Aus der Kraft des Geistes — Glaube als Ressource III

Apos­telgeschichte 1,8 und andere

Predigt am 12.02.01.2023 in der EMK Adliswil

Liebe Gemeinde,

auch heute behalte ich der Predigt die Per­spek­tive auf unsere Glauben als Ressource: Wir gehen davon aus, dass das Ver­trauen in Chris­tus eine Kraftquelle ist, die wir nutzen kön­nen. Die Ver­bun­den­heit mit ihm bietet uns alles, um das Leben nicht nur zu bewälti­gen, son­dern sog­ar gut und erfreulich zu gestal­ten. Die Frage ist nur: Wo und wie erfahren wir das? Der Glaube daran oder min­destens die Hoff­nung darauf mag ja da sein. Doch das Erleben und Fühlen hinkt manch­mal ein wenig hin­ter­her. Darum: Wie nutze ich den Glauben als Ressource? Wie zapfe ich die Kraft an, die aus der Verbindung mit Chris­tus kommt?

Zuerst ging es vor vier Wochen darum, sich im Glauben zu ver­wurzeln. Leit­bild war der früchte­tra­gende Baum am Wass­er aus Psalm 1. Am let­zten Son­ntag liessen wir uns vom Bild eines fliegen­den Adlers leit­en, von dem Jes 40 spricht. Und es ging darum, sich anzuvertrauen.

Heute geht es um die Kraft des Heili­gen Geistes. Den Predigt­text dazu haben wir eben schon gesun­gen: „Ihr werdet die Kraft des Heili­gen Geistes emp­fan­gen, der auf euch kom­men wird und werdet meine Zeu­gen sein!“ (Apg 1,8) Das ver­spricht den aufer­standene Chris­tus seinen Jüngern, bevor er im Him­mel ‚ver­schwindet‘. So erzählt es Lukas zu Beginn sein­er Apos­telgeschichte. „Ihr werdet die Kraft des Heili­gen Geistes empfangen!“

Die Kraft des Heili­gen Geistes wird zur Ressource der Jün­gerIn­nen, zu unser­er Ressource. Es mag sein, dass diese Zusage für ges­tandene Methodis­tIn­nen zunächst eine Her­aus­forderung ist. Schon John Wes­ley selb­st hat sich ja wort­ge­waltig gegen soge­nan­nte ‚Schwärmer‘ gewehrt. Sei­ther gibt es in der DNA unser­er Kirche Berührungsäng­ste mit dem The­ma ‚Heiliger Geist‘. Da taucht schnell die bange oder gen­ervte Frage auf: Geht es um etwas ‚Charis­ma­tis­ches‘? Damit wollen wir doch nichts zu tun haben!?

Doch keine Angst! Mal abge­se­hen davon, dass das Etikett ‚Charis­ma­tisch‘ oft falsch gefüllt und vorschnell vergeben wird. Es geht nicht um strit­tige Prak­tiken aus der charis­ma­tis­chen Bewe­gung. Nicht Zun­genrede, nicht Geis­tes­taufe, nicht end­lose Lobpreis-Zeit­en sind das The­ma. Son­dern es geht um die Kraft, um die Leben­shil­fe, um den Bei­s­tand, die Chris­tus uns ver­sprochen hat (die allerd­ings tat­säch­lich ein Gnadengeschenk bzw. ein Charis­ma ist). – Und wichtig ist: Was Chris­tus bei sein­er Him­melfahrt noch für die Zukun­ft ver­sprochen hat, ist seit Pfin­g­sten Gegen­wart. Seit 2‘000 Jahren ste­ht die Kraft des Geistes zur Ver­fü­gung. Das gilt für alle, die sich in Chris­tus ver­wurzeln und sich ihm anver­trauen. Als Zusage an die (jede) christliche Gemeinde ist zu for­mulieren: „Ihr habt die Kraft des Heili­gen Geistes emp­fan­gen!“ Sie ist da. Sie ste­ht zur Ver­fü­gung. Und sie bleibt.

Ich bin deshalb überzeugt: Es geht nicht um Meth­o­d­en oder Tricks, um die Kraft des Heili­gen Geistes anzuzapfen. Es geht nicht um mehr oder bess­er. Son­dern es geht um eine geschärfte Wahrnehmung. Es geht darum, sich bewusst zu wer­den und zu bleiben: Die Kraft des Heili­gen Geistes ist da. Wir leben damit und davon. Aber wir sind es uns oft nicht oder kaum bewusst. Wäre dies näm­lich der Fall, fiele es uns leichter, uns zu ver­wurzeln bzw. uns anzu­ver­trauen. Dann gin­ge es bess­er, die Ressource zu nutzen und zu entfalten.

Um unser Bewusst­sein und unsere Sinne für die Gegen­wart des Heili­gen Geistes und das Wirken sein­er Kraft zu schär­fen, wäh­le ich heute einen med­i­ta­tiv­en Weg: Wir schauen uns viele bib­lis­che Aus­sagen über den Heili­gen Geist kurz an. Sie sind mit einem Bild verknüpft. Dazu ver­suche ich zu for­mulieren, was das im Leben bedeuten kön­nte. – Die Rei­hen­folge der Bibelstellen/Bilder ist dabei insofern zufäl­lig, als sie keine Gewich­tung bedeutet. Das Let­zte kann so wichtig sein wie das Erste. Ich hoffe, dass für jede(n) eines oder mehrere dabei sind, die ansprechen und in der eige­nen Lebenswirk­lichkeit etwas zum Schwin­gen brin­gen kön­nen. – Also: Wie redet die Bibel vom Gott, seinem Geist und sein­er Kraft? Und: Wie wird diese Kraft in unserem Glauben und Leben greif­bar? – Ein klein­er Rundgang dazu durch die Bibel (Bilder hier):

Die Erde war wüst und leer (Tohuwabo­hu) und Fin­ster­n­is lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wass­er (Gen 1,2) — Schon vor der Erschaf­fung der Erde wird Gottes Geist erwäh­nt. Noch ist alles wüst und leer (wörtlich: Tohuwabo­hu), d.h. chao­tisch und lebens­feindlich. Doch der Geist Gottes schwebt darüber, ist nicht Teil des Chaos, son­dern hat den Überblick und ist die Kraft, die im Schöp­fungsakt das Chaos ord­net. D.h. Die Kraft des Geistes bringt Ord­nung ins Chaos. Das gilt auch für die Chaos­zo­nen in meinem Leben. Sie lässt mich den Überblick gewin­nen, lässt mich erken­nen, was wichtig ist und was nicht. Gottes Geistkraft lässt mich gute Pri­or­itäten set­zen. Und von ihr kommt die Inspi­ra­tion zu Neuem. Die schöpferische Kraft des Geistes lässt mich neue Ideen haben, neue Wege find­en und Leben entfalten.

Da formte Gott der Herr den Men­schen aus Staub vom Erd­bo­den. Er blies ihm den Leben­satem in die Nase und so wurde der Men­sch ein lebendi­ges Wesen (Gen 2,7). — Im Bericht über die Erschaf­fung des Men­schen kommt das Wort Ruach=Geist zwar nicht vor. Was hier mit ‚Leben­satem‘ über­set­zt wird, ist aber das hebräis­che Wort, das son­st ‚Seele‘ bedeutet. Und das scheint mir wichtig: Was tote Materie zum lebendi­gen Organ­is­mus macht, kommt von Gott. Die Kraft und Fähigkeit zu Leben ist sein Geschenk an mich. Die Kraft seines Geistes macht mich fähig, mein Leben zu bewälti­gen, zu ent­fal­ten und zu gestalten.

Nach dem Erd­beben kam ein Feuer. Aber der Herr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein san­ftes, feines Flüstern (1. Könige 19,12). – Noch ein Vers, in dem das Wort Ruach=Geist nicht vorkommt. Und doch sagt es ganz Wichtiges über Gottes Geist aus: In den stärk­sten Kräften – Wind, Erd­beben, Feuer – begeg­net Elia Gott nicht. Aber eine nicht zu beschreibende Stille lässt den Propheten Jahwe’s Gegen­wart spüren. Er ist der Gott, von dem Jesa­ja sagt, dass er den glim­menden Doch nicht aus­löscht und den geknick­ten Halm nicht zer­bricht. Unendlich san­ft, gewalt­los und doch unbezwing­bar ist die Kraft des Geistes. Sie ste­ht mir zu Ver­fü­gung und macht mich fähig, Erstar­run­gen aufzuschmelzen und Knoten zu lösen. Ohne Gewalt. Mit viel Geduld. Und im Ver­trauen auf Gottes unaufhalt­sames Wirken.

Ich giesse meinen Geist über alle Sterblichen aus. Eure Söhne und eure Töchter wer­den prophetisch reden. Eure Alten wer­den von Gott gesandte Träume haben und eure jun­gen Män­ner Visio­nen schauen (Joel 3,1). – Das wird viel zitiert, u.a. von Lukas zur Deu­tung des Pfin­gst­geschehens in Apg 2. Im bekan­nten Lied heisst es: «So wie en fiine erfrischende Räge, so wie es Lache am Morge früeh, so wie de Wind wo mir liecht über d’Stirne stricht. — So wie e Cherze i fin­stere Tage, so wie de Duft vom ne Bluemestruss, so wie es Lied, wo mi tüf i mim Herz bewegt. — So Herr, isch dini Liebi, so Herr, isch dini Gnad, so Herr, wird­eni berüert vo dir. – Anders gesagt: Die Kraft des Geistes erfrischt meine lah­mende Moti­va­tion, belebt mein Engage­ment. Sie regt mich an wie eine Dusche am Morgen.

Auch Jesus wurde getauft… Auf ein­mal, während Jesus noch betete, öffnete sich der Him­mel. Der Heilige Geist kam auf ihn herab. Er sah aus wie eine Taube (Lk 3,22). – Warum sieht der Heilige Geist aus wie eine Taube? Mich erin­nert das an die Sint­flut­geschichte: Nach unendlichem Warten auf der Arche ist es eine Taube, die das erste Hoff­nungsze­ichen – einen grü­nen Zweig – bringt. Die Kraft des Geistes nährt meine Hoff­nung, weckt meine Zuversicht.

Dann gebe ich euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Das tote Herz aus Stein nehme ich aus eurem Leib. An sein­er Stelle gebe ich euch ein lebendi­ges Herz aus Fleisch. Meinen Geist gebe ich euch. Damit sorge ich dafür, dass ihr meine Anord­nun­gen beachtet und meine Gebote bewahrt und befol­gt (Hes­ekiel 36,26f) – Eine der schön­sten prophetis­chen Ver­heis­sun­gen. Die Kraft des Geistes löst, was in mir erstar­rt ist. Mein Herz wird unter seinem Wirken lebendig, fähig zu Empathie und Erken­nt­nis (Übri­gens bemerkenswert: Das Herz und nicht der Kopf ‘erken­nt). Die Kraft des Geistes schenkt mir ein gross­es, weites Herz. Es lässt mich die Näch­sten als Men­schen sehen, mit ihnen fühlen. Und es lässt mich spüren, was Gott will, was ihm gefällt.

Auch der Wind weht, wo er will. Du hörst sein Rauschen. Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. Genau­so ist es mit jedem, der vom Geist geboren wird. (Jh 3,8) – Das Wort für Geist (hebr. Ruach; griech: Pneu­ma) kann auch Wind bedeuten. Den Wind sehen wir nicht. Nur seine Auswirkun­gen. Und die sind gross. Denn es steckt viel Energie im Wind: Grosse Schiffe ver­mag er zu bewe­gen. Wir kön­nen Strom pro­duzieren mit sein­er Hil­fe. Selb­st starke, gut ver­wurzelte Bäume kom­men an ihre Gren­zen, wenn der Wind zum Sturm wird. – So viel Energie steckt im Geist Gottes. Seine Kraft mach mich stark.

Der Vater wird euch in meinem Namen den Bei­s­tand senden: den Heili­gen Geist. Der wird euch alles lehren und euch an alles erin­nern, was ich selb­st euch gesagt habe (Jh 14,26). – Eine der grossen Auf­gaben des Hl. Geistes, so belehrt Jesus seine Jünger, ist es, die Verbindung mit ihm wach und stark zu hal­ten. Die Kraft des Geistes erin­nert mich an Jesu Worte und Ziele. Sie lässt mich mit ihm ver­bun­den sein. Sie garantiert meine Beziehung zu Jesus Christus.

Dann erschien ihnen etwas wie zün­gel­nde Flam­men. Die verteil­ten sich und ließen sich auf jedem Einzel­nen von ihnen nieder. Alle wur­den vom Heili­gen Geist erfüllt (Apg 2,3) – Trotz der Erfahrung Elias am Horeb steckt im Heili­gen Geist auch Feuer. Aber nicht das ein­er Feuers­brun­st, die alles zer­stört. Son­dern das Feuer, dem Mose in der Wüste begeg­net ist. Ein Feuer, das bren­nt, ohne zu zer­stören. Ein Feuer, das zugle­ich Schutz vor dem Burnout ist. – Die Kraft des Geistes ent­flammt mich, begeis­tert mich für Chris­tus. Sie lässt mich Wärme und Licht weit­er­tra­gen … ohne dass ich befürcht­en muss, irgend­wann ein­mal auszubrennen.

Wir sind Juden von Geburt an, aber auch Fremde, die zum jüdis­chen Glauben über­ge­treten sind. Auch Kreter und Araber sind dabei. Wir alle hören diese Leute in unseren eige­nen Sprachen erzählen, was Gott Großes getan hat (Apg 2,11) – Das ist neben Ermutigung/Begeisterung die zweite Kom­po­nente des Pfin­gst­wun­ders. Die Kraft des Geistes fördert Ver­ständi­gung auf allen Ebe­nen. Lässt tre­f­fend for­mulieren. Lässt gut zuhören und ver­ste­hen. Und das nicht nur ver­bal. Son­dern auch emo­tion­al. Die Kraft des Geistes lässt uns einan­der verstehen.

Damals hat Gott Jesus von Nazareth mit dem Heili­gen Geist gesalbt und ihm Kraft geschenkt (Apg 10,38). – Was hier Petrus dem römis­chen Haupt­mann Kor­nelius und seinen Leuten erk­lärt, kommt in der Bibel oft vor: Die Verknüp­fung des Heili­gen Geistes mit dem Rit­u­al der Sal­bung. – Sal­böl war damals das Mit­tel, um gut zu duften, war antikes Par­fum. Wer gesalbt wird, duftet gut. Das ist ein tolles Bild für das unbezwing­bare und doch gewalt­lose Wirken des Heili­gen Geistes: Die Kraft des Geistes lässt mich gut duften, d.h. sie lässt mich Hoff­nung und Zuver­sicht ver­bre­it­en, lässt mich Men­schen helfen, zu ver­trauen und das Leben als Chance zu sehen.

Der Geist Gottes dage­gen lässt als Frucht eine Fülle von Gutem wach­sen, näm­lich: Liebe, Freude und Frieden, Geduld, Fre­undlichkeit und Güte, Treue, Beschei­den­heit und Selb­st­be­herrschung (Gal 5,22). – Die Kraft des Geistes bewirkt so viel Gutes in mir: Liebe, Fre­undlichkeit, Treue … über jeden einzel­nen Begriff liesse sich lange reden. Das ers­pare ich uns. Wichtig ist an dieser Stelle, dass das alles Frucht ist. Die Kraft des Geistes lässt in mir wach­sen, was Gott will. Es ist also nicht Ergeb­nis mein­er Anstren­gung, son­dern natür­liche Folge von Gottes Wirken. Wie ent­las­tend! Ich muss es nicht erleis­ten oder erzwän­gen. Son­dern darf ihn machen lassen und darauf ver­trauen: Es wächst in mir, dank der Kraft seines Geistes.

Aber wenn der Heilige Geist auf euch her­abkommt, werdet ihr Kraft emp­fan­gen. Dann werdet ihr meine Zeu­gen sein –in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde (Apg 1,8) – Die Kraft des Geistes hat ein Ziel: Dass ich Zeuge Christi bin. Er schenkt mir Ausstrahlung, lässt mich zur Inspi­ra­tion für andere wer­den. Dank dieser Kraft wird es möglich, dass Mit­men­schen in meinem Tun und Reden das Gesicht Christi erken­nen. – Ganz wichtig ist: Das ist eine Ver­heis­sung und kein Gebot: Ich muss nicht verkrampft ein möglichst guter Zeuge sein wollen, mich schulen und anstren­gen … (nichts gegen Schulung/Bildung, nur gegen Verkramp­fung). Son­dern ich darf darauf ver­trauen, dass die Ver­heis­sung sich erfüllt. Wenn ich die Kraft des Geistes wahrnehme und wirken lasse, macht sie mich zum Zeu­gen Christi.

Zum Schluss betone ich noch ein­mal, was ich zu Beginn schon gesagt habe: Es geht mir nicht darum, dass wir uns sorgfältig und kri­tisch prüfen, was wir alles tun müssen, damit der Geist in uns und durch uns wirken kann. Son­dern ich möchte zum Ver­trauen ein­laden: Nehmen wir bewusst wahr, dass die Kraft des Geistes uns zur Ver­fü­gung ste­ht. Und ver­trauen wir darauf, dass sie wirkt. Sich in Chris­tus ver­wurzeln und sich Chris­tus anver­trauen sind Schritte auf dem Weg, aus der Kraft des Geistes zu leben. Sie ist da. Sie wirkt. Sog­ar, wenn es nicht immer danach aussieht. – Vielle­icht hil­ft es, den einen oder anderen Vers samt Bild länger zum per­sön­lichen Begleit­er zu machen. Und sich so bewusst zu machen: „Ihr habt die Kraft des Heili­gen Geistes emp­fan­gen!“ Sie ist da. Sie ste­ht zur Ver­fü­gung. Und sie bleibt. Amen

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