2. Mose 20,3; Markus 12,30 u.a.
Gehalten am 21.01.2024 in der EMK Adliswil
Copyright: www.merkur.de
Liebe Gemeinde,
in einem katholischen Kindergarten soll sich Folgendes zugetragen haben: Es ist Morgen. Die Schwester Kindergärtnerin ist gerade dabei, die Kinder im Kreis zu sammeln und wartet, bis die Letzten auch noch still sind. Da sieht sie draussen vor dem Fenster ein Eichhörnchen über den Spielplatz springen und im Baum verschwinden. Es geht ganz schnell und von den Kindern hat keines etwas bemerkt. Sie macht also ein kleines Rätsel und sagt zu den Kindern: „Wisst Ihr was? Ich habe gerade etwas ganz Tolles gesehen. Klein, braun, schnell. Mit einem grossen, buschigen Schwanz. Was war das wohl?“ Die Kinder machen grosse Augen. Aber keines sagt etwas. „Ach kommt. Das wisst ihr! Ein Tier, das gut klettern und hüpfen kann!“ Da meldet sich dann doch einer und meint: „Na ja. Ich würde ja sagen, dass es ein Eichhörnchen war. Aber so, wie ich den Laden hier kenne, muss es wohl etwas mit dem Jesuskind zu tun haben!“
Damit hat er es zwar auf die Spitze getrieben. Aber ganz falsch liegt er dennoch nicht. In der Kirche hat alles mit Jesus zu tun oder wird zu ihm in Bezug gebracht. Das Eichhörnchen bleibt natürlich ein Eichhörnchen. Aber wir wissen, dass auch es von Gott geschaffen ist und wie alle Geschöpfe entsprechenden Respekt verdient. Albert Schweitzer z.B. hat von der nötigen Ehrfurcht vor allem Leben gesprochen.
In der Predigtreihe über Werte der Gemeinde/Kirche geht es heute darum, dass Gott im Zentrum sein und bleiben muss. Im SLI-Prozess haben wir es so zu formulieren versucht: Der dreieinige Gott ist unser Mittel- und Ausgangspunkt. Im Hintergrund steht zunächst das erste der zehn Gebote: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ (Ex 20,3). Dann, neutestamentlich, ist aus dem Doppelgebot der Liebe zitieren: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft.“ (Mk 12,30). Wobei das ja genau genommen auch alttestamentlich ist. Wir haben es in der Schriftlesung gehört. Wirklich neutestamentlich wäre dann z.B. Kolosser 1,15–17: „Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.“
Gott ist nicht nur für die kirchliche Organisation und in Veranstaltungen, sondern für unser ganzes Leben und Glauben und für unsere Sicht auf die Welt, was die Sonne für das Sonnensystem ist. Das Sonnensystem besteht nebst dem Zentralgestirn aus acht Planeten, diversen Kleinplaneten, unzählige Asteroiden und Kometen. Manche vermuten sogar, dass es weit ausserhalb der Bahn des Pluto noch mindestens einen weiteren Planeten geben müsse. Den hat allerdings bisher noch niemand entdeckt. Aber auch er würde, wie alles andere um die Sonne kreisen, in der sich über 99% der Masse des ganzen Sonnensystems konzentriert. Sie hält alle Körper im Sonnensystem auf einer stabilen Umlaufbahn. Alles Licht im Sonnensystem kommt von ihr. Und für die Erde, auf der es Leben gibt, gilt: Alle Energie, die dieses Leben (ver)braucht gibt es nur dank der Sonne.
Wie die Sonne alles im Sonnensystem bestimmt und trägt, so soll Gott im Miteinander der Gemeinde und im Leben und Glauben der Gläubigen die bestimmende Grösse sein. Wir wollen nicht vergessen, dass alle Kraft, alle Energie, alle Liebe letztlich von ihm kommt. Wir erweisen ihm dafür Dank und Ehre. Und was immer wir auf dieser Welt sehen und erleben, bringen wir in Beziehung zu ihm, zu seiner Liebe. Wir versuchen, die Welt mit seinen Augen wahrzunehmen und zu handeln, wie es ihm bzw. seinem Willen entspricht. Darum geht es bei diesem Wert: Gott trägt uns. Gott inspiriert uns. Gott eicht unsere Sicht auf die Welt und das Leben. Seine Liebe tragen wir ihm Herzen. Und wir gestalten eine liebevolle Beziehung zu ihm.
Nun ist das in der Theorie wenig überraschend. So stellen wir uns alle mehr oder weniger eine Gemeinde vor. Herausfordernd ist auch nicht die Theorie. Sondern die Praxis: Wie machen wir das? Welche Handlungen, welche Gedanken, welche Worte helfen, dass es nicht nur Wunschdenken ist, sondern immer wieder Realität wird? Dass es stimmt: Der dreieinige Gott ist unser Ausgangs- und Mittelpunkt.
Darüber liesse sich ausführlichstens Predigen. Doch das halte ich nicht für zielführend. Schliesslich haben wir alle unseren Anteil daran, ob und wie weit Gott für uns bzw. bei uns im Zentrum ist. Und alle haben einen wesentlichen Erfahrungsschatz dazu. Darum bitte ich Sie jetzt, den zweiten Teil der Predigt (es gibt nachher noch einen dritten Teil) mitzugestalten:
- Für sich oder in 2er-4er-Gruppen: Was mache ich, damit Gott im Leben im Zentrum ist und bleibt? (® Bitte in erster Linie positive Erfahrungen: Was gelingt wo wie?)
- Plenum: Ermutigende und inspirierende Einsichten teilen
Als 3. Predigtteil nun zunächst ein paar Anmerkungen zur Trinität/Dreieinigkeit. Und anschliessend Gedanken zum Gebot der Gottesliebe.
Ich habe bisher einfach von Gott gesprochen. Die Formulierung unseres Wertes spricht aber betont vom dreieinigen Gott. Was hat es damit auf sich?
- Zunächst enthält dieses Formulierung einen ökumenischen Bezug: Alle christlichen Konfessionen und Denominationen sind sich einig: Der eine Gott zeigt sich in drei Personen: Als Vater und Schöpfer; als Sohn und Retter; als Heiliger Geist. Mir ist wichtig: Auch wenn wir auf unser Unterwegssein als EMK Adliswil-Zürich 2 zuspitzen, bewegen wir uns doch im grösseren Rahmen der einen Kirche Christi. Dazu gehört nicht nur die weltweite EMK. Sondern dazu gehören alle christlichen Kirchen.
- Als Menschen sind wir verschieden. Wir haben unterschiedliche Begabungen, Sichtweisen und Gedanken. Darum finden wir auch nicht alle von derselben Seite Zugang zu Gott. Den einen liegt z.B. der Weg über die Schöpfung zum Schöpfer am nächsten. Andere haben eine besondere Sensibilität für die Kraft des Heiligen Geistes. Und die dritten orientieren sich zuerst am Menschen Jesus von Nazareth, in dem Gott uns Bruder geworden ist. – Alle diese Zugänge zu Gott haben ihren Wert und ihre Berechtigung. Man kann nicht sagen, dass der eine mehr oder der andere weniger gelte. Denn sie führen zum gleichen Gott, der unser Mittel- und Ausgangspunkt sein und bleiben soll. Wir treffen uns also von verschiedenen Seiten beim dreieinigen Gott, der uns liebt und aufnimmt.
- Mehr als Randbemerkung, m.E. aber doch wichtig: Wenn wir von der Dreieinigkeit reden, ist uns bewusst, dass dies ein, freilich weit herum akzeptiertes Interpretationsmodell ist. Ausdrücklich formuliert ist die Trinitätslehre in der Bibel nicht. Die Christenheit brauchte vier Jahrhunderte, um sich darauf zu einigen: Die Lehre von der Dreieinigkeit fasst zusammen, wie Christen die Bibel verstehen (wollen).
Schliessen möchte ich nun mit Gedanken zum Gebot der Gottesliebe, das Jesus, Dtn 6,4f zitierend, zusammen mit der Nächstenliebe als wichtigstes/höchstes Gebot bezeichnet hat: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft.“
Zunächst: Jesus hat das selbst gelebt. Es war seine höchste Maxime: Die Liebe zu Gott kommt zuerst. So hat er dem Versucher entgegen gehalten: “Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen!” (vgl. Mt 4,10) Liebe, Anbetung kommt zuerst. — Und Jesus hat es seine Jünger gelehrt. Genau diese Lektion hatte z.B. Petrus zu repetieren, als er am See Genezareth dem Auferstandenen noch einmal begegnete. Dreimal wurde er gefragt: “Liebst du mich?” (vgl. Jh 21,15ff). Und Petrus erfuhr: Wer diese Frage bejaht, erhält Aufträge von Gott.
Die Liebe zu Gott kommt zuerst, Sie ist das Zentrum des Glaubens. Alles andere, sogar Nächstenliebe – ist ’nur’ Konkretion dieser Liebe zu Gott. Das steht im Zentrum: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller Kraft!” – Achten wir noch einen Moment auf die Formulierungen dieses Satzes:
Wir sollen Gott von ganzem Herzen lieben. Für die Bibel ist das Herz mehr als nur der Sitz der Gefühle. Es ist das Zentrum der ganzen Person. Für Herz kann man deshalb auch einsetzen: Einstellung, Haltung, Standpunkt oder Persönlichkeit. Mit allem, was ich bin, soll ich Gott lieben.
Das Herz ist wie eine Wohnung. Wer darin wohnt, bestimmt mein Leben. Gott will sich in meinem Herzen einmieten. Er will bestimmen, was im Haus meines Herzens vor sich geht. Paulus fragte die Korinther: “Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?” (1.Ko 3,16f; vgl. auch 1.Ko 6,19). Und den Galatern gegenüber formulierte er: “Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir” (Gal 2,20).
Gott von ganzem Herzen zu lieben heißt: ‘Ich stehe zu Gott. Ich stehe hinter dem, was die Bibel sagt. Jedes Thema, jeden Gedanken will ich mit Gott in Verbindung bringen. Von ganzem Herzen, mit allem, was ich bin und habe, vertraue ich mich Gott an. Gott ist die Hauptsache in meinem Leben!’
Wir sollen Gott von ganzer Seele lieben. Wenn das AT von der ‘Seele’ redet, dann meint es – wie soll ich sagen — die biologische Lebendigkeit des Menschen. Wenn er sich bewegt, Luft holt, schläft, singt, spielt, redet oder isst.
Der 2.Schöpfungsbericht erzählt, wie Gott den Menschen aus Lehm modellierte und ihm danach Leben einhauchte. Für diesen Hauch, diesen Lebensodem braucht das AT dasselbe Wort wie für ‘Seele’. Gott von ganzer Seele lieben heißt, ihn mit jeder Faser seines Lebens zu lieben. Jeder Pulsschlag, jeder Atemzug soll Ausdruck meiner Liebe zu Gott sein.
An einem JS-Nachmittag sollten Kinder andere Leute fragen, was sie von Gott halten. Einer antwortete: ‘Gott ist für mich Luft!’ Die Antwort frustrierte das Kind zunächst, bis es darauf kam: Wenn Gott für einen Menschen wie Luft ist, dann zieht er ja Gott mit jedem Atemzug in sich ein. Ja, der hat Gott in sich drin. Gott mit ganzer Seele lieben heißt, auch mit dem Körper Gott zu spüren. Das geschieht z.B. beim Abendmahl. Aber auch, wenn man mit geistlichen Augen die Natur erlebt. Wer sich im Sommer ein Bad im Rhein gönnt, die Schöpfung geniesst und den Schöpfer preist, der liebt Gott von ganzer Seele. Wer im Sommer staunt, dass die Haut bräunt durch die Sonne oder wer im Winter einmal ganz in Ruhe betrachtet, wie sich am Arm wegen der kalten Luft eine Gänsehaut bildet — wer dann staunt, wie Gott unseren Körper so einzigartig geschaffen hat, dass er auf Sonne und Kälte angemessen und schützend reagieren kann, der ist mit der ganzen Seele bei Gott. Der erlebt Gott mit jeder Faser seines Körpers. Wer Gott mit seiner ganzen Seele liebt, der erlebt Gott mit all seinen Sinnen.
Hauptsache Gott. Ihn sollen wir mit ganzem Herzen und ganzer Seele lieben — und mit all unserer Kraft. Das hebräische Wort, das an dieser Stelle steht, bedeutet Leidenschaft oder voller Einsatz.
In der Schiffahrt gibt es das Kommando: „Halbe Kraft voraus!“, wenn das Schiff in normalem Tempo und ruhigem Motor fahren soll. Gott mit all unserer Kraft lieben, bedeutet: Volle Kraft voraus zu fahren. Nicht mit Einsatz sparen.
Das alles ist mitgemeint, wenn wir als Wert formulieren: Der dreieinige Gott ist unser Mittel- und Ausgangspunkt. Wichtig ist zuletzt aber noch: Gott von ganzem Herzen zu lieben, das ist das erste und wichtigste Gebot. Aber es ist nicht das erste in unserem Leben. Denn unsere Liebe zu Gott hat eine Voraussetzung: Die Liebe Gottes zu uns. Allem, was wir tun und denken können, geht Gottes Liebe zu uns voraus. Was wir als Wert formuliert haben, ist also nicht das erste, sondern das zweite. Es ist unsere Antwort auf Gottes Liebe. — Paulus schreibt einmal: “Christus ist für uns gestorben, als wir noch Sünder waren!” (vgl. Röm 5,8). Und der 1.Jh lädt ein: “Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt” (1.Jh 4,19)
Glaube und Gemeinde fangen immer wieder an mit der Einsicht: Gott liebt mich / uns! Und darauf können wir antworten. Wir müssen nicht selbst Liebe ‘produzieren’. Sondern die Dankbarkeit für das, was Gott für uns getan hat und die Freude über alles, was er schenkt, lassen unsere Liebe zu Gott entstehen und wachsen. Mit seiner Liebe zu uns macht Gott uns erst fähig, ihn zu lieben. Amen