Gestern — Heute — Morgen — Immer

Hebräer 13,8f

Gehal­ten am 31.12.2023 in der EMK Adliswil

Copy­right Dave Ili on unsplash.com

Liebe Gemeinde,

in seinem Jahres­rück­blick zählt der Tage­sanzeiger 20 Dinge auf, die 2023 zum ersten Mal passiert sind. Darunter gibt es Pos­i­tives. Aber hän­gen bleiben vor allem die Katas­tro­phen­schlagzeilen: Wet­ter­reko­rde, die zeigen, dass der Kli­mawan­del in vollem Gang ist. Und das kaum gebremst. Der Zusam­men­bruch der CH-Super­bank Cred­it Suisse. Der demographis­che Wan­del: Erst­mals gibt es mehr als 100‘000 65-jährige in der CH. Und das sind 14‘500 mehr als 20jährige. Der Vor­marsch von Recht­spop­ulis­ten in der west­lichen Welt. Die KI hat den Sprung in den All­t­ag geschafft, was wom­öglich grosse Risiken birgt ….

Dazu kom­men viele weit­ere schlechte Nachricht­en: Kriege. Naturkatas­tro­phen. Sig­nale, dass die Gesellschaft am Auseinan­der­brechen sein kön­nte. Wer sich das alles bewusst macht, braucht Kraft, es auszuhal­ten. Zuver­sicht wird zur Her­aus­forderung. Gesucht sind Quellen der Hoff­nung. Dabei flücht­en sich manche in verk­lärende Nos­tal­gie. Sie schwär­men dann vor guten alten, ver­meintlich besseren Zeit. Andere flücht­en in die Zukun­ft. Sie heben ger­adezu ab und ver­lieren sich in Visio­nen z.B. über die Eroberung neuer Leben­sräume im Wel­traum. Dazwis­chen suchen manche, u.a. Chris­ten, Hoff­nung zu weck­en und zu begrün­den. Das ist schliesslich eine Haup­tauf­gabe von ChristInnen/Kirchen: Wir sind Exper­tIn­nen der Hoff­nung. Dazu sind wir nicht nur aus­ge­sandt, son­dern auch begabt. – Aber das ist schwierig heute. Wer anderen Hoff­nung machen will, braucht zuerst eine gute Ver­wurzelung der eige­nen Zuver­sicht. Muss selb­st Hoff­nung haben! Aber wie und woher? Was lässt uns angesichts von lauter Katas­tro­phen und Prob­le­men hoffen?

Christliche Hoff­nung wurzelt im Immanuel, im ‚Gott mit uns‘. Die atl. Schriftle­sung hat uns ein Bild dazu vor Augen gemalt: Gott, der in Wolken- bzw. Feuer­säule sein Volk auf der Wüsten­wan­derung nicht nur begleit­et, son­dern führt und schützt. Die ntl. Schriftle­sung hat uns erin­nert: Gott und sein Wort, greif­bar gewor­den in Jesus Chris­tus, ist Ursprung und Ziel aller Dinge und Wesen. Darauf ist Ver­lass. Jesus Chris­tus, das Wort Gottes, ist der Boden, in dem Hoff­nung Wurzeln schla­gen kann.

Im Schlusskapi­tel des Hebräer­briefes gibt es Sätze, die auf der­sel­ben Lin­ie sind. Ich lese Hebr 13,8f:

Jesus Chris­tus ist der­selbe gestern und heute und in alle Ewigkeit!
Lasst euch nicht durch alle möglichen frem­den Lehren ver­führen. Gottes Gnade wird euch inner­lich fest machen. Speisen kön­nen das nicht bewirken. Sie haben denen nichts genützt, die sich mit ihnen befassten.         Hebr 13,8f (GNB)

Jesus Chris­tus –gestern und heute und auch der­selbe in alle Ewigkeit Gar nicht so sel­ten kann man diesen Satz in alten Kapellen/Kirche sehen. Vorne an die Wand geschrieben. Damit sich Predigtbe­sucherIn­nen mit der Zeit dieser Satz ins Herz prä­gen kon­nte. Schliesslich fasst er, wie schon der pietis­tis­che The­ologe Johann Albrecht Ben­gel (1687–1752) meinte, worum es im Evan­geli­um (wörtlich: Hebr 13,8 sei die ‚Summe des Evan­geli­ums‘) geht. Gemeint ist es als Trost: Jesus Chris­tus ist der uner­schüt­ter­liche Fels in Bran­dung und Stür­men. Das bzw. der­jenige, der bleibt. Der Sta­bil­ität und fes­ten Boden gibt. Chris­tus war, ist und bleibt.
Diesen Trost verknüpft Hebr mit ein­er Mah­nung. Man solle sich nicht von anderen Lehren (z.B. Speisege­boten) ver­wirren oder ver­führen lassen. Behal­tet Euren Fokus auf Jesus Chris­tus. Unbeir­rt. Hal­tet Euch an ihn. Er ist der Experte für die Zukun­ft.
Exper­tIn­nen sind total in heutzu­tage. Ein­er­seits wird zu allem und jedem jemand gebeten, eine Exper­tise abzugeben. Ander­er­seits kämpft ein Heer von Exper­tIn­nen um Aufmerk­samkeit. So entste­ht eine wahre Flut von Tipps zur Leben­sop­ti­mierung. Jeden Tag neue Lehren, was gesund bleiben oder alt wer­den lässt. Genau­so oft War­nun­gen vor ange­blichen Risiken und Gefahren. Die meis­ten dieser Ratschläge haben allerd­ings eine kurze Halb­w­ert­szeit: Was sich gestern als neuster Trend ankündigte und heute als Non­plusul­tra gilt, kann mor­gen schon für tox­isch erk­lärt wer­den. Z.B. Kaf­fee: Von den einen schon fast als Lebenselix­i­er gepriesen, von anderen als Schlankmach­er bewor­ben, wird er von den drit­ten ver­teufelt, als Sucht­mit­tel gebrand­markt und soll für aller­lei Übel ver­ant­wortlich sein. Die Tipps, Ratschläge und Gebote auf dem Feld der Ernährung sind heute noch viele zahlre­ich­er und irri­tieren­der. Doch schon damals erin­nerte Hebr: Speisen kön­nen euch inner­lich nicht fest­machen …. Auch andere Ver­suche der Leben­sop­ti­mierung kön­nen das nicht. Son­dern nur «Jesus Chris­tus … Gottes Gnade wird euch inner­lich festmachen.

Darum rät Hebr: Ver­lasst Euch nicht auf welche Exper­tIn­nen auch immer. Hal­tet Euch an Jesus Chris­tus. Er war, ist und bleibt derselbe.

Damit bin ich sehr ein­ver­standen. Und doch befremdet mich das Wort ‘der­selbe’ ein wenig. Es klingt sich­er zunächst tröstlich, dass Chris­tus der­selbe ist und bleibt. Beim Nach­denken erwachen aber auch Fra­gen: Ist das eine gute Nachricht, dass Chris­tus immer gle­ich bleibt. In unser­er Zeit muss immer alles neu und bess­er sein. Das mag über­trieben sein. Aber immer das­selbe oder der­selbe? Klingt doch lang­weilig? Und nach fehlen­der Bewe­gung? Wo bleibt das Leben, wenn sich nichts verän­dert? Verän­derung gehört doch zum Leben dazu! — Hören Wach­s­tum und Entwick­lung bei Gott auf? Geht es im Him­mel nicht mehr weit­er? Gemäss der hedo­nis­tis­chen Tret­müh­le (d.h. der Beobach­tung, dass dem Men­schen jedes Glück lang­weilig wird, wenn nichts mehr Neues dazukommt) müsste der Him­mel ziem­lich lang­weilig sein. Falls es stimmt, dass nahe bei Gott alles unverän­der­lich gle­ich bleibt ….

Der Hebr redet von Chris­tus als dem Unverän­der­lichen. Zugle­ich ist Chris­tus für das NT aber auch der Lebendi­ge, ja das Leben selb­st. Das scheint sich zu wider­sprechen. — Ich ver­suche deshalb zu umschreiben, was der Hebr meint. Unverän­der­lich bleibt Gottes Liebe in Chris­tus zu den Men­schen. Das Ja Gottes zur Schöp­fung und zu den Men­schen ste­ht fest. Wie ein Fels in der Bran­dung. Dieses Ja kann nicht aufge­hoben wer­den. Ob dieser Umstand aber mit ‘unverän­der­lich’ tre­f­fend beschrieben ist? Ich würde treu, zuver­läs­sig oder wahrhaftig vorziehen. Also: Egal was kommt. Chris­tus garantiert dafür, dass Gott treu an meiner/unserer Seite bleibt. Auf seine Gnade ist immer Ver­lass. Es wird sich nicht ändern, er uns gnädig und liebevoll anschaut und beurteilt.
Die Sit­u­a­tio­nen und das Leben selb­st aber verän­dern sich. Chris­tus begeg­net mir immer wieder neu, und auch immer wieder anders. Viel Über­raschen­des kann und darf ich mit ihm erleben. Und darin stets neu und doch immer gle­ich mich darauf ver­lassen, dass er zu mir ste­ht. Chris­tus war, ist und bleibt uner­schüt­ter­lich und unter­stützend an dein­er Seite! Er ist wahrhaftig treu. So würde ich gerne for­mulieren, was Hebr meint mit: «Jesus Chris­tus, gestern und heute und auch der­selbe in alle Ewigkeit!»

Gott ist treu in sein­er liebevollen Zuwen­dung zu uns. So war es schon gestern. Davon zeu­gen viele Worte und Geschicht­en der Bibel. Davon zeugt die Geschichte der Chris­ten­heit und der Kirchen sei­ther. Wohl gab es viel Verir­run­gen und Irri­ta­tio­nen. Aber Gott hat nicht zuge­lassen, dass die Botschaft sein­er Liebe ver­loren und vergessen geht. Franz von Assisi, Mar­tin Luther, John Wes­ley, die pietis­tis­chen The­ologe, Diet­rich Bon­ho­ef­fer, Dorothe Sölle und viele andere haben Chris­ten immer wieder zurück­ge­führt zur Ein­sicht: Gott ist für die Men­schen da. Er will, dass es seinen Men­schen gut geht. Er wen­det sich ger­ade und vor allem den Schwäch­sten zu. Denn seine Gnade gilt.
Aus der Erin­nerung an das gestern kön­nen wir Ver­trauen und Hoff­nung tanken. Auch aus der Erin­nerung an selb­st Erlebtes: Haben wir nicht im ver­gan­genen Jahr aller­lei Bewahrung erlebt? Und gespürt, dass Gott da war, ger­ade wenn es schwierig und trau­rig wurde? Und dass er im Kleinen wie im Grossen viel schenk­te? – Solche Momente, in denen uns das bewusst wurde, haben wir vom SLI-Prozess her begonnen, Him­mel­re­ichsmo­mente zu nen­nen. Dabei geht es nicht, wie ich gerne unter­stre­iche, wed­er um fromme Worte noch um einen verk­lärten, wom­öglich schwärmerischen Blick auf die eige­nen Erleb­nisse. Son­dern es geht darum, bewusst Zeichen von Gottes Nähe im All­t­ag zu suchen und wahrzunehmen. Um sich darin zu bestärken, fest zu machen: Seine Gnade gilt und wirkt. Sein Reich wächst. Hier. Mit­ten unter uns. Vielle­icht unauf­fäl­lig. Aber konkret.
Jesus Chris­tus war gestern treu. Sich an entsprechende Momente zu erin­nern – im eige­nen Leben, in der Geschichte, in der Bibel – das ist wichtig, um zuver­sichtlich zu bleiben, um Hoff­nung und Ver­trauen zu tanken. Chris­tus hat sich immer wieder, oft über­raschend, als treu, als wahrhaftig und als wirk­sam gezeigt.

Das bet­rifft aber nicht nur das Gestern. Es hat auch mit dem Heute zu tun. Durch seinen Geist lebt Chris­tus nicht nur bei, son­dern in uns. Ist immer dabei. Es gibt keinen Ort, an dem er uns nicht schon mit offe­nen Armen emp­fan­gen würde. Es gibt keine Sit­u­a­tion, die wir ohne ihn aushal­ten und bewälti­gen müssten. Seine Liebe gilt und wirkt heute genau­so wie gestern.
Das ist eine tolle Zusage. Und zugle­ich ist es für Men­schen eine grosse Her­aus­forderung. Denn es bedeutet: Wir soll­ten ler­nen, über­all und jed­erzeit nicht nur auf Gottes Anwe­sen­heit zu zählen, son­dern mit seinem wirk­samen Ein­greifen zu rech­nen. Wir dür­fen, ja sollen offen sein und bleiben für über­raschende Wen­dun­gen zum Besseren dank Christus.

Schliesslich das Mor­gen: Auch in der Zukun­ft wirkt Gott. Es ist uns ver­sprochen, dass er alles zum Guten wen­den wird. – Viele Men­schen beschäfti­gen sich gerne mit der Zukun­ft. Sie erstellen Sta­tis­tiken, analysieren Geschichte und Nachricht­en. Daraus leit­en sie Prog­nosen ab. Die lei­der oft und gerne zu Unken­rufen wer­den. Und dann sieht die Zukun­ft bedrohlich, beängsti­gend, gefährlich aus.
Solch­er Sicht dür­fen wir Gottes Ver­heis­sun­gen ent­ge­gen­hal­ten. Daran fes­thal­ten, dass er seine guten Ziele mit uns und der ganzen Schöp­fung nicht nur nach­drück­lich ver­fol­gt, son­dern sie auch erre­ichen wird. Die Zukun­ft lässt sich – Gott sei Dank – nicht auf die logis­che Kon­se­quenz ver­gan­gener und aktueller Katas­tro­phen reduzieren. Son­dern die Zukun­ft ist Zeit und Raum, die Gott schafft und eröffnet. Darauf zu ver­trauen sind wir auch im neuen Jahr eingeladen.

Jesus Chris­tus, bleibend treu und wahrhaftig gestern, heute und mor­gen. Vielle­icht ist ihnen aufge­fall­en, dass ich zulet­zt vom Bibel­text abgewichen bin. das Wörtchen ‘mor­gen’ kommt darin näm­lich nicht vor. Das macht Sinn. Denn mor­gen wird über­mor­gen auch schon gestern sein. Deshalb for­muliert Hebr nicht ‘mor­gen’, son­dern für immer bzw. in alle Ewigkeit.
Und bestärkt uns im Glauben: Im steti­gen Wan­del bleibt Chris­tus die zuver­läs­sige Kon­stante, auf die wir uns immer und über­all ver­lassen kön­nen. Es mag sich alles ändern. Es mag die ganze Welt zusam­men­brechen. Es mögen sich sog­ar die Vorstel­lun­gen von Gott, vom Him­mel und von der Ewigkeit verän­dern. Eines bleibt: Die Gnade und Liebe Gottes zu uns in Jesus Chris­tus. Sein JA zu jedem einzel­nen von uns ist nicht ins Wanken zu brin­gen, son­dern gilt für immer.
Darauf bauen wir unsere Hoff­nung, mit der wir andere Men­schen anzusteck­en hof­fen. Darum kön­nen wir am Ende eines Jahres, das in viel­er­lei Hin­sicht ein Katas­tro­phen­jahr war, den­noch zuver­sichtlich ins 2024 starten und auf Gottes Segen zählen. Weil gilt: Jesus Chris­tus, gestern und heute und der­selbe auch in alle Ewigkeit. Amen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert