Folge du mir nach

Johannes 21,20–23

Predigt am 16.04.2023 in der EMK Adliswil

aus dem Bilder­saal EMK

Liebe Gemeinde,

eine Woche ist ver­gan­gen seit Ostern. Die Eier und Schog­gi­hasen sind wohl gegessen. Die Oster­deko­ra­tio­nen abge­baut. Das Fest ist vor­bei. – Und die Oster­botschaft? Wirkt sie noch nach? Oder ist auch in geistlich­er Hin­sicht wieder der All­t­ag eingekehrt?

Für jene, welche die Aufer­ste­hung live miter­lebten hat­ten, war es sich­er noch nicht vor­bei: Die Aufer­ste­hungs­botschaft hat­te die Jün­gerIn­nen aus tief­ster Verzwei­flung befre­it. Das wirk­te lebenslang nach. Neue Hoff­nung und neuer Glaube waren erwacht: ‘Jesus lebt! Es geht weit­er! Es geht vorwärts!’

Nur: wie? Die Rah­menbe­din­gun­gen hat­ten sich geän­dert. Jesus lebte. Aber es war ein anderes Leben als vor Kar­fre­itag. Seine Gegen­wart von ganz ander­er Qual­ität als vorher. Wie kon­nte man nach Ostern mit Jesus leben? – Vorher war Nach­folge buch­stäblich zu ver­ste­hen: Mit Jesus, bzw. Jesus nach unter­wegs zu sein zu den Men­schen. Die Jün­gerIn­nen hat­te Jesus leib­haftig vor Augen. Sie teil­ten sein Leben. – Das ging jet­zt so nicht mehr. Nach Ostern war also neu zu buch­sta­bieren, was Nach­folge, was Glauben konkret bedeutete.

In den 40 Tagen zwis­chen Ostern und Him­melfahrt unter­stützte sie Jesus dabei. Es kam zu per­sön­lichen Begeg­nun­gen mit dem Aufer­stande­nen. Punk­tuell zwar nur und doch über­wälti­gend. Anfängliche Zweifel an der Aufer­ste­hung wur­den. Die Oster­botschaft kon­nte sich fest im Leben der Jün­gerIn­nen verwurzeln.

Wichtig war dabei sich­er, dass der Aufer­standene jedem/jeder wieder anders begeg­nete. Die Begeg­nun­gen waren indi­vidu­ell auf die Bedürfnisse der einzel­nen zugeschnit­ten. Für Maria Mag­dale­na war wichtig, dass Jesus sie mit ihrem Namen ansprach. Die Emmausjünger gewan­nen in einem the­ol­o­gis­chen Gespräch mit Jesus entschei­dende Ein­sicht­en. Und Thomas durfte den Aufer­stande­nen berühren und lernte so: ‘Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!” (Jh 20,28)

Im let­zten Kapi­tel des Jh-Ev rückt Petrus ins Blick­feld. Nach der Ver­leug­nung brauchte er eine aus­drück­liche Bestä­ti­gung der Beru­fung. Das geschah in einem seel­sorg­er­lichen Gespräch. Jesus rief Petrus erneut in seine Nach­folge und beauf­tragt ihn, “seine Herde zu wei­den!” (vgl. Jh 21,15ff). Doch das ist nicht das einzige The­ma dieses Gesprächs. Es geht darin auch noch um einen zweit­en Jünger und Petrus’ Beziehung zu ihm. Das Jh-Ev spricht von ‘dem Jünger, den Jesus liebhatte’.

Petrus war am Oster­mor­gen zusam­men mit dem ‚Lieblingsjünger ‘am Grab. Dieser habe das leere Grab gese­hen und sei sofort zum Glauben gekom­men. Bei Petrus dage­gen, der sog­ar ins leere Grab hineinge­gan­gen war, dauerte das ein wenig.. Jh 21 erzählt dann, wie die bei­den zusam­men mit fünf anderen auf dem See Tiberias fis­cht­en, zunächst erfol­g­los. Erst auf einen Tipp des Aufer­stande­nen, der plöt­zlich am Ufer erschien, gelang ihnen ein unglaublich­er Fang. Und wieder begriff der ‘Lieblingsjünger’ schneller, dafür stürzt sich Petrus ins Wass­er, um als erster bei Jesus zu sein.

Daran kommt das schon erwäh­nte seel­sorg­er­liche Gespräch zwis­chen Jesus und Petrus. Dreimal fragt der Aufer­standene: “Hast du mich lieb?” Petrus antwortet dreimal: “Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe” … und erhält jedes Mal den Auf­trag: “Wei­de meine Schafe!”

Petrus kann also nach der Ver­leug­nung noch ein­mal von vorne, ganz neu anfan­gen. Er erfährt durch ein prophetis­ches Wort aber auch, dass im Dienst Jesu schwierige Her­aus­forderun­gen auf ihn warten. Jesu sagt: “Wahrlich, ich sage dir, als du jünger warst, gürtetest du dich selb­st und gingst, wo du hin woll­test, wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstreck­en und ein ander­er wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.” (Jh 21,18) Und dann schliesst Jesus das Gespräch mit der Auf­forderung: “Folge mir nach!” ab.

Petrus hat­te schon vor Kar­fre­itag behauptet, er würde Jesus über­all hin fol­gen und dafür sog­ar sein Leben aufs Spiel set­zen. Als Antwort kündigte Jesus ihm damals die Ver­leug­nung an. Auf seinem Weg ans Kreuz könne er ihm nicht fol­gen, sagte Jesus. Das werde erst später möglich sein. — Nach Ostern ist es so weit: Jesus fordert Petrus auf, ihm auf neue Weise nachzu­fol­gen, den Auf­trag anzunehmen und sich seinen Weg ganz führen zu lassen.

In diesem Moment taucht der ‘Lieblingsjünger’ wieder auf …. und schon ist Petrus abge­lenkt von dem, was ger­ade noch in seinem per­sön­lichen Gespräch mit Jesus wichtig war. Ich lese Johannes 21,20–23:

20) Petrus drehte sich um und sah hin­ter sich den Jünger, den Jesus beson­ders lieb hat­te. Es war der­selbe, der während des let­zten Mahles neben Jesus gesessen und ihn gefragt hat­te: »Herr, wer wird dich ver­rat­en?«
21) Als Petrus ihn sah, fragte er Jesus: »Herr, was geschieht denn mit dem?«
22) Jesus antwortete ihm: »Wenn ich will, dass er so lange lebt, bis ich wiederkomme, was geht das dich an? Du sollst mir fol­gen!«
23) Deswe­gen ver­bre­it­ete sich in der Gemeinde das Gerücht, dass der andere Jünger nicht ster­ben werde. Aber Jesus hat­te nicht gesagt, dass er nicht ster­ben werde, son­dern: »Wenn ich will, dass er so lange lebt, bis ich wiederkomme, was geht dich das an?«                                                                                         Johannes 21,20–23 (GNB)

Wer ist eigentlich dieser ‘Lieblingsjünger’? Er kommt nur im Jh-Ev vor und tritt fast immer mit Petrus auf. Es klingt fast, als wären die bei­den Konkur­renten. Petrus als der Akti­vere, Tatkräftigere, der aber manch­mal übers Ziel hin­auss­chiesst und fehler­an­fäl­liger ist. Der ‘Jünger, den Jesus lieb hat­te’ scheint dage­gen ruhiger und zurück­hal­tender zu sein. Gross­er Glaube und kindlich­es Ver­trauen zeich­nen ihn aus. Ein wenig erin­nern die bei­den in ihrer Gegenüber­stel­lung an die Geschichte von Martha und Maria aus dem Lk-Ev (Lk 10,38–42).

Der ‘Lieblingsjünger’ wird nie mit seinem Namen genan­nt. In der kirch­lichen Tra­di­tion und in der Kun­st ist er aber sehr bald mit dem Jünger Johannes iden­ti­fiziert wor­den. Ob das auch richtig ist, lässt sich heute nicht mehr beweisen.

Jeden­falls klingt die Beze­ich­nung selt­sam: ‘Der Jünger, den Jesus liebte’. Kön­nte das nicht Neid provoziert haben, wie es viel früher schon Jakobs Lieblingssohn Joseph erlebt hat? Die anderen müssten sich doch zurück­ge­set­zt gefühlt haben? … Und dann erwacht die Frage: Gibt es vielle­icht heute auch Men­schen, die Jesus lieber hat als andere? lieber als mich selb­st wom­öglich? Haben die dann für ihr Leben bessere Bedin­gun­gen, müssen sie mit weniger Schwierigkeit­en kämpfen als ich? Sind sie vielle­icht wirkungsvoller und begabter als ich?

Fra­gen des Nei­des eben. Sie kön­nten Petrus bedrän­gen. Ger­ade mit einem ver­ant­wor­tungsvollen Auf­trag und einen wenig erfreulichen Aus­blick auf die per­sön­liche Zukun­ft kon­fron­tiert, liegt die Frage men­schlich nahe: ‘Was wird aber mit diesem? Der wird’s natür­lich im Leben wieder bess­er und leichter haben als ich …”

Vielle­icht steckt aber etwas ganz anderes hin­ter Petrus’ Frage. Lag ihm dieser andere Jünger vielle­icht ganz beson­ders am Herzen? Dann wäre es eher Für­sorge, die ihn fra­gen lässt: “Was wird aber aus diesem? … Herr, du weisst, doch, dass er nicht so stark und belast­bar ist wie ich. Mute ihm nicht zuviel zu ….”

Was auch immer die Moti­va­tion hin­ter der Frage ist: Jesu Antwort wirft Petrus auf sich selb­st zurück und macht klar: “Es geht jet­zt gar nicht um den anderen. Mit dem anderen habe ich meine eigene Geschichte, meine eigene Beziehung. Ger­ade jet­zt geht es um dich. Zu dir habe ich gesagt: Folge mir nach! Dich habe ich gemeint. Lenk nicht ab von dem, was zwis­chen dir und mir ist, wed­er aus Neid, noch aus Für­sorge oder irgend welchen anderen Motiven.”

“Folge du mir nach!” Das kön­nte z.B. heissen:

  • Lass dich nicht ablenken von dem, was andere ver­meintlich haben oder können.
  • Gib dem Neid und der Angst, zu kurz zu kom­men, keinen Raum in deinem Leben.
  • Lass Dich aber auch nicht vere­in­nah­men! Für­sorge und Engage­ment für andere in Ehren, aber sie dür­fen nicht so viel Raum ein­nehmen, dass für deine per­sön­liche Beziehung zu Jesus gar keine Zeit und kein Platz mehr da ist.
  • Nimm den Weg, die Auf­gaben und Her­aus­forderun­gen an, die Jesus dir stellt, als deinen per­sön­lichen Weg an. Lass Dich von ihm als Hirten führen. Und ver­gle­iche nicht ständig mit den Wegen, die anderen zu gehen haben.

Dass das Jh-Ev einen der Zwölf als ‘den Jünger, den Jesus liebte’ beze­ich­net, darf nicht zum Fehlschluss ver­leit­en, dass er andere weniger geliebt hätte. Zu oft und zu klar betont das NT Jesu Liebe zu allen, z.B. in Jh 15,13, wo es heisst: “Nie­mand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Fre­unde.

Jesus braucht wed­er lauter Petrusse noch lauter “Lieblingsjünger”, wed­er lauter Marias noch lauter Marthas. Er braucht dich und mich — in unser­er Unter­schiedlichkeit und Vielfältigkeit.

In einem Buch über Jünger­schaft ist zu lesen: “Beru­fung in die Nach­folge geschieht ohne Rück­sicht auf Qual­i­fika­tio­nen” Das galt damals, als Jesus ein­fache Fis­ch­er wie Petrus, kor­rupte Zöll­ner wie Levi, poten­tielle Gewalt­täter wie Simon und intellek­tuelle Zwei­fler wie Thomas … in seinen Fre­un­deskreis gerufen hat. Und es gilt genau­so heute, wenn Jesus uns auf­fordert, seine Nach­fol­ger und Nach­fol­gerin­nen zu sein.

Wir müssen nur bere­it sein, auf ihn zu hören und uns führen zu lassen. Dann wer­den wir begreifen ler­nen, welchen Weg Jesus mit uns gehen möchte, welche Auf­gaben er uns anver­traut, wie er uns samt Stärken und Schwächen in seinen Dienst nimmt … wie er uns verän­dert und wach­sen lässt.

Wir sind ganz ver­schieden Typen und haben unter­schiedliche Lebens- und Glaubens­geschicht­en. Ein bew­er­tender, nei­dis­ch­er Ver­gle­ich ist aber nicht angemessen. Zu Petrus sagt Jesus sog­ar ziem­lich schroff: “Es geht dich nichts an!” – Was aber nicht bedeutet, dass die Mitchris­ten uns nicht angin­gen. Das Jh-Ev fordert im Gegen­teil dazu auf, einan­der zu lieben und zu acht­en und sich ger­ade darin als Nach­fol­gerIn­nen Christi zu erweisen. Und so erleben wir hof­fentlich immer wieder in der Gemeinde: Wir brauchen einan­der zur Ermu­ti­gung, zur Unter­stützung und zur Ergänzung. Es ist ein riesiges Geschenk, dass wir nicht allein, son­dern gemein­sam unter­wegs sind. Und doch ist es wie beim Wein­stock (vgl. Jh 15,1ff): Wie dort jedes einzelne Blatt und jed­er Trieb muss auch jede und jed­er von uns per­sön­lich mit dem Stamm und mit der Wurzel ver­bun­den sein. Nur so kön­nen die lebenswichti­gen Nährstoffe fliessen und das Blatt lebendig bleiben. Los­gelöst wer­den die Blät­ter gelb, trock­en und ster­ben ab. Die je per­sön­liche Beziehung zu Jesus Chris­tus ist die Grund­lage unseres Glaubens und auch unser­er Gemein­schaft. — Wenn wir in dieser Beziehung nicht alles genau gle­ich erleben und ver­schiedene Wege geführt wer­den, brauchen wir uns deswe­gen ja nicht nei­disch zu ver­gle­ichen oder ängstlich zu fra­gen, wen Jesus denn jet­zt lieber habe. Wichtig ist nur, dass die Verbindung mit Jesus Chris­tus lebendig ist!

“Folge du mir nach!” — Das ist die Auf­forderung, nach Ostern nicht ein­fach in den gewohn­ten All­t­agstrott zurück­zusinken, son­dern für mich neu zu buch­sta­bieren: Was bedeutet mir Jesus Chris­tus? Wo brauche ich Verge­bung und einen Neuan­fang? Welche Schritte möchte Jesus mit mir per­sön­lich gehen?

‘Folge du mir nach!’ — Das fordert mich her­aus, den Weg zu gehen und anzunehmen, den Jesus mit mir geht … ohne nei­dis­che Seit­en­blicke auf andere, die es leichter zu haben scheinen oder die es sich leicht machen. Ich möchte dankbar sein für die Gaben und Auf­gaben, die er mir gibt und ihm auch in schwieri­gen Zeit­en vertrauen.

‘Folge du mir nach!’- Ich bin dankbar, dass ich wie ein Trieb am Wein­stock an den lebensspenden­den Kreis­lauf angeschlossen bin und nicht auf meine begren­zte eigene Kraft angewiesen bin. Ich bin dankbar, dass ich mich nicht alleine durchs Leben kämpfen muss, son­dern mich in der Gebor­gen­heit ein­er Gemein­schaft (® Gemeinde) der Leitung Jesu anver­trauen darf.

‘Du aber — folge du mir nach!’ — Ich bin gefragt. Du bist gefragt. — Lassen wir uns darauf ein? Amen

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