Heaven ist a wonderful place

Jesa­ja 65,16b-25

Gehal­ten am 26.11.2023 (Ewigkeitsson­ntag) in der EMK Adliswil

Liebe Gemeinde,

der Kon­trast ist gross am Ewigkeitsson­ntag: Auf der einen Seite sind die Trauer und der Schmerz in der Erin­nerung an jene, die nicht mehr unter uns sind. Auf der anderen Seite sind Hoff­nung und Vor­freude auf die Vol­len­dung, auf die Ewigkeit. Wie brin­gen wir bei­des zusammen?

Pfr. R.Seitz bringt bei­des in einem Text mit dem Titel ‘Vor­freude’ zusam­men. Er klingt so:

Ich freu mich
auf den Augen­blick,
wo dank der Ini­tia­tive
des Him­mels eine geseg­nete
Arbeit­slosigkeit aus­bricht:
Wenn Mil­itärs in allen Län­dern
ihre ordens­geschmück­ten Uni­for­men
an den Nagel hän­gen,
weil es keine Kriege
und keine Sol­dat­en mehr gibt,
wenn bei Waf­fen­fab­riken
keine Bestel­lun­gen mehr einge­hen
und Gefäng­nisauf­se­her
verge­blich nach Kun­den
Auss­chau hal­ten.
Wenn Mil­lionäre
keine Anwälte mehr brauchen,
weil das ver­mö­gen
unter die Armen verteilt ist,
wen Gren­zwächter Blu­men pflanzen
und sie dem Gast
aus dem fer­nen Land
ins Knopfloch steck­en,
wenn Polizis­ten die Auflö­sung
ihres Beruf­s­standes beschliessen
und ihre Mützen den Kindern
ver­schenken,
wenn Geheim­di­en­ste
nichts anderes mehr zu tun haben
als das Geheim­nis
der Liebe Gottes auszu­plaud­ern.
Wenn Hil­f­swerke
über­holte Insti­tu­tio­nen sind
und die unzäh­li­gen Kirchen und
Gemein­schaften unterge­hen
in der geschwis­ter­lichen Ökumene
des kom­menden Gottes­re­ich­es.
Und am meis­ten freue ich mich
auf den Augen­blick, wo Pfar­rer
das Allerüber­flüs­sig­ste sind,
weil Gott sel­ber inmit­ten
der Men­schen wohnt.
Dann wer­den wir sein
wie Träu­mende.
aus: R.Seitz, Spuren dein­er Nähe find­en, S.76ff

Freude angesichts und trotz Not, Elend und Ster­ben in der Welt. R.Seitz bleibt in seinem Text eng an bib­lis­chen Vor­bildern: Texte, die voll­mundig, in unge­brem­ster Zuver­sicht und bewusst gegen die Erfahrung die Her­rlichkeit im kom­menden Reich Gottes for­mulieren.
Sie zu lesen ist oft her­aus­fordernd. Denn unsere Wahrnehmung der Welt lässt uns zurück­fra­gen: Stimmt das? Das wirkt doch über­trieben, abge­hoben. Was gibt uns Gewis­sheit, dass wir uns auf bib­lis­che Visio­nen der Vol­len­dung ver­lassen kön­nen?
Ein­er dieser Bibel­texte ist heute mein Predigt­text: Jesa­ja 65 ist eine Ver­heis­sung im Namen des ‚wahrhafti­gen Gottes‘ (→ Luther). Hin­ter dieser Gottes­beze­ich­nung steckt in der bib­lis­chen Ursprache das Wort ‚Amen‘. Es spricht also der ‚Gott Amen‘.  Der also, der seine Ver­sprechen hält. Der Gott, der seinem Ja das ‚Amen‘ fol­gen lässt. Wenn er sagt ‚es werde Licht‘, dann wird es hell (→ 1. Schöpfungstag).

Also: Der ‚Gott Amen‘ sagt in Jesa­ja 65

‘Heav­en ist a won­der­full place!’ d.h.: Der Him­mel ist ein her­rlich­er Ort. So heisst es in einem Gospel, der mir nach­läuft, seit ich den Predigt­text gele­sen habe. Davon spricht Jesa­ja hier. Davon, wie her­rlich es ist im Him­mel. Wobei der Prophet genau genom­men ja nicht den neuen Him­mel, son­dern die neue Erde beschreibt. Eine Welt, der die unsere viel zu wenig gleicht:

  • Die Kinder­sterblichkeit ist zwar mas­siv zurück­ge­gan­gen. Aber es gibt sie noch. Und – auch wenn wir kaum darüber reden – manche Kinder ster­ben schon, bevor sie zur Welt kommen.
  • Die Lebenser­wartung ist gestiegen. Doch 100 zu wer­den, ist auch heute noch eine Ausnahme.
  • Die Erde lässt so viel wach­sen, dass man alle ernähren kön­nte. Aber mit der Verteilung klappt es bis heute nicht. Und mit der Kli­maverän­derung wer­den Mis­sern­ten häufiger.
  • Ein Friede, in dem selb­st Raubtiere zu Veg­e­tari­ern wer­den, klingt vol­lends utopisch. Kriegsnachricht­en sind so häu­fig gewor­den, dass wir schon fast daran gewöh­nt haben und abs­tumpfen. Gottes Shalom scheint in unser­er Welt unerr­e­ich­bar weit weg zu sein.

Kurz gesagt: Gottes Ja und Amen zu seinen Ver­heis­sun­gen fehlt (noch?). Und die Frage drängt: Kommt das noch? Ja, geht’s das über­haupt? – Zu Gege­nar­gu­menten aus der Erfahrung gesellen sich Ein­sicht­en christlich­er Lehre: Auch gläu­bige Men­schen bleiben Sün­der und tra­gen viel vom alten Adam in sich.

Darum braucht es eine neue Schöp­fung. So wie die Welt ist, funk­tion­iert es nicht. „Ein biss­chen Frieden“ reicht nicht. Jesa­ja wird klar: Ein neuer Him­mel, eine neue Erde müssen her. Gott muss sie schaf­fen. Der Text braucht übri­gens genau das Wort בָּרָ֣א (= ‚schaf­fen‘) aus den Schöp­fungs­bericht­en. Die Bibel hat es reserviert für Gottes Schaf­fen des Neuen aus dem Nichts her­aus.
Jesa­ja sieht also, real­is­tisch und ver­heis­sungsvoll zugle­ich: Mit dieser Welt ist das Ziel nicht zu erre­ichen. Darum schafft Gott einen neuen Him­mel und eine neue Erde. Und seine Men­schen wer­den daran teilhaben.

Im For­mulieren sein­er gewalti­gen Vision bleibt der Prophet dur­chaus vor­sichtig. Zwar schreibt er von der neuen Erde und dem neuen Him­mel. Aber er beschreibt nur die neue Erde. Für den Him­mel fehlen ihm Bilder und Worte. – Einige hun­dert Jahre später hat der Seher in der Johan­nesof­fen­barung auch den neuen Him­mel beschrieben. Wobei auch er bewahrt das atl. Tabu bewahrt, wonach der Men­sch nicht in den Him­mel sehen kann. Deshalb kommt in der Offb der Him­mel ( → das neue Jerusalem) auf die Erde herunter und Gott nimmt dort darin Woh­nung (vgl. Offb. 21,5). Den­noch: Wo Gott wohnt, da ist der Him­mel. In Gottes Gegen­wart gibt es kein Leid und keinen Tod mehr. Da wer­den die Men­schen nicht bloß uralt wie bei Jesa­ja, für den ein Hun­dertjähriger noch ein Kind ist, wenn er stirbt. In der Sicht der Jh-Offb leben die Men­schen ewig.

Jesa­ja ist vor­sichtiger. Er malt nur die ide­ale neue Erde aus, die Gott schaf­fen wird. Ewiges Leben gibt es in sein­er Vision noch nicht. Aber das Leben ist erfüllt. Für nie­man­den mehr zu kurz. Mis­sern­ten wird es nicht mehr geben. Vertrei­bun­gen auch nicht. Das Fressen und Gefressen wer­den wird vor­bei sein.
Aber eben: Selb­st diese ‚sparsamen‘ Ver­heis­sun­gen sind in unser­er Welt nicht ein­gelöst. Was ist denn nun mit Gottes ‚Ja und Amen‘?

Der Alttes­ta­mentler Walther Zim­mer­li unter­strich, dass noch nicht alle atl. Ver­heis­sun­gen erfüllt sind. Er sprach deshalb trotz des Kom­mens Jesu von einem Ver­heis­sungs-Über­schuss des AT. Damit hat er recht.
Es darf aber auch fest­ge­hal­ten wer­den: In Jesus ist ein Teil oder ein Vorgeschmack der neuen Wirk­lichkeit, der Vol­len­dung schon ein­mal aufge­taucht. Vielle­icht war es erst die Spitze eines Eis­berges oder die Schwanzflosse eines Wals, was wir vom Reich Gottes zu sehen beka­men. Doch immer­hin!
Es sind noch nicht alle Krankheit­en besiegt. Aber es gab und gibt Heilun­gen einzel­ner im Namen Jesu Christi. Das Ster­ben geht noch weit­er. Aber in der Aufer­ste­hung hat der Tod den entschei­den­den Kampf schon verloren.

Für einige Sekun­den wird die Schwanzflosse eines Wales sicht­bar, bevor er nach dem Atem holen wieder abtaucht. Der ganze Wal bleibt unsicht­bar. Aber die Flosse zeigt mir, dass es ihn gibt und ich weiss, dass er wieder auf­tauchen wird.
Das mit dem Wal haben wir in Kali­fornien erlebt. Wir sassen an der Küste vor unserem Wohn­mo­bil, tranken Kaf­fee und schaut­en auf das Meer hin­aus. Plöt­zlich hörten wir etwas, das klang, wie wenn ein Zug die Brem­sen entlüftet. Wir schaut­en in die Rich­tung und sahen einen Grauw­al ver­schwinden. Er kam sog­ar noch ein paar Mal, so dass ich ihn schliesslich auch auf der Kam­era hat­te. Vorher hat­ten wir am Strassen­rand (für amerikanis­che Wer­bung typ­isch) voll­mundi­ge Ver­sprechun­gen gele­sen: Eine Wal­sich­tung wird garantiert, wenn man eine teure Whale-Watch­ing-Tour bucht. Wir hat­ten der Wer­bung nicht getraut und uns das Geld ges­part. Den­noch hat­te sich das Ver­sprechen für uns erfüllt.
Wenn wir uns daran fes­thal­ten, dass die bib­lis­chen Ver­heis­sun­gen erfüllen wer­den. Wenn wir dem Gott trauen, der Amen heisst und treu ist, dann tun wir dies, weil der Wal im Kom­men, Leben, Ster­ben und Aufer­ste­hen Christi schon, wenn auch nur kurz, sicht­bar gewor­den ist. Wir haben gewis­ser­massen schon die Schwanzflosse des Reich­es Gottes gese­hen. Sei­ther ist Jesus wieder „abge­taucht“ aus der Sicht­barkeit. Zwar nicht ins tiefe Meer, son­dern zurück in den Him­mel. Doch er wird wieder ‚auf­tauchen‘.
Ich würde gerne ein­mal einen ganzen Wal sehen. Das blieb uns damals in Kali­fornien ver­wehrt. Ein wenig Rück­en mit einem Luft­loch. Ein Schwanz. Der Rest blieb unter Wass­er. Das erin­nert mich an den ‚Ver­heis­sungs-Über­schuss‘ des AT. Doch ver­sprochen — dick unter­strichen, um nicht zu sagen: garantiert — ist im NT: Der Wal wird wieder auf­tauchen. Und dann wird er ganz zu sehen sein.

Damit leben ChristIn­nen in dieser Welt seit Christi Him­melfahrt. Es bleibt die Gewis­sheit, Chris­tus erlebt und gese­hen zu haben, auch nach der Aufer­ste­hung. Und es bleibt die Hoff­nung, dass er wieder kom­men wird.
Jesa­jas Gen­er­a­tion fand in Palästi­na keine blühen­den Land­schaften, als sie tat­säch­lich aus  Baby­lon zurück­kehrten. Doch das Exil war vor­bei. Sie hat­ten sozusagen  die Flosse des Wals gese­hen und wussten: Gott ver­gisst die Seinen nicht.
Jesu Zeitgenossen erlebten wed­er das Ende des Todes noch die Über­win­dung aller Krankheit­en. Aber sie sahen Kranken­heilun­gen und den aufer­stande­nen Jesus. Sie sahen die Schwanzflosse und kamen zur Hoff­nung, irgend­wann den ganzen Wal zu sehen.
Auch das Kom­men Gottes in diese Welt im Wei­h­nachts­geschehen ist wie das Auf­tauchen eines Wals zum Luft­holen. Vieles von Gott ist noch ver­bor­gen. Und doch wurde klar. Spätestens mit der Aufer­ste­hung Christi hat Gott ange­fan­gen, den neuen Him­mel und die neue Erde zu schaffen.

Gott hat Ja gesagt zu sein­er Welt, zu seinen Men­schen. Er sagt immer wieder Ja in Momenten, in denen etwas vom Reich Gottes auf­blitzt. Wenn in ein­er Ver­söh­nung, in ein­er Heilung, in einem vom Him­mel geschenk­ten Glücksmo­ment … einen kurzen Moment mehr sicht­bar wird als nor­maler­weise. Und er wird sein Amen sprechen. Der neue Him­mel und die neue Erde wer­den kom­men.
Im Zeichen dieser Zuver­sicht ste­ht auch unsere Erin­nerung an jene, von denen wir in dieser Welt Abschied nehmen mussten. Wir hal­ten uns daran fest, dass sie jet­zt schon viel näher bei Gott sind als wir uns vorstellen kön­nen. Und wir hof­fen auf den neuen Him­mel und die neue Erde, die Gott schaf­fen wird. Da wer­den wir uns wieder begeg­nen. Und da wird alles gut, wird Gott alles in allem sein. Amen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert