Predigt am 09.06.2024 in der EMK Adliswil
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Liebe Gemeinde,
EMK steht für evangelisch-methodistische Kirche. Das wissen wir. Aber manche Leute spielen bisweilen gerne ein wenig mit diesen Buchstaben. Sie fragen sich dann: Wofür könnte EMK auch noch stehen? – Schon öfter gehört habe ich zum Beispiel: EMK steht eigentlich für ‚Eine Menge Kommissionen‘. Damit verbindet sich die Kritik, dass wir überorganisiert bzw. überstrukturiert seien. Andere deuten mit Blick auf Konflikte und Spannungen, die das Zusammen Leben und Glauben strapazieren, EMK als ‚Es Menschelt Kräftig‘. Auch das könnte etwas treffen.
Programmatisch war hingegen die Deutung, die Bischof Bolleter vor ziemlich langer Zeit (® 2005) einmal in einer Konferenzpredigt machte: EMK, so sagte er damals, stehe für ‚Eine Miteinander Kirche‘. Das sei vielleicht manchmal mehr Vision als Realität. Aber wir sollten uns dafür engagieren, es besser zu verwirklichen: Eine Miteinander Kirche.
Das Miteinander ist ein entscheidender, unverzichtbarer Faktor jeder Gemeinde/Kirche (nicht nur der EMK). Doch das Miteinander macht noch keine Kirche aus einer Gemeinschaft. Vielmehr ist es die gemeinsame Ausrichtung auf Christus, die uns Kirche/Gemeinde sein oder werden lässt. Christus macht uns zur Kirche. Auf ihn kommt es an. Er muss im Zentrum sein, auf ihn muss die Gemeinschaft ausgerichtet, von ihm muss das Miteinander geprägt sein. Umgekehrt gilt: Alle, die sich nach Christus richten, sind zusammen Kirche — egal wie gut sie sonst zusammenpassen. Sie gehören einfach zusammen, weil sie zu Christus gehören.
So weit die Theorie. In der Praxis ist das eine ständig neue Herausforderung. Uns verbindet, dass uns Christus entscheidend wichtig ist. Darüber hinaus können die Unterschiede gewaltig sein. In den Kirchen sind Menschen nicht weniger divers als sonst in der Gesellschaft: Wir haben unterschiedliche Vorlieben. Wir denken und fühlen widersprüchlich, manchmal sogar gegensätzlich. ChristInnen können so verschieden sein, dass ein gelungenes Miteinander zur grossen Herausforderung wird … und manchmal unmöglich scheint.
Dennoch gehören an Christus Glaubende zusammen in Kirche bzw. Gemeinde. In diesem Punkt ist die Bibel sehr entschieden und ganz eindeutig. Unterschiede, und sollten sie noch so gross sein, dürfen uns nicht trennen. Leibliche Geschwister gleichen sich ja äusserlich auch nicht immer. Und doch gehören sie zusammen zur selben Familie. Genauso ist es mit Geschwistern im Glauben: Sie gehören zusammen.
Diesem Miteinander will ich heute vertieft nachgehen. Dazu schauen wir zurück auf die Zeit der ersten christlichen Gemeinden. Schon damals wurde die Unterschiedlichkeit der Menschen in den Gemeinden zum Stein des Anstosses. Die erste grosse Herausforderung bestand darin, mit der Verschiedenheit von Judenchristen und Heidenchristen klar zu kommen.
Judenchristen und Heidenchristen waren ihrer Herkunft nach verschieden. Sie hatten unterschiedliche Vorstellungen von Frömmigkeit. In der Gestaltung ihres Lebens und Glaubens richteten sie sich einander widersprechenden Regeln und Leitwerten. Daraus entstand ein Konflikt. Er eskalierte derart, dass sich sämtliche Apostel in Jerusalem zu einer Art Konferenz trafen (vgl. Apg 15,1ff). Dort einigten sie sich auf Regeln, die das Miteinander fördern und sichern sollten (vgl. Apg 15,22ff). Sie betrafen vor allem den Umgang mit den jüdischen Reinheitsgeboten. So gelang es, die Spaltung der Urkirche zu vermeiden. Im Verlauf der Kirchengeschichte gelang das leider später sehr oft nicht.
Damals in Jerusalem war noch allen klar, dass es nur eine Kirche, also eine gemeinsame aus Juden und Heiden geben konnte. Christus musste das verbindende Element und Kriterium darin sein. Er garantierte für den Frieden, den Heiden und Juden aus eigener Kraft nicht schliessen und halten konnten. In Epheser 2,14–22 – viele Jahre später geschrieben, vermutlich sogar erst von der nächsten Generation ( Paulusschüler) lesen wir davon, wie Christus das Miteinander in der Kirche stiftet und erhält:
Ja, Christus selbst ist unser Frieden. Er hat aus beiden, aus den Juden und den Völkern, ein Ganzes gemacht. Er hat die Mauer niedergerissen, die sie trennte. Er hat die Feindschaft zwischen ihnen beseitigt, indem er seinen Leib hingab. So hat er das Gesetz aufgehoben mitsamt seinen Geboten und Vorschriften. In seiner Person hat er die beiden Teile zu einem neuen Menschen vereint und dadurch Frieden gestiftet. Zugleich hat er die beiden Teile durch seinen Tod am Kreuz als einen Leib mit Gott versöhnt. So hat er durch seinen Tod die Feindschaft getötet. Er kam und verkündete Frieden: Frieden für euch in der Ferne und Frieden für die in der Nähe. Denn durch ihn haben wir beide in ein und demselben Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also nicht mehr Fremde und ohne Rechte in Israel. Ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen und Mitglieder von Gottes Hausgemeinschaft. Ihr seid gegründet auf dem Fundament der Apostel und Propheten, dessen Grundstein Christus Jesus ist. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten. So wächst er zu einem heiligen Tempel empor, der dem Herrn gehört. Weil ihr zum Herrn gehört, werdet auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt. Gott wohnt darin durch den Heiligen Geist. Epheser 2,14–22 (BasisBibel)
Zwei Bilder entfaltet dieser Abschnitt: Das Bild vom Tempel-Bau und das Bild vom Haushalt Gottes. Die Kirche wird zunächst als Tempel gesehen, der zur Ehre Gottes gebaut ist. Die Rede ist von einem gemeinsamen Haus. Dieses ist gebaut auf dem Fundament der Propheten und Apostel und ausgerichtet nach dem Eckstein, Jesus Christus. Die Bausteine mögen verschiedener Herkunft sein. Doch alle werden nach Christus ausgerichtet. Durch ihn gehören beide Teile zusammen. Judenchristliche und heidenchristliche Bausteine werden ineinander gefügt und wachsen gemeinsam zu einem heiligen Tempel.
Das zeigt auch das zweite Bild vom Haushalt Gottes. Damals sah man im Judentum Heiden bestenfalls als Gäste, eher sogar als Fremdlinge. In Christi Haus muss das anders sein. Heiden sind dort Gottes Hausgenossen. Das heisst, sie gehören genauso zur Familie Gottes wie die Judenchristen. Beide sind mit Gott versöhnt und gehören zum selben Haushalt.
Dieser Grundsatz der Zusammengehörigkeit aller ist Basis und Ausgangspunkt der Argumentation. Daran darf nicht gerüttelt werden. Und es soll im Leben sichtbar werden, was der Glaube festhält. Darum lädt der Apostel ein, auf das zu sehen, was verbindet, und nicht auf das, was trennt! Diese Einladung gilt uns heute genauso wie den ersten Gemeinden damals. Sie hat nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren. Weil Menschen immer wieder gefährdet sind, mehr auf das Trennende als auf das Verbindende zu blicken. Abgrenzung scheint oft einfacher als das Knüpfen und Entwickeln von Beziehungen. “Achtet auf das, was uns verbindet!” Und wenn uns sonst nichts verbinden sollte, dann doch der Gott, der uns in Christus mit sich und damit auch miteinander versöhnt hat.
Es ist eigentlich ganz einfach: Sobald der Eckstein gesetzt ist, ist die Ausrichtung des ganzen Gebäudes bestimmt. Und der Eckstein ist gesetzt in Jesus Christus. Solange man sich an ihm orientiert, muss der Gemeindebau gelingen.
In Ephesus scheint man sich aber beim geistlichen Bau der Gemeinde vertan zu haben. Man hatte begonnen, sich darüber zu streiten, welche Steine sich für den Bau eignen. Das hatte zu Polarisierungen geführt. Dagegen hält der Apostel fest: Es taugen alle Steine für den Bau von Christi Tempel. Es gibt nur zwei wesentliche Fragen: die Frage nach dem Eckstein und die Frage nach dem Schlussstein. In dieser Spannung zwischen Fundament und Ziel bauen wir. Wenn Eckstein und Schlussstein richtig gesetzt sind, dann ist der ganze Bau ausgerichtet, gehalten durch den Geist Jesu.
Doch was heisst das nun konkret? Wie bestimmt Jesus Christus als Eckstein den Bau der Gemeinde? – Drei Punkte will ich heute herausstreichen:
- Wo Jesus der Eckstein ist, da ist unter den Bauleuten Einheit und Toleranz. Wer sich an Jesus Christus orientiert, versteht, dass Gottes Haus immer weiter und grösser ist als das Haus einer einzelnen Denomination. Darum arbeiten wir mit allen zusammen, welche Jesus Christus zum Eckstein gewählt haben. Die Orientierung am Eckstein führt uns aus der Enge in die Weite. Da darf uns nicht das Taufverständnis, nicht der musikalische Geschmack, nicht die persönliche Meinung in politischen Fragen, nicht die sexuelle Orientierung voneinander trennen. Sondern das Motto muss sein: Allen, die an Christus glauben, reichen wir die Hand. So hat es John Wesley in seiner Predigt über die ökumenische Gesinnung unterstrichen: Wir gehören zusammen und arbeiten Hand in Hand für das Reich Gottes.
- Die Orientierung am Eckstein entlastet! Das gilt für das persönliche Leben. Das gilt für das Leben der Gemeinde. Welch eine Erleichterung, wenn der Eckstein gesetzt ist und damit die Richtung des Baus gegeben ist. Wir brauchen uns nicht in endlosen Grundsatzdebatten zu erschöpfen. Das Fundament ist gelegt und es wird halten. Darauf können wir frisch-fröhlich drauflos bauen. Wir können etwas wagen ohne die Angst, den Boden unter den Füssen zu verlieren.
- Der Eckstein ist der Anfang für eine neue Welt. Jesus Christus ist nicht nur der Eckstein der Kirche, sondern der Grundstein für eine neue Welt. Wenn wir diese Dimension ausklammern, sinken wir ab in die Mentalität eines frommen Klubs. Der Eckstein Jesus Christus ist auch der Grundstein für einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dort regieren Friede und Gerechtigkeit das Leben ganz. Wir sind eingeladen, als Bauleute an diesem neuen Himmel und der neuen Erde mit zu wirken. Nachfolge Jesu ist keine Privatsache, sondern hat gesellschaftliche und globale Dimensionen: Gott bietet allen Menschen seine Versöhnung in Jesus Christus an. Und wir sind Träger dieser Botschaft für die Welt. Es hängt auch an uns, dass die Menschen vom neuen Himmel, von der neuen Erde hören, die Gott schafft.
Der Epheserbrief plädiert für Eine Miteinander-Kirche ( EMK), in der Christus Eckstein und Schlussstein ist. Der Text spricht von einem Tempel, der wächst. Es gibt da also nicht nur Platz für Juden- und Heidenchristen, sondern auch für viele andere Färbungen des Glaubens, Auch für Dich und mich, für uns und die ganz anderen.
Darum wollen wir unseren Glauben in einer offenen Gemeinschaft und nicht in einer sich abgrenzenden Gemeinschaft leben. Im wachsenden Tempel herrscht eine Kultur der Offenheit und der gegenseitigen Annahme. Jesus Christus ist der Eckstein und der Schlussstein im Gewölbe der Kathedrale. Und unter diesem Gewölbe ist Platz für ‘Nahe’ und ‘Ferne’. In der EMK betont sogar die Kirchenordnung, dass wir nicht nur Kirche für Glaubende, sondern zugleich auch für Suchende sind.
Kirche im Sinne des NT ist eine Miteinander-Gemeinde von ‘Nahen’ und ‘Fernen’, von ‘Starken’ und ‘Schwachen’, von ‘Alten’ und ‘Jungen’ etc. …. Die EMK soll Eine Miteinander-Kirche sein, in der Christus Eck- und Schlussstein ist, eine Kirche, in der Christus verschiedenste Menschen miteinander verbindet.
Wir leben im bzw. als Teil des Haushaltes Gottes. Schon die Apostel haben für inklusive Gemeinden plädiert. Und keine Nischengemeinden gefördert. Wir leben im Haushalt Gottes und nicht in einer frommen Nische. Das war im Verlauf der Kirchengeschichte leider oft nur ein frommer Wunsch. Tatsächlich wurden anders Denkende oder anders Betende ausgegrenzt. So war es – und so ist es leider bis heute immer wieder — zwischen Katholiken und Protestanten. Zwischen Evangelikalen und Charismatikern. Zwischen Landes- und Freikirchlern. Zwischen Liberalen und Traditionellen …. Wenn wir eine Miteinander-Kirche sein wollen, dann taugen solche Etiketten nichts. Dann dürfen wir nicht auf das Trennende schauen (weder zwischen Kirchen noch innerhalb der eigenen Gemeinde), sondern müssen das Verbindende herausstreichen: Jesus Christus, der Eckstein und Schlussstein ist.
Es gibt eine nette Geschichte von G.E.Lessing über die Kirche: “Eine altes Kirchengebäude gab unzähligen Vögeln in ihren Rissen und Lücken Raum zum Nisten. Eines Tages wurde beschlossen die Kirche zu sanieren. Als sie in neuem Glanz dastand, kamen die Vögel zurück, um ihre alten Nistplätze zu suchen. Allein sie fanden sie alle zugemauert und verputzt. Da sagten die Vögel zueinander: Wozu taugt nun dieses grosse Gebäude? Kommt, wir verlassen diesen unbrauchbaren Bau, der uns keine Wohnung mehr bietet.”“
Ich wünsche mir eine Kirche, in der auch die besonderen Vögel und die Fledermäuse einen Platz haben. Ich wünsche mir eine Kirche, wo die Kinder einen Platz haben, wo die Alten einen Platz haben, wo die Fremden einen Platz haben. Das bedeutet aber, dass wir mehr in Beziehungen investieren sollten als in die (Lehr-)Gebäude, Regeln und Strukturen. Dass wir uns mit Gott und untereinander versöhnen lassen.
Der Epheserbrief betont die Einheit in Christus und die Versöhnung aus der diese Einheit wächst. Das gibt Raum für neue Menschen, die anders sind als wir, so wie damals die Heidenchristen im Haushalt Gottes aufgenommen wurden, nicht als Fremdlinge, sondern als Hausgenossen.
EMK: Eine Miteinander-Kirche, in der Christus der Eckstein und der Schlussstein ist.
Guten Morgen Daniel! Achtung: Datum der Predigt ändern…😛
Lieben Gruss und einen gesegneten Sonntag.
Paul Benkö
Danke
Öfters erlebe ich in Gemeinden, dass Leute sagen, ach das mache ich jetzt alleine, geht schneller, bringt weniger Spannungen und endlose Diskussionen. Auf den ersten Blick kann das stimmen, aber dauerhaft bringt uns das nicht weiter. Das Miteinander bringt zwar viele Herausforderungen, aber wer sagt denn, dass wir diese alleine lösen müssen? Das können wir nicht ohne und zu überfordern.
Besinnen wir uns doch auf Menschen in unserem Umfeld die uns wichtig sind.Teilen und Besprechen wir mit ihnen unsere Probleme und fragen sie um Hilfe. Das ist keine Schwäche, sondern Stärke!! Selbst die besten Bergsteiger besteigen den Mount Everest nicht alleine.😊