Von Gott begeistert

Apos­telgeschichte 2,1–13

Predigt am 28.05.2023 in der EMK Adliswil

Quelle: Aseru­sain­huu on unsplash.com

Liebe Gemeinde,

an Pfin­g­sten geht es um den Heili­gen Geist. So weit, so klar … und so schwierig. Denn von dieser Seite ist Gott am schw­er­sten – wenn über­haupt – fass­bar. Der Pfin­gst­bericht der Apg zeigt: Gottes Geist bringt Vieles in Bewe­gung. Dabei geht aber auch Aller­lei drunter und drüber. Man kann wed­er steuern noch kon­trol­lieren, was durch den Geist von Gott her geschieht. Das ist ja gut und irgend­wie befreiend. Weil so Verkrus­tun­gen auf­brechen und Erstar­run­gen sich lösen kön­nen. Eigentlich wün­schte man Kirchen und Gemein­den mehr Wehen des Geistes, vielle­icht sog­ar als Sturm. Doch solch­er Wun­sch kön­nte auch ‚gefährlich‘ sein. Weil dabei liebge­wor­dene Gewohn­heit­en und ver­traute Tra­di­tio­nen wom­öglich weggewe­ht wür­den. Was sich­er schmerzhaft wäre, vielle­icht sog­ar beängstigend.

Was hat es mit dem Heili­gen Geist auf sich? Was ist da in Jerusalem eigentlich passiert? – Der Bericht des Lk deutet zwar Vieles an. Und gibt zugle­ich Rät­sel auf. Denn let­ztlich sprengt es unser Vorstel­lungsver­mö­gen: Ver­ständi­gung über alle Gren­zen von Kul­tur und Sprache hin­weg. Auch die Begeis­terung der Jün­gerIn­nen ist zwiespältig. Zwar schon sym­pa­thisch. Aber so auss­er Rand und Band zu ger­at­en ist auch verdächtig. Kaum ver­wun­der­lich daher, dass Kirchenord­nun­gen Instru­mente geschaf­fen haben um das Wirken des Geistes zu kon­trol­lieren. Für den Preis, dass vom Feuer des Anfangs nur noch ein laues Lüftchen geblieben ist.

Was ist der Heilige Geist? Was hat er mit unserem Glauben, mit unserem Kirche- und Gemeinde-Sein zu tun? – Ich ver­suche heute, Grundlin­ien der Pneu­ma­tolo­gie (® ‚Lehre des Geistes‘) möglichst kurz und ver­ständlich darzustellen.

I. Der 3‑D-Gott

Warum dif­feren­zieren Chris­ten den einen Gott in drei Erschei­n­ungsweisen, Begeg­nungs­for­men oder gar Per­so­n­en? Buch­stäblich ist ja das Beken­nt­nis zu einem Gott in drei Per­so­n­en nir­gends in der Bibel zu find­en. Son­dern man hat sich in den ersten Jahrhun­derten in einem lan­gen Prozess auf das Inter­pre­ta­tion­s­mod­ell der Dreieinigkeit geeinigt. Es soll helfen, den alle Vorstel­lun­gen spren­gen­den Gott ein klein wenig zu ver­ste­hen: Gott uns begeg­net uns in drei (eigentlich sind es ja viel mehr, aber dann würde es unüber­sichtlich) ver­schiede­nen Dimen­sio­nen. Ich stelle mir das gerne bildlich wie eine drei­seit­ige Pyra­mide vor: Wenn ich vor ihr ste­he, sehe ich besten­falls zwei Seit­en, evtl. sog­ar nur eine. Wenn diese drei Seit­en je ihre eigene Farbe haben, dann ist der Ein­druck je nach Stand­punkt und Sicht auf die Pyra­mide ein ganz ander­er …. und doch ist es immer dieselbe Pyramide.

Da ist zunächst der Gott über uns – von der Bibel als ‚Vater‘ und ‚Schöpfer‘ beze­ich­net. Von dieser Seite gese­hen springt die Über­legen­heit und Unver­gle­ich­lichkeit Gottes (Men­schen gegenüber) ins Auge. Er ist der Schöpfer der Welt, aber auch ihr Richter. Von ihm kom­men wir her, zu ihm kehren wir zurück. Es ist der ‚Gott über uns‘, der uns im Natur­spiel beein­druckt. Sein­er Weisheit müssen wir uns beu­gen, wenn das Leben uns hart mit­spielt. Und er ist der, der die Geset­ze des Lebens und Glaubens macht.

Die zweite Dimen­sion zeigt die men­schliche Seite Gottes, verkör­pert von Jesus Chris­tus, dem Sohn Gottes. So gese­hen ist er der Gott an unser­er Seite. Jesus sagt: „Wer mich sieht, sieht den Vater” (Jh 14,9). Wenn wir uns auf Jesus konzen­tri­eren, wird der erhabene Gott nah­bar. Und wir ler­nen: Gott liebt bis zum Äusser­sten. Er ist auf der Seite der Schwachen. Er lei­det lieber selb­st und verzichtet auf Gewalt. Ger­ade in sein­er Schwach­heit und San­ftheit ist er aber unbezwing­bar. Er über­windet sog­ar den Tod. – Von dieser Seite gese­hen ist Gott unser Bruder.

Der Abstand zwis­chen Men­sch und Gott ist also beim Sohn viel klein­er als beim Vater. Und doch: Jesus ist nicht mehr hier, son­dern in den Him­mel aufge­fahren. Und selb­st zu Jesu Lebzeit­en blieb zwis­chen ihm und seinen Jün­gerIn­nen jen­er Abstand, der immer zwis­chen zwei Men­schen beste­ht: Sie sind eben nicht eins, son­dern zwei ver­schiedene Per­so­n­en. – Da kommt nun die ‚dritte Dimen­sion‘ Gottes ins Spiel: nicht mehr als Gott über uns, auch nicht als Gott an unser­er Seite, son­dern als Gott in uns. Als Geist lebt und wirkt Gott in uns. Er verge­gen­wär­tigt Jesus (darum spricht die Bibel manch­mal auch vom ‚Geist Jesu‘). Als Geist durch­dringt Gott unser Leben und Glauben. Er macht seine Kraft und Inspi­ra­tion für uns ver­füg­bar. – Gott hat drei Seit­en (® Per­so­n­en, Wesen­sarten, Dimen­sio­nen): Gott als Vater. Gott als Sohn. Gott als Geist. Kurz gesagt: Chris­ten glauben an einen drei­di­men­sion­alen, an einen 3‑D-Gott.

II. Der Heilige Geist — Kraft und Per­son zugleich

Bleiben wir auf der Seite der Pyra­mide, von der her sich Gott als Geist präsen­tiert: Jahrhun­derte­lang wurde in der Entwick­lung der Dreieinigkeit­slehre darüber gestrit­ten: Ist der Heilige Geist eine über­natür­liche Kraft, also let­ztlich eine Sache? Oder ist er doch eine eigen­ständi­ge Per­son. In der Bibel klingt es mal so, mal so: Der Pfin­gst­bericht der Apg zeigt den Geist als Kraft, die wie eine Naturge­walt Men­schen erfasst. Auch andere Bibel­texte reden von der enor­men Kraft, die mit dem Heili­gen Geist in das Leben einzel­ner Chris­ten oder ganz­er Gemein­den kommt. – Es gibt aber auch bib­lis­che Aus­sagen über den Geist, die ihn als Per­son kennze­ich­nen: Jesus z.B. beze­ich­net den Geist als ‚Tröster‘, der redet, hört, verkündigt, leit­et und einen eige­nen Willen hat. An einem anderen Ort heisst es, dass man den Hl. Geist betrüben kann. Und manche Stellen beze­ich­nen ihn neben Jesus als unseren göt­tlichen Für­sprech­er. lm Mis­sions­be­fehl Jesu nach Mt 28,18–20 ste­ht der Heilige Geist dann auf der­sel­ben Ebene wie der Vater und Christus.

Vor diesem Hin­ter­grund kam die Kirche dazu, im Geist eine eigen­ständi­ge Per­son Gottes zu sehen. Gle­ichzeit­ig hielt sie an der Ker­naus­sage des Juden­tums (und auch das Islams) fest, dass es nur einen Gott gebe. — Diese ‚Dreieinigkeit­slehre‘, im Jahr 381 als verbindlich erk­lärt, ist in der Bibel aber noch nicht ausformuliert.

Die Bibel berichtet nur von konkreten Erfahrun­gen, die Men­schen mit dem Geist gemacht haben. Die Kirche hat mit der Trinität­slehre ver­sucht, solche Erfahrun­gen in ein Sys­tem zu fassen. Getrieben war sie dabei nicht von zulet­zt von Irrlehren, gegen die sie sich wehren musste.

Für mich sind solche dog­mengeschichtlichen Über­legun­gen sehr span­nend. Wohl wichtiger aber ist, dass wir uns mit den Wirkungsweisen Gottes, und an Pfin­g­sten vor allem des Heili­gen Geistes in unserem Leben befassen. Damit kom­men wir zurück zu Bibel­text aus Apg 2.

III. Wirkun­gen des Heili­gen Geistes

Unser Text erzählt von drei Wirkun­gen des Heili­gen Geistes. Er ist wie 1. ein Sturm, der die Jünger in Bewe­gung set­zt. Wie Feuerzun­gen legt er sich 2. auf sie und erfüllt sie. Und er gibt ihnen 3. eine neue Sprache, die Ver­ständi­gung schafft.

Zunächst also: der Sturm. Sowohl im Griechis­chen als auch im Hebräis­chen (also AT +NT) ist das Wort für ‚Geist‘ (pneu­ma bzw. ruach) iden­tisch mit dem Wort für ‘Wind‘ oder ‚Atem‘. Wie nahe diese Begriffe beieinan­der liegen, zeigt sich auch am Pfin­gst­text des Johan­ne­se­van­geli­ums, wo es heisst: „Und als Jesus dies gesagt hat­te, hauchte er sie an und spricht zu ihnen: Emp­fanget den Heili­gen Geist!” (Jh 20,22). Der Hauch (=Geist) Gottes ist der Lebensspender schlechthin. In 1.Mose 2,7 haucht Gott dem Adam den Leben­satem (ruach) ein. Ähn­lich haucht Chris­tus seine Jünger an, um sie an seinem neuen Leben teil­haben zu lassen. Am Pfin­gst­tag sehen wir den Anfang ein­er neuen Schöp­fung. – Mir gefällt es, dass es sowohl eine ‚laute‘ (Apg 2) als auch eine ‚leise‘ (Jh 20,22) Ver­sion der Pfin­g­ster­fahrung gibt: Der Heilige Geist erscheint als Sturm und als Hauch. Er kann eine Macht sein, die einen packt und vor­wärts treibt, wie ein Orkan, eine Naturge­walt. Die andere Erfahrung ist aber genau­so wichtig: dass der Geist näm­lich eine stille, uns von innen her­aus inspiri­erende Kraft ist. Der Prophet Elia erfuhr das, als ihm Gott nicht im laut­en Sturm, nicht im Erd­beben und auch nicht im Feuer begeg­nete. Es war vielmehr ein unbeschreib­bar leis­es und doch unüber­hör­bares Sausen, aus dem die Stimme Gottes sprach (vgl. 1.Könige 19,1–22).

Dann: Das Feuer. Das Bild ist nahe­liegend: Feuer entzün­det, bringt zum Glühen, set­zt grosse Energie frei. Ähn­lich strahlt ein Men­sch, der von Gottes Geist bewegt ist, Licht und Wärme und Energie aus. Wir ken­nen Redewen­dun­gen wie ‚Feuer und Flamme sein‘ oder ‚der Funke ist überge­sprun­gen‘, wenn ein Men­sch sich für etwas begeis­tert oder von etwas ergrif­f­en ist. Der Geist ist der Funke, der Men­schen für Gott begeis­tert. Man kann sich schon fra­gen, warum die Begriffe ‚Kirche‘ und ‚Begeisterung/Feuer‘ heute so weit auseinan­der scheinen wie Mor­gen und Abend. In der Geburtsstunde der Kirche gehörten sie doch untrennbar zusam­men. Wobei es, wie Moses Erfahrung am Dorn­busch zeigt, um ein Feuer geht, das zwar ent­flammt, aber nichts ver­bren­nt. Neu ist an Pfin­g­sten, dass Gottes Feuer Men­schen direkt erfasst. Mose musste noch Abstand halten.

Klar sein muss aber: Dieses Feuer kön­nen wir Men­schen nicht selb­st in uns entzün­den. Der Funke muss von aussen, von oben kom­men. Alle Argu­mente, Meth­o­d­en, Hebel und Kniffe kön­nen wohl eine Menge heisse Luft pro­duzieren, aber pfin­gstlich wird die Kirche nur durch Gott. Alles, was wir dazu tun kön­nen, ist, wie die Jünger beieinan­der zu bleiben und darum zu beten.

Jesus sagt: „Der Vater im Him­mel wird den Geist denen geben, die ihn darum bit­ten!” (Lk 11,13) Darum sitzen am Anfang der Geschichte die Jünger zusam­men und beten. Und das kön­nen und müssen wir auch tun. Denn der Heilige Geist drängt sich nie­man­dem auf. Der Schrift­steller C.S. Lewis hat ein­mal gesagt: „Der Heilige Geist ist ein ‚Gen­tle­man‘. Er kommt nur, wenn man ihn hinein bit­tet.“ Die Frage ist dann höch­stens: Wollen wir das über­haupt, dass der Heilige Geist uns ent­flammt? Lassen wir Ver­wand­lung durch den Geist in der Gemeinde zu? Oder ist uns die Sache zu ‚heiss‘?

Schliesslich: die neue Sprache. Die ‚Zun­gen von Feuer‘ lassen sich auf den Jüngern nieder, und diese begin­nen, ‚in anderen Zun­gen‘ (= Sprachen) zu reden. Feuerzun­gen und men­schliche Zun­gen wer­den im Urtext mit dem­sel­ben Wort beze­ich­net: glos­sa. Das Sprach­wun­der ist also die direk­te Folge des Feuers. Die Vertreter der ver­schieden­sten Völk­er kön­nen ihre Mut­ter­sprache hören und ver­ste­hen. Die Pfin­gst­geschichte ist damit die Gegengeschichte zur Sprachver­wirrung beim Turm­bau zu Babel (vgl. 1.Mose 11,1–9). Der Heilige Geist schafft Ver­ständi­gung über alle kul­turellen und eth­nis­chen Gren­zen hinweg.

Als einzelne Chris­ten wie als Gemeinde/Kirche sind wir in viel­er­lei Hin­sicht auf die Hil­fe des Heili­gen Geistes angewiesen. Freilich haben wir keinen Ein­fluss darauf, wann er wo und wie wirkt. Schliesslich weht der Geist, wo er will.

Wir kön­nen nur um sein Kom­men bit­ten und dann staunen, was er tut. Ich schliesse mit einem Erleb­nis von ein­er früheren Pfar­rerweit­er­bil­dung (PIM). Wir waren in einem Hotel über dem St.Galler Rhein­tal und feierten einen Abendmahls­gottes­di­enst gefeiert. Der Föhn kam ger­ade auf, nicht als Sturm, zwar aber immer­hin. Das Gebet ganz zu Beginn dieses Gottes­di­en­stes enthielt die Bitte um das Kom­men des Heili­gen Geistes. Und genau in dem Moment als es aus­ge­sprochen wurde, erfasste in einem unübertrof­fe­nen Tim­ing eine Wind­böe das Haus. Das war tat­säch­lich ziem­lich ein­drück­lich, in diesem Moment das Pfeifen und Rauschen des Föhnes um die Hauseck­en wahrzunehmen. Im Blick auf das Wirken des Heili­gen Geistes viel wichtiger war freilich das andere: An diesem Gottes­di­enst wirk­ten wohl über 20 Per­so­n­en mit je eige­nen Beiträ­gen mit. Sie hat­ten sich nach los­er Absprache je sel­ber vor­bere­it­et. Und daraus wurde ein Gottes­di­enst, der in sich stim­mig und ganz war. Es passte ein­fach alles zusam­men … und das Ganze wurde nicht ein­mal über­mäs­sig lang. Vielle­icht ist das die wichtig­ste Wirkung des Heili­gen Geistes: Aus der Begeis­terung und Betrof­fen­heit viel­er, aus unter­schiedlich­sten Ideen, schafft er ein Ganzes, in dem Christi Gegen­wart lebendig, ja fast mit Hän­den zu greifen ist. Das mag lange nicht immer spek­takulär sein, aber stets ergreifend und prä­gend. Und so kann ich an Pfin­g­sten mir und uns nicht mehr wün­schen, als dass Gottes Geist uns erfasst und mit dem Leben Christi füllt. Amen

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