Impuls am 12.11.2023 in der EMK Adliswil
Copyright Seb Mooze on unsplash.com
Liebe Gemeinde,
in einem meiner liebsten Segenssprüche heisst es: „Der Gott, der Frieden schafft und Frieden gibt, rüste euch aus mit allen guten Kräften, die ihr braucht, seinen Willen zu erfüllen. Er wirke in euch, was ihm selbst gefällt.“ – ChristInnen reden ja immer wieder vom Willen Gottes und davon, wie wichtig es sei, danach zu leben. Wir beten auch Sonntag für Sonntag: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“ Doch so einfach ist das ja nicht mit dem Willen Gottes! Auch wenn uns z.B. von den zehn Geboten und vom Doppelgebot der Liebe her grundsätzlich klar sein müsste, was Gott will: In der konkreten Situation kann es dann doch schwierig sein: Im Blick auf den Nahostkonflikt z.B.: Bedeutet ‚fest an der Seite Israels zu stehen‘ (wie es gerade in christlichen Kreisen oft und z.T. lautstark gefordert wird) automatisch, ein Gegner Palästinas sein zu müssen?
– Oder hinsichtlich der Klimakrise: Dass Christen sich für die ganze Schöpfung interessieren und engagieren sollten, dürfte klar sein. Aber wie genau? Was muss ich? Was darf ich nicht? Und wo darf ich mir auch mal ohne schlechtes Gewissen etwas gönnen? – Oder im Blick auf die Gemeindeentwicklung: Wo sind meine eigenen Bedürfnisse berechtigt? Wo sollte ich über meinen Schatten springen und mich auf Neues, Fremdes einlassen? Wie wichtig ist Tradition?… Was will Gott? Ist er progressiv oder traditionalistisch? – Oder nochmals etwas aus den aktuellen Schlagzeilen: Am Fr wurde Brian, der wohl berühmteste/berüchtigste Häftling der Schweiz auf freien Fuss gesetzt. Was wäre der richtige Umgang mit so jemandem? Wenn er jetzt plötzlich vor mir stehen würde, was könnte ich dann sagen, was tun, wie ihm begegnen? — Oder ganz alltäglich/persönlich: Wann soll/darf ich mich um meine Befindlichkeit kümmern und mir Gutes tun? Und wann sollte/müsste ich vom Sofa aufspringen, um jemanden zu unterstützen, der/die auf mich angewiesen ist?
Den Willen Gottes tun und leben. Nur schon wissen oder wenigstens ahnen, was er will, ist manchmal schwierig und oft anstrengend. Und dann gib es in der Bibel ja auch noch so Warnungen wie z.B. am Ende der Bergpredigt, wo Jesus sagt: „Nicht jeder, der zu mir sagt: ›Herr, Herr!‹, wird in das Himmelreich kommen. Sondern das gilt für diejenigen, die den Willen meines Vaters im Himmel tun.!“ (Mt 7,21)
Den eingangs zitierten Segensspruch liebe ich, weil er nicht fordert, pflichtgemäß den Willen Gottes zu tun. Sondern er spricht die Fähigkeit zu, Gottes Willen zu leben. Das ist etwas ganz anders und könnte eine Leichtigkeit in die Sache bringen, die vielen ChristInnen oft fehlt: „Gott … rüstet euch aus mit allen guten Kräften, die ihr braucht, seinen Willen zu erfüllen. Er wirkt in euch, was ihm selbst gefällt.“ Wenn ich mich darauf verlassen könnte. Wenn ich nicht mehr tun müsste, was Gott fordert, sondern selbst wollen würde, was ihm gefällt …. Wenn mein Wünschen und Wollen sich mit seinem Willen synchronisieren könnte. Und nicht nur mein, sondern unser aller Wollen. Wenn die Menschen lernen könnten, zu wollen was Gott will! Wie toll wäre das denn? – Na ja, es klingt doch sehr paradiesisch und in unserer Welt unrealistisch. Und doch lebt unser Glaube nicht zuletzt von der Hoffnung, dass Gott dieses Ziel mit allen seinen Geschöpfen erreichen wird. Einmal werden alle nicht nur wollen, was Gott will, sondern das auch noch gerne tun. So wird es sein, wenn – wie die Offenbarung sagt – Gottes alles in allem sein wird.
Der Weg dahin mag noch sehr weit sein. Und doch können wir Schritte in diese Richtung gehen. Können wollen lernen, was Gott will. Können um die Erfüllung des Willens Gottes beten. Wie Paulus im Kol schreibt (® Grusswort): „Wir bitten Gott, dass er euch die vollständige Erkenntnis seines Willens schenkt.“ Oder eben, wie wir jeden Sonntag beten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“ – Pfr. R.Seitz deutet diese Unser-Vater-Bitte in einer Meditation so aus:
Deine Barmherzigkeit und Güte
werde der Trend unserer Zeit
und die heilige Sorge um die Schöpfung
lebe in unseren Herzen.
In Sitzungen von Verwaltungsräten,
in Parlamenten und Parteigremien,
auf Chefetagen und Traktandenlisten
mögen immer mehr Frauen und Männer fragen:
Was sind vor dem Himmel
die eigentlichen Prioritäten unserer Zeit?
Immer weniger möge der Wille von Egoisten
und ewigen Tonangebern gehört werden.
Ich glaube, es geht bei dieser Bitte nicht darum, einen bereits festgeschriebenen Plan Gottes zu erfahren und diesen dann abzuarbeiten. Sondern es geht um unsere Verwandlung. Es geht darum, dass Gott an uns so arbeitet, dass wir nach den Prioritäten des Himmels fragen und entscheiden. Es geht darum, dass wie seinen Geist in uns Wirken lassen, so dass unser Wollen nicht mehr eigennützig bestimmt ist, sondern dass wir wollen, was Gott will. Dann wird es uns leichter fallen und häufiger gelingen, im Alltag Entscheidungen zu treffen, die Gott fallen.
Zu wollen was Gott will, hat viel mit Gebet zu tun und damit, sich seiner Gegenwart, sich dem Wirken seines Geistes zu öffnen … und zu akzeptieren, dass er uns verändert, verwandelt. Die Salbung war in atl. Zeiten übrigens ein Symbol genau dafür. Der künftige König oder werdende Priester sollte ganz erfüllt und geleitet sein von Gottes Geist. Wie der Duft des Salböls ihn noch lange begleitete, so sollte all sein Reden und Tun vom Duft Gottes durchwirkt sein und seinen Geist ausstrahlen. Die Salbung, wie wir sie heute im Anschluss anbieten, will deutlich machen und zusprechen: Gott erfüllt dich. Sein Geist lebt und wirkt in dir. Du hast Gottes Unterstützung auf dem Weg zu lernen und zu wollen, was Gott will.
Ich schliesse mit einem Gebet von Jörg Zink:
Ich möchte wollen, Herr, wie du willst.
Ich gehe meinen Weg durch die Tage,
durch unzählige Tore.
Aus einem armen, leeren Tag in die Ruhe der Nacht
aus der Ruhelosigkeit einer Nacht in einen reichen Tag.
Abend und Morgen sind die Tore, durch die du mich führst.
Meinen Weg gehe ich
und begegne Menschen.
Ich finde ihr Geschick, ihre Wünsche,
ihr Leid und ihre Mühe.
Ich möchte, dass du mich führst,
wenn ich zu den Menschen komme,
damit ich dich finde in ihren Gesichtern.
Dich suche ich, mein Gott,
auf meinen vielen Wegen.
Ich finde dich nicht,
wohin ich mich auch wende,
wenn du mir nicht das Tor öffnest
Du selbst bist das Tor.
Ich will es durchschreiten
und dich finden.
Mich selbst suche ich.
Aber ich finde keinen Weg zu mir.
Ich irre in mir selbst und bitte dich:
Führe mich durch den Irrgarten meiner Seele
und zeige mir die Tür,
durch die ich zu dir eintreten darf,
damit ich nicht bei mir, sondern bei dir wohne.
Herr, du willst, dass ich meinen Weg finde.
Du willst, dass ich glücklich bin
und an ein Ziel gelange.
Ich möchte wollen, ‘wie du willst. Amen (aus: Jörg Zink, Wie wir beten können, S.179)