Predigt am 12.03.2023 in der EMK Adliswil
Liebe Gemeinde,
‚den Glauben als Ressource nutzen‘ – um dieses Oberthema bewegte ich mich in meinen bisherigen Predigten in diesem Jahr. Von verschiedenen Seiten her und mit unterschiedlichen Bildern habe ich es beleuchtet. Zunächst war das Leitbild zuerst ‚sich verwurzeln‘. Dann ging es um die Herausforderung, sich anzuvertrauen‘. Vom Leben aus der Kraft des Geistes habe auch ich geredet. Und am vergangenen Sonntag lautete die Einladung: Christus, der in mir lebt, Raum zu geben.
Zum vorläufigen Abschluss der Reihe will ich heute noch die biblische Lichtmetaphorik aufnehmen. Der Refrain bleibt derselbe. Da ist einerseits die Zusage: Es ist alles vorhanden, von Christus geschenkt, was wir brauchen, um das Leben gut zu gestalten. Und andererseits ist die Einladung/Herausforderung: Die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen und so dazu beizutragen, dass Christi Kraft in der Welt wirken kann. Zuspruch und Anspruch bzw. Verheissung und Auftrag sind – wie meistens in der Bibel – ineinander verschränkt und eigentlich zwei Seiten derselben Medaille.
Heute besteht im Anschluss an die Predigt die Möglichkeit, das Symbol der Salbung in Anspruch zu nehmen. Das ist eine konkrete Möglichkeit, die Ressourcen zu nutzen. Und es ist zu wünschen, dass das dabei verwendete Öl für uns zum Brennstoff für das Licht wird, das wir in Christi Namen ausstrahlen sollen.
Als Leitverse aus der Bibel nehme ich Sätze aus dem 5. Kapitel des Epheserbriefs:
Nehmt euch also Gott zum Vorbild! Ihr seid doch seine geliebten Kinder. Und führt euer Leben so, dass es ganz von der Liebe bestimmt ist. Genauso hat auch Christus uns geliebt und sein Leben für uns gegeben –als Opfer und als Duft, der Gott gnädig stimmt..… Früher habt ihr nämlich selbst zur Finsternis gehört. Aber jetzt seid ihr Licht, denn ihr gehört zum Herrn. Führt also euer Leben wie Kinder des Lichts! – Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit (Epheser 5,1–2.8–9)
I. Die Botschaft: Du bist ein Kind des Lichts
Der Apostel bezeichnet seine LeserInnen als Kinder des Lichts. Das ist eine grossartige Zusage. Sonst sind es im NT arbeiten vor allem die joh. Schriften, die immer wieder das Bild des Lichtes bemühen. Schon zu Beginn des Jh-Ev heisst es: “Jesus kam in diese Welt als das wahre Licht … wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden” (vgl. Jh 1,9–12). Später sagt Jesus: “Ich bin das Licht der Welt!” (vgl. Jh 8,12). Und der 1. Jh bezeichnet, wie in der Schriftlesung gehört, Gott selbst als Licht. Licht und Liebe verwendet dieser Brief synonym. Das gipfelt schliesslich in der Zusage: “Wer in der Liebe lebt, lebt in Gott und Gott lebt in ihm!” (1. Jh 4,16)
Das alles gehört zum biblischen Hintergrund der Zusage: “Ihr seid, du bist ein Kind des Lichts!” Gemeint ist: “Du gehörst zu Gott. Seine unerschöpfliche Liebe steht Dir als Energiequelle zur Verfügung. Du strahlst aus, was Gott will. In Dir ist es hell. Und dank dir wird es in und um andere Menschen heller.”
Speziell bei solchen göttlichen Zusagen in der Bibel ist: Sie sind bedingungslos. Sie haben nicht die Form: “Wenn/falls …, dann …!” Sondern gemeint ist: “Du bist … , weil …!” Also: “Du bist ein Kind des Lichts, weil Gott Dich liebt!” — Das ist so. Daran gibt es keine Abstriche zu machen. Ihr seid Gottes geliebte Kinder. Punkt. Oder besser: Ausrufezeichen.
II. Was Kinder des Lichts tun: ‚Sünnele‘
Ich bin, wir sind also Kinder des Lichts. Doch: Was tun Kinder des Lichts? Was zeichnet sie aus? — Das natürlichste ist für sie, sich zu sonnen. Sie setzen sich immer wieder dem Licht der Liebe Gottes aus. Weil sie davon leben. Weil sie daraus ihre Kraft und Energie beziehen. – Wenn ich ‚sünnele‘ sage, denke ich weniger an das ‚Gruppenbräteln‘ von Sommertouristen am Mittelmeerstrand. Sondern es geht mir um die Orientierung an der Sonne, um die Ausrichtung auf Gottes Liebe.
Das beste Bild dafür ist die Sonnenblume. In den meisten Sprachen hat sie einen Namen, der auf die Sonne hinweist. Dies aus zwei Gründen: Zum einen gleicht eine blühende Sonnenblume ganz einfach der Sonne. Ihre gelben Blütenblätter erinnern an die Sonnenstrahlen: Zum anderen wendet die Sonnenblume ihre Blüte immer der Sonne zu. Nicht von ungefähr heisst sie auf Französisch ‘Tourne-sol’ (® ‘die sich zur Sonne Drehende’) heisst. In einem Sonnenblumenfeld schauen ja immer alle Blumen in dieselbe Richtung, weil sie dem Lauf der Sonne folgen. Es sieht dann aus, als würden sie miteinander die Sonne anbeten.
Die Sonnenblume ist ein Kind der Sonne, und das sieht man ihr an. Wenn die Sonne mit Gott bzw. seiner Liebe verglichen wurde, dann gleichen wir Menschen der Sonnenblume. Wenn die Sonnenblume ein Kind der Sonne ist, dann sind wir Kinder Gottes: Wir sind Abbild (bzw. Ebenbild) Gottes, erinnern selbst an Gott, so wie die Sonnenblume an die Sonne erinnert. Wir richten uns so nach Gott aus wie die Sonnenblume dem Lauf der Sonne folgt. Und: Wer die Strahlen der Sonne Gottes einfängt, wird selbst zur kleinen Sonne — da, wo er/sie hingepflanzt wurde.
„Lebt als Kinder des Lichts!“ So heisst es im Eph. Das heisst: Sonnt Euch im Licht von Gottes Liebe! Was geht das konkret? – Im Verlauf der Predigten über den Glauben als Ressource habe ich Vieles angedeutet. Stichwortartig wiederhole ich an dieser Stelle:
- Sich verwurzeln in den Zusagen Gottes: Biblische Verheissungen persönlich und ernst nehmen. Daran festhalten: Ich bin ein Kind Gottes. Seine Liebe ist grenzenlos. Seine Barmherzigkeit nicht zu überbieten. Ich stehe auf dem Boden, den Jesus Christus mit seinem Leben, Reden, Sterben und Auferstehen gebaut hat.
- Vertrauen wagen: Im Namen Gottes vorwärts gehen, vielleicht auch einmal abspringen … und erleben. Ich werde getragen, wo ich ganz ihm vertraue.
- Die Botschaft der Bibel ins Leben integrieren: Mich immer wieder an ihre Botschaft erinnern. Mit Liedern. In der Bibel lesen und nicht vergessen: Es geht darin um mich persönlich.
- Gottes Gegenwart mit allen Sinnen wahrnehmen: Ihn spüren und begreifen als den Boden, auf dem ich stehe. Mich aufrichten und ihm Raum geben in mir. Den Gedanken an ihn mit meinem Atem verbinden.
- Beten: Immer wieder, allein und mit anderen. Und dabei nicht nur reden, sondern auch zuhören und Stille aushalten
- Einstellung/Mindset: Danken statt jammern, ermutigen statt kritisieren, hoffen statt zweifeln
Das sind Möglichkeiten, wie sich Kinder des Lichts in der Liebe und Zuwendung Gottes sonnen. Und so werden sie selbst zu Lichtern und Leuchten, nicht aus eigener Kraft, aber fähig, das Licht Gottes weiterzustrahlen. Sie werden zu Lichtgestalten.
III. Auswirkungen
Als ‚Lichtgestalten‘ werden Menschen bezeichnet, die auf besondere Weise aus der Menge herausstechen: Retter der Armen, Kämpferinnen für die Gerechtigkeit, höchstbegabte Wissenschaftler, Künstlerinnen oder Politiker. Oder eben: Christen sind ‚Lichtgestalten‘. Das behauptet zumindest Epheser 5,8 so: „Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts!“
Wie gesagt: Wir sind nicht aus eigener Kraft grosse Leuchten. Wenn wir Licht ausstrahlen können, dann, weil Christus uns anstrahlt, weil wir von ihm Licht d.h. Energie beziehen können. Christus erleuchtet uns.
Leben ohne Christus ist aus Sicht des Apostels etwas Düsteres. Wo sein Licht nicht leuchtet, kommt es zu dunklen Machenschaften, nicht zuletzt auch im Umgang mit dem anderen Geschlecht oder mit dem Geld. Das wird im ganzen Abschnitt Epheser 5,1–14 deutlich. Götzendienst, so wird darin nämlich unterstrichen, bedeutet nicht nur das Anbeten anderer Götter. Die Vergötterung des eigenen Ichs, das die anderen, ihre Sexualität oder ihren Besitz ausnützt, ist auch Götzendienst. Das ist düsteres Heidentum und lässt sich mit dem Reich Gottes nicht vereinbaren.
Aber, so macht der Apostel seinen Leserinnen und Lesern bewusst, das habt ihr hinter euch! Christus hat sich für euch hingegeben. Und euch so aus dem düsteren und gottlosen Leben herausgeholt. Er hat die Folgen eurer dunklen Machenschaften auf sich genommen und sie so überwunden. Er hat das Dunkel des Todes durchlitten, damit euch nun das Licht des Lebens leuchten kann. Lebt also in und aus dem Licht, das Christus für euch errungen hat.
Das hat dann auch konkrete Folgen: Wenn es in uns hell ist, wird es auch um uns herum hell. Das Licht ist eine kraftvolle Energie. Es bringt Früchte hervor. Was für eine Entlastung! Nicht wir müssen Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervorbringen. Sondern das Licht Gottes bewirkt diese Früchte in uns. Wir selbst und die Menschen, mit denen wir zu tun haben, kommen in den Genuss davon. – In diesem Zusammenhang ergeht der Aufruf: «Lebt als Kinder des Lichts!» Das heisst: «Lebt als Menschen, in denen das Licht Christi brennt.» Dann wird es auch in eurer Umgebung hell und heller. Das düstere Dunkel muss weichen.
Es ist wichtig, das richtig zu verstehen. Hier wird nicht eine Forderung oder ein Leistungsauftrag ausgesprochen, sondern vielmehr eine Verheissung. Gott bewirkt in uns, was er sich wünscht. Genauso hat Jesus in der Bergpredigt nicht gesagt: «Ihr müsst das Licht der Welt sein.» Sondern er spricht seinen Nachfolgern zu: «Ihr seid das Licht der Welt» (Matthäus 5,14). Wir müssen uns also nicht anstrengen, um zu leuchten. Es genügt, wenn wir ihm zutrauen, dass er sein Versprechen wahr macht und uns mitten im Alltag zum Leuchten bringt.
Zum Schluss: Du bist eine Leuchte Gottes. Er gibt Dir die Energie, eine strahlende Erscheinung zu sein. Und das bist du. Du bist ein Kind des Lichts.
Öl ist ja ein Energieträger, ein Kraftstoff. Darum: Nimm doch, wenn Du Dich salben lassen willst, das Öl und seinen Duft als Zeichen dafür: Da ist Energie, da ist Kraftstoff. Ich bin fähig, als ein Kind des Lichts zu leben. Ich bin es. Dank Gott. Amen