Besser als eine Versicherung

Jesa­ja 43,1–7

Predigt am 16.07.2023 in der EMK Adliswil

Liebe Gemeinde,

«Wir sind dein Eigen­tum, wir sind in deinen Hän­den!» So haben wir gesun­gen. Zu unserem Eigen­tum wird, was wir kaufen, erben oder was wir selb­st her­stellen, schaf­fen. Dem­nach sind wir seit je, von Anfang an, Gottes Eigen­tum. Denn er hat uns geschaf­fen. Der heutige Predigt­text braucht aber auch das Bild vom Kaufen. Dabei klingt es sog­ar wie bei ein­er Ver­steigerung: «Ich habe Ägypten als Kauf­preis für dich bezahlt, dazu noch Nubi­en und Seba. Du bist kost­bar und wertvoll für mich, und ich habe dich lieb», heisst es in Jes 43,3f. Mit anderen Worten:Gott bietet unvorstell­bar viel für sein Volk Israel: Mehr als die drei mächtig­sten Reiche zusam­men damals wert waren zusam­men. So viel wirft er in die Waagschale, um Israel wieder sein nen­nen zu kön­nen. In heuti­gen Zahlen: Das BIP der drei stärk­sten Volk­swirtschaften (USA, Chi­na, Japan) sum­mierte sich 2021 auf 45.6 Bio $. Ein kleines Volk (Israel) ist Gott so viel wert. Wenn das keine Liebe­serk­lärung ist! Eine ein­drück­liche Liebe­serk­lärung. – Gut, das mit der heuti­gen Sta­tis­tik ist exegetisch wohl etwas aben­teuer­lich. Aber es zeigt die Dimen­sion. Gott macht Israel eine unüber­bi­et­bare Liebe­serk­lärung. – Und wir wis­sen: Wer eine Liebe­serk­lärung erhält, wird gestärkt, begeis­tert, wohl sog­ar eupho­risiert. Erhält Rück­en­wind, find­et Mut und Tatkraft.

Dage­gen zieht ein Prophet in Baby­lon alle Reg­is­ter der Sprache der Liebe. Von vie­len wird er der ‘zweite Jesa­ja’ genan­nt. Seine Worte ste­hen in Jesa­ja 40–55. Immer wieder spricht er Jakob/Israel im Namen Gottes zu: «Fürchte dich nicht!». – So auch in Jesa­ja 43,1–7 .

Eine ganz andere Frage: Sind Sie gut ver­sichert? Gegen Unfälle? Gegen Krankheit? Gegen Dieb­stahl? Gegen Feuer und Wass­er? … – In gefühlt unsicheren Zeit­en boomt die Ver­sicherungs­branche. Zwar ist das Gefühl der Unsicher­heit wohl unre­al­is­tisch oder jeden­falls unangemessen. Denn wir leben sicher­er als wir uns fühlen. Und geben doch viel Geld aus, um uns noch sicher­er zu fühlen. Laut Bun­de­samt für Sta­tis­tik wur­den 2020 in der CH gut 119 Mrd. Fr. für Ver­sicherung­sprämien aus­gegeben. Das sind pro Kopf und Jahr 13’780 Fr. — Schweiz­erische Mobil­iar und Co prof­i­tieren von gefühlten Krisen. Sie leben von den Sor­gen und Äng­sten der Men­schen. Und das nicht schlecht. 2020 erzielte die Branche Gewinne von 7.3 Mrd. Fr.

Ob Gefahren und Risiken wirk­lich so gross sind. Oder wächst die Angst mit dem, was man ver­lieren kön­nte? Jeden­falls sind die Äng­ste gross. Und Sicher­heit ist ein Haupt­the­ma. Das zeigt nicht nur der Boom der Ver­sicherungs­branche. Man kann es auch ander­swo able­sen. Z.B. lässt die Nähe des Ukraine-Krieges nicht nur die Mil­itäraus­gaben wieder ansteigen. Und es wer­den Waf­fen an die Ukraine geliefert, die erst noch von den meis­ten Län­dern geächtet wur­den (® ‘Streubomben’) und die es deshalb eigentlich gar nicht geben sollte. – Ver­rückt, was Angst, was das Gefühl von Unsicher­heit auszulösen vermag.

Und wie es die Frei­heit ein­schränkt. In den Demokra­tien rufen ängstliche Bürg­erIn­nen nach starken Hän­den. Und geben leicht­fer­tig hart errun­gene Frei­heit­en preis. Als ob die Alter­na­tive hiesse: Sicher­heit oder Frei­heit? Als wären die bei­den unvere­in­bar. Für Risiko­min­imierung und Erhöhung der Sicher­heit nimmt man einiges in Kauf. Ger­ade in der Poli­tik dominiert ein Denken, das fordert: „Sichert Euch nach allen Seit­en ab!“ Und im Pri­vat­en sieht es ähn­lich aus: Wir min­imieren (ver­meintlich) Risiken, indem wir uns aller­lei Ver­sicherungspo­li­cen kaufen. Obwohl diese ja kaum etwas ver­hin­dern und höch­stens finanzielle Fol­gen abfed­ern kön­nen. – Wie sieht das bei uns selb­st aus? Ist es irgend­wie noch im Rah­men? Oder ver­wen­den wir zu viel Energie, um uns ängstlich gegen alles Mögliche abzusichern?

Obwohl dem Sicher­heitsstreben klare Gren­zen geset­zt sind. Nur schon ver­sicherung­stech­nisch. Jeden­falls im Blick auf mögliche Naturkatas­tro­phen ver­weigern Ver­sicherun­gen oft eine Police. Weil das Risiko viel zu hoch ist.

Wer ver­sichert uns denn, wenn das Risiko zu hoch, die finanziellen Auswirkun­gen nicht mehr abse­hbar sind? Die Gefahren sind ja den­noch real. Und Katas­tro­phen gibt es nicht nur weit weg und bei uns nur in den Nachricht­en. Hochwass­er in Ital­ien, Hitze in Spanien, Wald­brände in Kana­da oder Krieg in der Ukraine mögen uns nicht direkt tre­f­fen. Aber es gibt auch anderes. Wir wis­sen um Feuer und Wass­er, in denen wir unterge­hen kön­nen, sehr genau. Es kann einem sel­ber tre­f­fen: Tod und Trauer; Ver­lassen-Wer­den; Stre­it; nicht mehr wis­sen, wie es weit­erge­ht; ins Boden­lose fall­en und nie­mand ist zu sehen, der mich auf­fan­gen würde. Und keine Ver­sicherung greift.

In genau so eine Sit­u­a­tion hinein, wo keine Ver­sicherung mehr greift, sind die Worte aus Jesa­ja 43,1ff gesprochen: «Fürchte dich nicht, denn ich habe dich befre­it. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir. Wenn du durch Wasser­fluten gehst, bin ich bei dir. Reißende Ströme spülen dich nicht fort. Wenn du durchs Feuer gehst, ver­brennst du nicht. Die Flam­men kön­nen dir nichts anhab­en. Denn ich bin der Herr, dein Gott …. Du bist kost­bar und wertvoll für mich, und ich habe dich lieb…. Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir…. . Alle, die ich zu mir gerufen habe, wer­den kommen.

Im Namen Gottes spricht der Prophet das dem küm­mer­lichen Israels zu. In Baby­lon hängt Israel im Exil fest. Es ist nicht zu Hause, ohne Heimat ohne einen Ort der Gebor­gen­heit, ungesichert. — Sein Gott hat ihm alle Sicher­heit­en genom­men: Sein Land. Seinen König. Seinen Tem­pel. Alles, was Israel ein­mal gross gemacht hat­te. Alles, was ihm Sicher­heit gegeben hatte.

All das ist weg. Doch nun sagt Gott: «Wenn du durch Wass­er gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht bren­nen, und die Flamme soll dich nicht versengen.»

Das klingt schon ein wenig wie eine Ver­sicherungspo­lice. Eine Garantie nichts Bös­es mehr geschehen soll? Nach dem Mot­to: „Es wird auf Dich aufgepasst!“ So wurde und wird Religion/Glaube doch immer wieder gese­hen: als „Ver­sicherung“ gegen die Risiken des Lebens.

Ver­sicherungs­glaube! Auch heute! Schutzen­gel-Glaube: Ver­sicherun­gen machen gerne damit Wer­bung. Ich lese Auto-Aufk­le­ber: „Fahre nicht schneller, als dein Schutzen­gel fliegen kann.“ Oder beobachte, wie die Taufe eines kleinen Kindes von manchen als magis­ch­er Schutz gegen alles Böse ver­standen wird. Früher hiess es ja, man solle nicht mit dem Kind aus dem Haus gehen, bevor es getauft ist. Vielle­icht lächeln wir darüber. Aber ist es heute so anders? Gottes Segen möchte man ver­ste­hen als Ver­sicherungspo­lice in ein­er unsich­er gewor­de­nen Welt. Als Schutz vor Unfall, Krankheit und allem Bösen.

Doch so ist nicht gemeint, was der zweite Jesa­ja im Namen Gottes sagt. Es ist keine Ver­sicherung. Es ist bess­er als eine Ver­sicherung. Es ist eine glühende Liebe­serk­lärung: «Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; du bist mein. Gegen das Feuer, das bes­timmt kom­men wird, durch das wir hin­durchge­hen müssen, aber nicht ver­bren­nen. Fürchte dich nicht!

«… wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht bren­nen, und die Flamme soll dich nicht versen­gen!» Dazu fällt mir der bren­nende Dorn­busch ein, aus dem Mose beim Namen gerufen wurde. Der Dorn­busch, der bran­nte, aber nicht verbrannte.

Gottes Zuruf der Liebe: «Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!»

Ein Ret­tungs­boot in den Angst-Fluten, die bes­timmt kom­men wer­den, in denen wir unterge­hen kön­nen, in denen uns das Wass­er bis zum Hals ste­hen wird. – «Fürchte dich nicht! Wenn du durch Wass­er gehst, will ich bei dir sein,  dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen!» Das erin­nert an das Schil­fmeer, durch das die Israeliten hin­durch mussten auf der Flucht vor den Ägyptern.

Nein! ‘Ver­sicherungs­glaube funk­tion­iert nicht. Reli­gion ist keine Wohlfühl‑, Glaube keine Glücks­garantie. Feuer und Wass­er wer­den nicht geban­nt. Das Risiko bleibt und ist real. Schwieriges ist nicht zu ver­mei­den. Was der Prophet sagt, ist ger­ade kein leicht dahinge­sagtes: „Alles wird gut!“ Katas­tro­phen geschehen. Und von den Kosten wird über­haupt nicht gere­det. Keine Police, die wenig­stens garantiert, dass dann im Falle eines Fall­es die Rech­nun­gen bezahlt werden!

Was sind diese Worte dann? Eine Liebe­serk­lärung, wie gesagt. Sie sind aber auch eine Zumu­tung! Ich meine Zumu­tung im dop­pel­ten Sinn:

  • Ein­er­seits: „uner­hört: so eine Zumu­tung …“ – Wir müssen manch­mal durch Feuer und Wass­er gehen. Zuge­sagt ist nur: Gott geht mit und sorgt dafür, dass wir nicht ver­bren­nen oder ertrinken. – Wobei: Was heisst da ‘nur’? Das ist sehr viel.
  • Andr­er­seits steckt in Zu-MUT-ung das Wort ‘Mut’. Die Propheten­worte wollen uns Mut zus­pie­len. Die Angst nehmen, die Läh­mung lösen, Schritte vor­wärts ermöglichen, weil gilt: «Ich bin dein Gott, der Heilige Israels, dein Hei­land. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir!»

Der Prophet mutet uns zu und ermutigt uns: Zu Ver­trauen. Darauf kommt es an. Son­st auf nichts. Ergreife diese Zusage als Hand, die Gott Dir reicht. – Ver­traue! Wag Dich aufs Wass­er! Und ver­lass dich darauf, dass seine Hand dich hält, wenn Du sinkst (vgl. Mt 14,22–33). Ver­traue, dass Gott mit Dir ist! Ver­lasse Dich ganz darauf! Richte Dein Leben danach aus. Das reicht!

Darüber hin­aus ist noch zu bemerken: Diese Worte Gottes waren ursprünglich an die Ver­schleppten Israeliten in Baby­lon gerichtet. Sie hörten zuerst: «Fürchte dich nicht, Israel, denn ich habe dich erlöst, Jakob. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen! Du bist mein.»

D.h. auch wenn die Worte noch so per­sön­lich und indi­vidu­ell klin­gen mögen. Sie sind an eine Gemein­schaft gerichtet. Gott ruft sein Bun­des-Volk beim Namen: „Israel, Jakob – Du bist mein!“

Wenn ich das heute lese, klingt in mein­er Seele eine Saite an. Und es kommt mir vor, als wäre es nur für mich per­sön­lich gesprochen: Darum ste­ht Jes 43 auch weit oben in der Hitliste von Tauf­versen, Konf-Sprüchen etc. Aber auch wenn wir es per­sön­lich nehmen dür­fen, bleibt als weit­ere Zumu­tung: Das ist nicht nur für dich! Nimm es nicht mit nach Hause als per­sön­lich­es Trostpflaster. Mit Pflastern — auch mit Trostpflastern — ist es so: Sie wirken bald nicht mehr. Sie fan­gen an zu juck­en und zu stören. Dann reißt man sie ab und tut sie weg.

Darum nimm dieses Wort nicht als Trostpflaster, son­dern als Zu-MUT-ung. Es mutet dir zu: Komm zum Volk Gottes! Du gehörst zur Gemein­schaft der Glauben­den. Komm dor­thin, wo Gott sein Volk zusam­men­ruft! Es gilt Dir, wenn Du Dich mit anderen im Volk Gottes verbind­est. Damals rief Gott sein Volk nach Hause – nach Jerusalem.  — Und die grosse Vision des Reich­es Gottes ist ja, dass ein­mal alles zusam­menkom­men wer­den zum Fest Gottes. Jesus greift das auf: Ein großes Festmahl wird Gott aus­richt­en. Dann wer­den sie kom­men aus allen Him­mel­srich­tun­gen, von Nor­den und Süden, West­en und Osten. Dafür sind jed­er Gottes­di­enst und jedes Abendmahl ein Vorze­ichen. Es erin­nert uns, dass wir nicht uns gehören, son­dern Gott. Und dass wir die Ein­ladung zum grossen Fest schon erhal­ten haben. Und dass wir dann ein­mal feiern wer­den, so wie wir noch nie gefeiert haben. Mit Gott und dank Gott.

Jesa­ja 43 ist keine Ver­sicherungspo­lice. Es ist mehr und bess­er als das. Eine Ver­sicherung zahlt (vielle­icht), wenn das Prob­lem über­standen ist. Gott ist schon da, wenn das Prob­lem entste­ht. Im dunkel­sten Tal sind wir begleit­et, bleibt er das Licht auf unserem Weg. Die Wege, die wir gehen müssen, mögen lang sein. Aber sie führen sich­er ans Ziel. Wir wer­den ankom­men. Denn Gott ist mit uns unter­wegs. Durchs Feuer und durch die Fluten hin­durch bleibt er an unser­er Seite. Das gibt uns Mut. Das lässt unsere Angst schmelzen. Das stärkt unser Ver­trauen. Denn er ken­nt uns. Er liebt uns. Er weiss unsere Namen. Es gilt: Gott hat uns erlöst; Er hat uns bei unserem Namen gerufen; wir sind sein! Amen

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