des Lebens‘ habe. Sie woll­ten mit ihm das Reich Gottes bauen. – Alle diese Hoff­nun­gen und Träume lagen in Trüm­mern. Es war geschehen, wom­it sie nie gerech­net hat­ten. Das Böse hat­te das Gute besiegt. Der Mes­sias war ver­nichtet. Ihr Glaube an ihn war mit Jesus gekreuzigt  und gestor­ben. Den Jün­gerIn­nen blieb nichts als Verzweiflung.

Karsam­stag ist der Tag danach. Der Tag nach der tödlichen Kreb­s­di­ag­nose. Der Tag, nach­dem der Ehep­art­ner gegan­gen ist. Der Tag nach der Katas­tro­phe. Der Tag, an dem die Dimen­sio­nen des Ver­häng­niss­es erst richtig bewusst wer­den. Der Tag, an dem einem däm­mert, dass es nie mehr so sein würde wie es war … der Tag, an dem man befürchtet, das Leben sei endgültig vorbei.

Wen wundert’s, , dass die Aufer­ste­hungs­botschaft kaum in diese Stim­mung und Sit­u­a­tion vor­drin­gen kon­nte. Die Frauen am Mor­gen früh geschockt, als sie ent­deck­en, dass der Stein vom Grab weg­gerollt ist. Sie kön­nen nichts anderes denken, als dass jemand den Leich­nam Jesu gestohlen hat. In ihrem Bericht darüber, was weit­er geschah, unter­schei­den sich die vier Evan­gelien. Mk 16,5 erzählt von einem Mann in einem lan­gen, weis­sen Gewand im Grab. Mt 28,2 beze­ich­net ihn als einen Engel, d.h. einen ‚Boten Gottes‘. Lk 24,4 weiss von zwei Män­nern in weis­sen Klei­dern. Und im Jh-Ev sind es zwei weiss gek­lei­dete Engel. ‚Warum weinst du?‘, fra­gen sie laut Jh 20,15. „Warum sucht ihr den Leben­den bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist aufer­standen.“ Und dann ren­nen die Frauen los, um die Jünger zu suchen.

Bei allen Unter­schieden im Details machen die Evan­gelien eines ganz klar: Die Vorstel­lung, dass Jesus vom Tod aufer­standen sei, kann zunächst nie­mand fassen. Laut Mk 16,1–8 sind die Frauen in Schock­starre und erzählen nie­man­dem davon. Mt 28,16–17 hält fest, dass selb­st bei der Begeg­nung mit dem Aufer­stande­nen auf einem Berg in Galiläa „einige zweifel­ten“. Lk 24,8–12 erzählt, dass Petrus und Kon­sorten den Frauen kein Wort glaubten. Petrus ran­nte dann zwar ‚ver­wun­dert‘ zum Grab, scheint aber selb­st dort nicht zu begreifen, was geschehen ist. Laut Jh 20,2–9 brin­gen ihn auch die ordentlich zusam­men­gelegten Tüch­er im Grab dem Wun­der nicht auf die Spur. Schliesslich erzählt das 4. Evan­geli­um ja auch noch vom ‚ungläu­bi­gen‘ Thomas, der sich dann auf den Stand­punkt stellt: „Ich glaube es erst, wenn ich seine durch­bohrten Hände gese­hen habe. Mit meinen Fin­gern will ich sie fühlen, und meine Hand will ich in die Wunde an sein­er Seite leg­en“ (Jh 20,25).

Ich bin dankbar für diese Berichte, die zeigen, wie schw­er es selb­st den eng­sten Wegge­fährtIn­nen Jesu fiel, an die Aufer­ste­hung zu glauben. Es ent­lastet uns, die wir 2000 Jahre später leben und wed­er das leere Grab noch den lebendi­gen Jesus gese­hen haben. Manch­mal ist es doch kaum zu glauben, dass Jesus leben soll. Weil wir von der Kraft der Aufer­ste­hung in unserem Leben kaum etwas spüren oder sehen.

DAS GRAB WAR LEER

Aber sam­meln wir doch ein­mal, was den Glauben an die Aufer­ste­hung unter­stützen kann: Wir kön­nen sich­er davon aus­ge­hen, dass das Grab am Oster­mor­gen leer war. Son­st hätte die Geg­n­er der Aufer­ste­hung ja sehr leicht­es Spiel gehabt, um ihre Sicht zu ‚beweisen‘.

Aber warum war das Grab leer? Im Lauf der Zeit wur­den ver­schiedene The­o­rien entwick­elt, die das ohne Aufer­ste­hung soll­ten begrün­den kön­nen. Befriedi­gend finde ich per­sön­lich allerd­ings keine davon:

  • Es wurde zu behaupten ver­sucht, Jesus sei am Kreuz gar nicht ganz gestor­ben (→ Schein-Tod). Er hätte die Kreuzi­gung irgend­wie über­lebt und sich dann im Grab wieder erholt und aus dem Staub gemacht. – Da kann man aber dage­gen halten:
  • Vor der Kreuzi­gung wurde Jesus aus­gepeitscht. Das allein führte bisweilen schon zum Tod und schwächte ihn schon vor der Kreuzi­gung entscheidend.
  • Jesus wurde gekreuzigt. Es ist kein Beispiel bekan­nt, dass eine Kreuzi­gung von jeman­dem über­lebt wurde.
  • Der Grab­stein wog wohl min­destens 1,5 Ton­nen. Auch ein Gesun­der ist nicht in der Lage, dieses Gewicht zu bewegen.
  • Jh 19,34 hält fest, dass Jesus nach seinem Tod mit ein­er Lanze in die Seite gestochen wurde und ‚sogle­ich kam Wass­er und Blut her­aus‘. Das ist aus medi­zinis­ch­er Sicht ein Beweis für den einge­trete­nen Tod (→ Blut­serum und Blut­gerinnsel hat­ten sich schon getrennt)
  • Behauptet wurde auch, Jesu Jünger hät­ten Jesu Leich­nam gestohlen und ver­steckt und danach das Gerücht ver­bre­it­et, dass er aufer­standen sei. – Dage­gen spricht:
    • Weil Römer und Juden genau das befürchteten, wurde Jesu Grab scharf bewacht.
    • Die Jünger waren der­art deprim­iert und ent­täuscht, dass sie bes­timmt nicht in der Lage waren, so etwas zu insze­nieren. Ausser­dem hätte dieser Trick ihnen sel­ber ja keinen neuen Mut geben kön­nen. – Diese The­o­rie ist etwa so wahrschein­lich wie die Behaup­tung Münch­hausens, er hätte sich selb­st an den eige­nen Haaren aus dem Sumpf gezogen.
  • Weit­er gibt es die The­o­rie, dass die Behör­den (römisch oder jüdisch) für das Ver­schwinden von Jesu Leich­nam ver­ant­wortlich seien. – Das ist unwahrschein­lich, weil: es diese Behör­den damit ja selb­st in der Hand gehabt hät­ten, den uner­wün­scht­en Aufer­ste­hungs­glauben im Keim zu erstick­en. Sie hätte nur zeigen/sagen müssen, wo Jesu Leich­nam war.
  • Als let­zte The­o­rie, warum das Grab leer war, sei die Behaup­tung erwäh­nt, dass Räu­ber in das Grab einge­drun­gen seien. — Auch das ist wenig plau­si­bel, denn: Das mit Abstand wertvoll­ste in Jesu Grab waren die Grabtüch­er. Und aus­gerech­net die wur­den nicht gestohlen.

UNGLAUBLICH

Weil es Men­schen so schw­er fällt, an die Aufer­ste­hung zu glauben, sind auch noch andere Vorschläge gemacht wor­den, um es den Men­schen mit dem Oster­glauben leichter zu machen, zum Beispiel:

  • Manche Bibelausleger ver­muten, Jesus wäre gar nicht gestor­ben (dafür ein ander­er an sein­er Stelle) oder das Grab sei halt ent­ge­gen der Berichte doch nicht leer gewe­sen. Die Frauen und Jünger seien ein­er durch frommes Wun­schdenken ent­stande­nen Vision ver­fall­en. So sei die Aufer­ste­hungs­botschaft ent­standen. – Diese Über­legun­gen verken­nen allerd­ings, dass die ersten Chris­ten klar und ein­deutig bericht­en, dass das Grab leer war, dass Jesus kör­per­lich aufer­standen sei und dass er in einem Zeitraum von 40 Tagen den Apos­teln und hun­derten von weit­eren Men­schen erschienen sei (vgl. 1. Kor 15,5–7). Und dabei wird betont, dass er ‚kein Geist‘ gewe­sen sei, son­dern wirk­lich bei ihnen gewe­sen sei und sog­ar mit ihnen gegessen habe.
  • Das der Aufer­standene in irgen­dein­er Form eine Geis­ter­schei­n­ung gewe­sen sei, das wür­den heute viele lieber glauben: Die ver­stor­bene Seele erscheint irgend­wie den Ange­höri­gen und Fre­un­den noch ein­mal. Damit würde man jeden­falls heute kaum gross aneck­en. — Nur, die bib­lis­chen Berichte sagen ger­ade das aus­drück­lich nicht! Es geht in den Oster­bericht­en nicht um die Erschei­n­ung ein­er unsterblichen Seele, son­dern um eine neue Schöp­fung, um eine kör­per­liche Exis­tenz, die dem Vorheri­gen zwar sehr ähn­lich und doch ganz anders ist. — Die Berichte in den Evan­gelien ver­ste­hen Christi Aufer­ste­hung also auch nicht als Wieder­bele­bung des alten Kör­pers. Es ist etwas ganz Neues ins Leben gekom­men. Eine neue Art Kör­p­er. Man kön­nte auch sagen: Ein Kör­p­er, der zum Him­mel passt.

Es ist schw­er zu beschreiben und nachzu­vol­lziehen, was damals am ersten Oster­mor­gen geschah. Wirk­lich kaum zu glauben. Ich habe bere­its darauf hingewiesen, wie schw­er es auch den eng­sten Ver­traut­en Jesu fiel, an die Aufer­ste­hung zu glauben. Kein­er reagiert mit: ‚Ja, klar, aufer­standen ist er, keine Frage!“ – Maria und Petrus und Johannes und Thomas … alle hat­ten ihre Zweifel. Die bib­lis­chen Berichte bezeu­gen das ungeschönt. Das macht in meinen Augen das ganze Geschehen glaub­würdi­ger. Da lief kein gross angelegtes Täuschungs­man­över. Son­dern eine ganz neue, göt­tliche Wirk­lichkeit brach in den men­schlichen Wahrnehmung­shor­i­zont ein.

Die Botschaft ist also klar: Gott hat an dem Jesus, der drei Tage zuvor am Kreuz gestor­ben ist, seine Macht gezeigt. Die Macht, die jen­seits des Todes Leben schaf­fen kann. Jesus wurde vom Tod aufer­weckt. Er ist auferstanden.

Es geht also nicht nur um die Schlussfogerung: Weil das Grab offen­sichtlich leer war und man sich das nicht anders erk­lären kann, muss Jesus aufer­standen sein. Die urchristliche Verkündi­gung geht sog­ar umgekehrt: Chris­tus ist aufer­standen! Darum ist auch das Grab leer. Nicht das leere Grab, son­dern dass Jesus lebt, ist die Haupt­sache. Darum ent­stand übri­gens auch nie eine Pil­ger­be­we­gung zum leeren Grab, son­dern eine Jünger­be­we­gung der­er, die mit ihm in dieser Welt ihr Leben leben.

GLAUBEN OHNE GANZ VERSTEHEN ZU KÖNNEN

In unser­er Welt gibt es Vieles, was wir nicht bis ins Let­zte ver­ste­hen kön­nen. Nehmen wir als Beispiel die Physik: Mein Kör­p­er soll aus winzig kleinen Atom­en beste­hen, jedes mit einem Kern und von ein­er Elek­tro­nen­wolke umgeben. Dabei soll das meiste im Prinzip ‚leer­er Raum‘ sein. Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen, weiss aber, dass diese The­o­rie sehr Vieles erk­lärt, was son­st ein Geheim­nis bliebe.

Men­schen sind im Blick auf ihr Wis­sen beschei­den­er gewor­den. Wir kön­nen gut glauben, dass es Dinge gibt, die unser Denken nicht erfassen kann und dass es noch ganz anderes gibt, als wir uns vorstellen kön­nen. So gese­hen müsste es der Aufer­ste­hungs­glaube heute eigentlich leichter haben als auch schon.

Und schliesslich gibt es viele Berichte von Men­schen, im Neuen Tes­ta­ment und sei­ther immer wieder, die Jesus erlebt haben. Offen­sichtlich bewirk­te und bewirkt dieser aufer­stande­nen Chris­tus immer wieder konkrete Verän­derun­gen im Leben echter Men­schen. Solche Berichte ver­s­tum­men nicht. Wir hören und erleben immer wieder Men­schen, die eine Begeg­nun­gen mit Jesus bleibend verän­dert hat.

DEM AUFERSTANDENEN AUF DER SPUR

Die Oster­botschaft macht uns zuerst stutzig und nach­den­klich. Sie fordert uns auch auf, dem Aufer­stande­nen auf die Spur zu kom­men! Ja mehr noch: Auf die Spur des Aufer­stande­nen zu kommen! 

Wer Jesus auf die Spur kommt, der wird her­aus­ge­fordert die Spur zu wech­seln. Von sein­er eige­nen Spur auf die Spur von Jesus zu wech­seln. So wird er/sie anders unter­wegs sein als vorher und im Leben anderes erleben und leben, als wenn er oder sie auf der eige­nen Spur bleibt… 

Es geht nicht zum leeren Grab (das wäre der Weg in die Ver­gan­gen­heit). Es geht ins Leben hinein – in ein Leben in der Verbindung mit Gott. Und das bedeutet: Die Ver­gan­gen­heit muss nie mehr so viel Platz in unserem Leben ein­nehmen, dass sie die Gegen­wart in den Schat­ten stellt und die Zukun­ft ver­dunkelt. – Es mag kaum zu glauben sein. Und doch führen aus mein­er Sicht keine Argu­mente am Beken­nt­nis vor­bei: Chris­tus lebt! Er ist aufer­standen. Das feiern wir heute ein­mal mehr, damit wir es auch glauben kön­nen. Jesus Chris­tus lebt. Amen

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