Die Gute Nachricht ins Gespräch bringen

Apos­telgeschichte 17,16–34

Predigt in der EMK Adliswil am Son­ntag, 08.05.2022

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Liebe Gemeinde,

wir haben den Predigt­text aus Agp 17 eben gehört: Paulus ist in Athen. Zunächst geht er herum wie ein Tourist und sieht sich alles genau an. Er bleibt aber nicht dis­tanziert­er Beobachter, son­dern geht auf die Sehenswürdigkeit­en ein. Er ärg­ert sich über Götzen­bilder und spricht Ein­heimis­che darauf an. Die find­en es inter­es­sant, ihm zuzuhören und laden ihn ein, seine Gedanken auf dem Are­opag, dem grossen Mark­platz, vorzu­tra­gen. Dort hält der Apos­tel eine bemerkenswerte Rede. – Bemerkenswert, weil er nicht zuerst seinem Zorn über die Götzen­bilder Luft macht. Son­dern Paulus sucht und find­et einen Anknüp­fungspunkt: Den Altar für den unbekan­nten Gott. Von dort aus kann er die Gute Nachricht von Chris­tus entfalten.

Apg 17 ist eine einzi­gar­tige Mis­sion­s­geschichte: Weil die Botschaft im Gespräch entwick­elt wird. Weil das Evan­geli­um auf die Fra­gen und Bedürfnisse der ZuhörerIn­nen zugeschnit­ten wird. Und speziell ist, zumin­d­est für die Apg, auch, dass am Schluss wed­er über Massen­bekehrun­gen noch viele Taufen berichtet wird.

Vielle­icht typ­isch für Athen, die Hochburg der Denker und Philosophen damals, dass hier nicht gle­ich eine grosse Bewe­gung entste­ht. Den­noch – trotz des fehlen­den zählbaren Erfol­gs – mag ich die Geschichte sehr. Weil Paulus hier nicht mit dem Holzham­mer, son­dern mit feineren Instru­menten arbeit­et. Weil er denen zuhört, zu denen er dann redet. Und weil er sich bemüht, ihre Sprache zu sprechen, ihre Fra­gen und Vorstel­lun­gen aufzunehmen. – Ich würde gerne selb­st so die Gute Nachricht ins Gespräch brin­gen kön­nen. D.h. Zuhören, auf das Gegenüber einge­hen und dann überzeu­gend von meinem Glauben reden. Manch­mal gelingt es vielle­icht. Und ich hoffe, immer öfter.

Der The­ologe Klaus Dou­glas hat ein­mal geschrieben: “Das Chris­ten­tum hat immer dann eine Blütezeit erlebt, wenn es ihm gelang, sich auf die Men­schen sein­er Zeit einzu­lassen! Wo immer das Chris­ten­tum die Men­schen wirk­lich in Massen erre­ichte und bewegte, geschah dies in Verbindung mit ein­er pos­i­tiv­en Rezep­tion (=Auf­nahme, Über­nahme) der jew­eili­gen Gegen­wart­skul­tur.” (Klaus Dou­glass, die neue Ref­or­ma­tion, S.103). – Ein Satz, wie ihn The­olo­gen manch­mal gerne for­mulieren und der vielle­icht etwas wuchtig klingt. Aber es hat schon etwas: Wer das Evan­geli­um ist Gespräch brin­gen will, muss vorher zuhören, muss die Träume, Sehn­süchte, Las­ten seines Gegenüber ken­nen oder wenig­stens ahnen.

I. Schauen wir die Geschichte etwas genauer an: Es ist in den ersten Wochen der Mis­sion in Europa. Paulus ist allein nach Athen gekom­men. Er muss auf seine Begleit­er Silas und Tim­o­theus warten, die noch in Beröa sind. Mit ein­er grossen Vision hat­ten sie vor kurzem den Kon­ti­nent betreten. Im Traum rief ein Bote Gottes Paulus nach Europa. Hier solle er jet­zt die Botschaft von Jesus Chris­tus verbreiten.

Grosse Visio­nen wer­den von der erlebten Real­ität oft ange­focht­en. So erweist sich auch die Mis­sion Europas für Paulus und seine Begleit­er schnell als steiniger Weg: In der ersten Stadt Philip­pi gerät Paulus ins Gefäng­nis. In Thes­sa­lonich löst seine Verkündi­gung einen Volk­sauf­s­tand aus. Der Apos­tel muss fliehen. In Beröa geht es ihm nicht bess­er. So lan­det Paulus uner­wartet schnell und allein nach Athen. Er hat viel Wider­stand erlebt. Was nun? War der Traum eine falsche Botschaft? Hat­te er etwas falsch verstanden?

Paulus muss über die Büch­er. Doch das heisst für ihn nicht, das Unternehmen abzubrechen. Son­dern er verän­dert die Methodik. Hat­te Paulus in Philip­pi etc. sofort drau­flos­gepredigt, schaut er sich in Athen jet­zt erst ein­mal um. Er bezähmt seinen Zorn über das, was in seinen Augen falsch läuft. Paulus sucht das Gespräch. So bleibt der Tumult jeden­falls aus. Men­schen hören ihm zu und einige – zugegeben wenige – kom­men zum Glauben.

Ich finde beein­druck­end, wie kon­se­quent Paulus an seinem Auf­trag fes­thält. Mis­ser­folg bringt ihn nicht dazu, aufzugeben. Son­dern er lässt sich her­aus­fordern, neue Wege und Meth­o­d­en zu entwick­eln, um das­selbe Ziel zu erreichen.

Wie geht es uns in dieser Beziehung? Es ist auch unser Auf­trag, die Gute Nachricht von Chris­tus zu ver­bre­it­en. Bleiben wir dran? auch wenn wir oft wenig bis nichts zu erre­ichen scheinen? Haben wir die Phan­tasie, neue Wege zu entwick­eln? Bleiben wir dem Auf­trag treu? – Ich denke, dass wir das wollen. Und ich hoffe, dass Paulus in Athen uns Vor­bild und Moti­va­tion sein kann. Unter Druck set­zen soll es uns aber nicht. Schliesslich gibt es keine vorgeschriebene Erfol­gsquote. Oder wie Paulus in 1. Kor 4,2 schreibt: „Von den Haushal­tern wird nicht mehr ver­langt, als dass sie für treu befun­den wer­den.“ – Wer immer den Ein­druck hat, mehr tun zu müssen oder zu wollen, lasse sich bitte davon nicht stressen. Son­dern bitte ein­fach Gott darum, dass er neuen Sauer­stoff in das Feuer, das Flämm­chen oder die Glut seine Glaubens brin­gen möge (® Bezirkswochenende)

II. Zur Treue gegenüber dem Auf­trag gehören das Inter­esse und die Liebe für die Men­schen. Darum schaut sich Paulus in Athen um: Er ent­deckt, wie religiös die Athen­er sind. Sie nehmen ihre Göt­ter ernst, bauen ihnen Tem­pel und Altäre (selb­st einem ‘unbekan­nten Gott’). Das hat mit ihrem Respekt vor den Got­theit­en zu tun. Deshalb erfüllen die Athen­er ihre religiösen Pflicht­en und sie fühlen sich in dieser fes­ten Ord­nung zu Hause. Gottesverehrung ist ein wesentlich­er Bestandteil des Lebens in Athen. Doch Paulus merkt, dass die Athen­er auch neugierig sind: Haben sie schon alles begrif­f­en oder gibt es noch andere For­men der Gottesverehrung? Was gibt es Neues, vielle­icht sog­ar Besseres? Auf dem Mark­t­platz in Athen trifft Paulus auf die Gebilde­ten der griechis­chen Philosophen­schulen. Sie bewe­gen Fra­gen nach dem Woher und Wohin des Lebens und auch nach dem Stel­len­wert der Göt­ter im Leben des Einzelnen.

Was würde Paulus wohl auf­fall­en, wenn er sich heute bei uns umschauen würde: Götzen zum sich Ärg­ern würde er sicherfind­en: Geld, Macht, Erfolg, Anse­hen zum Beispiel. Oder es würde ihm die hek­tis­che Geschäftigkeit unser­er Zeit auf­fall­en. Er nähme wahr, wie viele Men­schen über­reizt und nervös sind. Sie ken­nen viele Leute und bleiben doch irgend­wie allein. Die Sehn­sucht nach Gemein­schaft, nach tiefen, tragfähi­gen Beziehun­gen ist gross. Zugle­ich ver­mis­sen viele den Sinn in dem was sie tun und was sie het­zt. Was ist der Sinn des Lebens?

Vielle­icht würde der Apos­tel bei der Sinnsuche anset­zen oder bei der Sehn­sucht nach Gemein­schaft. ‚Gott gibt Deinem Leben Sinn!‘, würde er vielle­icht sagen. Oder: ‚Gott sucht dich. Er will dich ken­nen. Er bietet Dir eine sta­bile Beziehung an.‘

Paulus wan­dert mit offe­nen Augen und Ohren (und wohl vor allem mit einem offe­nen Herzen) durch Athen. Ich möchte mich von ihm ans­pornen lassen, auch so mit offe­nen Augen und Ohren den Men­schen zu begeg­nen. Auf ihre Worte und Sehn­süchte zu acht­en und sie ernst nehmen. Gele­gen­heit nützen um zu erzählen, dass und wie Gott meinem Leben Sinn gibt. Wie die Beziehung mit ihm mich trägt. – Wobei ich dabei ja ehrlich sein will und muss. Und das heisst auch dazu zu ste­hen, dass ich über diesen Sinn und diese Beziehung nicht ein­fach ver­füge. Son­dern ich bin ein­ge­laden und her­aus­ge­fordert, sie immer wieder zu suchen und mir schenken zu lassen.

III. Auf der Suche nach Anknüp­fungspunk­ten begin­nt Paulus auch in Athen in der Syn­a­goge, bei seinen jüdis­chen Glaubensgenossen. Daneben spaziert er täglich über den Mark­t­platz, wo er Leute anspricht, sich ihnen vorstellt und offen­bar leicht in Gespräche find­et. Bald wer­den Gelehrte auf ihn aufmerk­sam. Die einen belächeln ihn als (wörtlich) “Körn­er­pick­er” (® ‘Schwätzer’). Sie wer­fen ihm also vor, aus allen möglichen Lehren etwas her­auszupick­en und daraus eine eigene Lehre zu basteln. Heute würde man dem wohl Patch­work-Reli­gion (® Synkretismus, Eklek­tizis­mus) sagen. Anderen ver­muten hin­ter seinen Aus­führun­gen ein neues Göt­ter­paar — Jesus und Anas­ta­sis (®’’ = Aufer­ste­hung als Eigen­name missver­standen). Doch weil die Athen­er neugierige Leute sind, laden sie Paulus ein auf den Mark­t­platz. Dort bekommt er die Gele­gen­heit, den Glauben an Jesus Chris­tus aus­führlich darzustellen. Seine Rede ist nur in Stich­worten über­liefert, doch es ist erkennbar, wie Paulus argu­men­tiert: Er holt die Athen­er bei ihrer eige­nen Gottesverehrung ab. Er erin­nert sie an einen kleinen Altar für den unbekan­nten Gott. Die Athen­er hat­ten ihn wahrschein­lich aufgestellt aus Angst, einen Gott vergessen zu haben, der sich dafür rächen kön­nte. Diesen unbekan­nten Gott füllt er nun mit Leben. Er erin­nert die Athen­er an ihre Suche nach dem Göt­tlichen und sagt ihnen zu, dass Gott sich find­en lässt. Und er spricht von Gottes Nähe und von Gottes durch men­schliche Ablehnung ent­täuschte Liebe. Doch in Jesus Chris­tus hat Gott einen neuen Anfang gemacht. Wer sich an ihn, den aufer­stande­nen Jesus hält, find­et Gott und kommt ihm nahe. Noch ist Zeit, sich ihm anzu­ver­trauen. Nehmt diese Gele­gen­heit an, wirbt Paulus. Vergeudet keine Zeit fern von Gott. Packt die Chance!

Seine Rede hat nur wenig zählbare Ergeb­nisse. Den­noch ist sie in ihrer fein­füh­li­gen Art unbe­d­ingt nachah­menswert. Wir hat­ten ja gele­sen, dass die vie­len Götzen­bilder in Athen Paulus in Rage ver­set­zt hat­ten. Den­noch hält er keine Gericht­srede, kommt nicht von ‘oben herab‘, son­dern sucht Begeg­nung auf Augen­höhe. Er anerken­nt die ern­sthafte Suche der Athen­er nach Gott. Und er lädt sie ein. Paulus sagt: “Ich ver­ste­he, dass ihr Gott sucht. Das freut mich. Und ich glaube, ich kann euch einen Weg zeigen, wie er sich find­en lässt. Kommt mit, ich lade Euch ein!”

Paulus’ Grimm über den Götzen­di­enst kön­nen wir wohl nachvol­lziehen. Auch heute gibt es in der Beziehung ‚nichts, was es nicht gibt‘. Unglaublich, wem allem die Leute aus der Hand fressen, welchen The­o­rien Men­schen auf­sitzen. Man lässt Horoskope erstellen, set­zt auf Tal­is­mane etc. … aber von der Kirche wollen sie nichts wis­sen. Das kann einen schon ‘ergrim­men’ lassen. Doch wie schnell ger­at­en wir dabei ins Moral­isieren und (Ver)urteilen. Wir wet­tern über die Got­t­losigkeit unser­er Zeit, reden über die Leute statt mit ihnen. Paulus sucht lieber das Gespräch mit den Men­schen. So kann er das Evan­geli­um ins Gespräch brin­gen und fra­gen: “Du sche­inst etwas zu suchen. Suchst Du Gott? Wenn Du willst, zeige ich dir, wie er zu find­en ist!”

Wir kön­nen von Paulus viel ler­nen. Z.B. dass wir nie­man­dem Unglauben vor­w­er­fen müssen. Mit Vor­wür­fen oder Verurteilun­gen gewin­nen wir näm­lich nie­man­den für Chris­tus. Aber wir kön­nen den Men­schen zuhören, an ihrer Sehn­sucht nach dem Leben anknüpfen und mit Paulus sagen: “Schau mal, wie nahe du schon dran bist. Gott ist nicht fern von Dir!” — Wenn wir dabei selb­st auch Kri­tik am Glauben oder  an der Kirche aushal­ten müssen, wenn wir uns dabei auf unsicheren Boden begeben und auch mal offene Fra­gen ste­hen lassen müssen — was macht das schon? — Wir sind Gesandte Christi. Er stützt und schützt uns, solange wir dem Auf­trag treu bleiben.

IV. Was nützt es, wenn wir die Fro­he Botschaft so ins Gespräch brin­gen? Macht es Sinn? Und wenn ja, warum?

Paulus’ Ein­satz hat sich sta­tis­tisch nicht gelohnt. Der Weg in Europa bleibt steinig. Einige Zuhör­er lachen. Tote­naufer­ste­hung passt nicht in ihr Welt­bild. Der Men­sch soll sich mit seinen göt­tlichen Erban­la­gen gefäl­ligst selb­st erlösen. Einige Zuhör­er hal­ten sich bedeckt. Ein ander­mal vielle­icht mehr, aber so genau wollen sie es eigentlich gar nicht wis­sen. Nie­mand sollte sie aus der Ruhe brin­gen oder gar in Frage stellen. Nur wenige schliessen sich Paulus an. Unter ihnen Diony­sius, der später als erster Bischof von Athen erwäh­nt wird und Damaris.

Es ste­ht nir­gend geschrieben, dass wir mehr Erfolg haben wer­den oder kön­nen als Paulus. Aber Erfolg in unserem weltlichen Sinn ist im Reich Gottes gar nicht so wichtig. Wenn wir nur ler­nen unsere Mit­men­schen bess­er zu ver­ste­hen und ernst zu nehmen! Wenn wir nur immer bess­er ver­ste­hen ler­nen, dass die gute Nachricht direkt und konkret mit den heuti­gen Men­schen, mit ihren Sor­gen und Wün­schen, mit ihrer Kul­tur und Leben­sart, zu tun hat! Dann wäre der Erfül­lung unseres Auf­trags schon sehr viel gedi­ent. “Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist!” hat D.Bonhoeffer ein­mal geschrieben. Wenn wir wis­sen, was diese anderen brauchen, kön­nen wir bess­er für sie da sein.

So ler­nen wir weit­er, unserem Auf­trag treu zu sein. — Was wollen wir mehr? Schliesslich ver­langt nie­mand mehr von uns als Treue zum Auf­trag als Gesandte Christi in der Welt: “Man fordert nicht mehr von den Haushal­tern, als dass sie für treu befun­den wer­den.” (1.Kor 4,5). Amen

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