Predigt zu Lukas 19,28–40 in der EMK Adliswil am 13.04.2025

Copyright: Bildersaal EMK
Liebe Gemeinde,
unsere Zeit kennt eine Unzahl von Stars und Sternchen. Viele von ihnen möchten sogar Super-Star sein. Entsprechend aufwändig inszenieren sie ihre Auftritte und ihre Präsenz auf SocialMedia. Sie suchen Fans und Follower. Je mehr, desto besser. Viele Stars und Superstars suchen Berühmtheit und Applaus. Viele Magazine und Sendungen drehen sich nur um die im Rampenlicht. Bei SRF wird zwar ‚Geschichten & Gesichter‘ (früher: Glanz & Gloria) abgesetzt. Dennoch: Stars sind ein auffälliges Phänomen unserer Zeit.
In der biblischen Geschichte, die zum heutigen Palmsonntag, gehört, legt Jesus einen ganz besonderen Auftritt hin. Man ist zwar nicht ganz sicher, ob er diesen gesucht hat. Oder ob er mehr von den Jünger:innen dazu gedrängt worden ist. Aber die Geschichte erinnert schon an einen Starauftritt.
Darum kann die Frage nahe liegen: Ist Jesus ein Superstar? – Sucht er die grosse Bühne, das Rampenlicht, das Bad in der Menge? – Von Palmsonntag abgesehen wohl eher weniger. Vor zu viel Öffentlichkeit ist er eher geflüchtet. Stille und Abgeschiedenheit hat er geschätzt. Und auf Beifall war Jesus bestimmt nicht aus. Für jeden modernen Imageberater wäre Jesus ein Albtraum gewesen. Er sagte nämlich gerade nicht, was die Leute hören wollten, sondern was er für richtig hielt. Ausserdem: Wenn er Wunder bewirkte, tat er es meist unauffällig, fast schon versteckt. Zum Beispiel die Auferweckung der Jairustochter: Ein Superstar hätte doch eher einen Kameramann mitgenommen als die Leute vor dem Wunder aus dem Haus zu scheuchen.
Ist Jesus ein Superstar? – Pflegte er ein ideales, geschöntes Image von sich? Schlüpfte Jesus wie heutige Superstars bei ihren Auftritten zur Imagepflege in eine Rolle? – Nein, das tat er nicht. Jesus war kein Schauspieler. Echtheit und Authentizität waren ihm sehr wichtig in Begegnungen. Das Gegenüber, der Mitmensch war ihm wichtig. Er tat, was für diesen hilfreich war. Ob und welche Auswirkungen das auf seinen Ruf/sein Image hatte, kümmerte Jesus nicht. Sonst hätte er sich kaum mit Zöllner, Sündern und stadtbekannten Prostituierten abgeben können.
Ist Jesus ein Superstar? – Richtet er sich in seinem Reden und Handeln nach dem, was sich seine Fans wünschen? — Ganz sicher nicht. Jesus hat immer deutlich gemacht, dass er sich in seinem Leben nur nach einer einzigen Instanz richtete: nach dem Willen Gottes. Sehnsüchte und Träume seiner Anhänger hat er zwar ernst genommen. Aber er hat sich davon weder hetzen noch in eine bestimmte Richtung drängen lassen. Vielmehr hat er – klar und bestimmt — Fantasien korrigiert oder zurückgewiesen, wenn sie dem Willen Gottes widersprachen. Ob er damit ‚Fans‘ brüskierte, spielte keine Rolle für Jesus.
Also war Jesus kein Superstar!? – Ganz so einfach ist es dann doch nicht! Immerhin hatte und hat Jesus unzählige Fans. Ausserdem teilt er mit heutigen Superstars mindestens ein Problem: Fans neigen dazu, ihre eigenen Wünsche und Fantasien auf den Star, das Vorbild ihn zu projizieren. Fans erwarten von ihrem Star, dass er diese Träume erfüllt. Passiert das nicht … lassen sie ihren Star fallen. Enttäuschte Fans können schnell zu erbitterten Feinden werden. Der Jünger Judas ist ein gutes Beispiel dafür: Er war ein glühender Anhänger Jesu, gehört zum engsten Kreis. Er hoffte konnte, dass Jesus die Römer vertreiben und das Königtum Davids und Salomos in Jerusalem wieder aufrichten würde. Es wurde aber immer klarer, dass Jesus diese Erwartung nicht erfüllen würde. Da wechselte Judas die Seiten und lieferte Jesus an seine Feinde aus.
Fans können sich gegen ihren Star wenden. Wenn das viele gleichzeitig machen, wenn die Stimmung kippt, dann wird es brutal. Innert kürzester Zeit kann ein hochgejubelter Superstar ins Bodenlose fallen. Jesu eigene Geschichte von Palmsonntag bis Karfreitag zeigt das nur allzu deutlich auf: Zwischen dem triumphalen Einzug in der Stadt Davids und dem Sterben am Kreuz lagen gerade mal fünf Tage. So schnell kann ein Superstar fallen.
Ist Jesus also doch ein Superstar? – Es gibt in den Evangelien mindestens zwei Geschichten, die dazu passen könnten: Lk 7,36–50 erzählt von einer Frau, die sich verhält wie ein Groupie gegenüber seinem Superstar: Sie dringt in ein Haus ein, wo, wie sie weiss, Jesus gerade ein Gespräch mit einem Schriftgelehrten führt. Dort ‚überfällt‘ sie Jesus, küsst seine Füsse ab und salbt sie dann mit einer kostbaren Salbe. Eine Ehrbezeugung, die auf die Zuschauer masslos übertrieben wirkt. Doch Jesus lässt sich das mit einer Geduld gefallen, wie sie sonst nur Superstars ihren Fans gegenüber an den Tag legen.
Die zweite Superstargeschichte ist wie schon angedeutet diejenige zum heutigen Feiertag. Am Palmsonntag zieht Jesus in Jerusalem ein und seine Anhänger – seine Fans? – bereiten ihm einen Starauftritt. Wenn in der Oskarnacht die Filmstars über den roten Teppich schreiten, wenn ein Popstar zum Konzert die Bühne betritt, wenn Roger Federer nach einem Turniersieg ein Interview gewährt … dann ist vieles ähnlich wie bei Jesu Einzug in Jerusalem. Jedenfalls verhalten sich die Fans auf den ersten Blick gesehen gleich.
Vielleicht hatten die Jünger:innen tatsächlich den Lead beim Geschehen. Doch auch das würde passen. Denn Superstars werden nicht zuletzt von den Fans gemacht. Vielleicht ist als gar nicht so wichtig, ob Jesus ein Superstar sei, sein wolle. Sondern es stellt sich die Frage, ob wir Jesus zum Star machen wollen. Und was wir damit wohl bezwecken: Was ist unsere Haltung Jesus gegenüber? Wie behandeln wir ihn?
Ich lese Ihnen nun die Geschichte zum Palmsonntag in der Fassung des Lukas-Evangeliums (Lk 19,28–40). Und geht es mir vor allem um die Frage: Wie stehe ich zu Jesus? Bin ich sein Fan? Oder was sollte sein?
Jesus kommt nach Jerusalem
Jesus zog weiter, hinauf nach Jerusalem. In der Nähe der Ortschaften Betfage und Betanien am Ölberg schickte er zwei seiner Jünger fort mit dem Auftrag: »Geht in das Dorf da drüben! Am Ortseingang werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch geritten ist. Bindet ihn los und bringt ihn her! Und wenn euch jemand fragt: ›Warum bindet ihr den Esel los?‹, dann antwortet: ›Der Herr braucht ihn.‹« Die beiden gingen hin und fanden alles so, wie Jesus es ihnen gesagt hatte. Als sie den Esel losbanden, fragten die Besitzer: »Warum bindet ihr den Esel los?« »Der Herr braucht ihn«, antworteten sie und brachten ihn zu Jesus. Sie legten ihre Kleider über das Tier und ließen Jesus aufsteigen. Während er einherritt, breiteten die anderen Jünger ihre Kleider als Teppich auf die Strasse. Als Jesus dann an die Stelle kam, wo der Weg den Ölberg hinunterführt nach Jerusalem, brach die ganze Menge der Jünger, die Männer und Frauen, in lauten Jubel aus. Sie priesen Gott für all die Wunder, die sie miterlebt hatten. Sie riefen: »Heil dem König, der im Auftrag des Herrn kommt! Gott hat Frieden bereitet im Himmel! Ihm in der Höhe gehört alle Ehre! «Ein paar Pharisäer riefen aus der Menge: »Lehrer, bring doch deine Jünger zur Vernunft!« Jesus antwortete: »Ich sage euch, wenn sie schweigen, dann werden die Steine schreien!« Lukas 19,28–40 (GNB)
Die Szene erinnert schon an den Einzug der Filmstars auf dem Roten Teppich oder den Einlauf von Sportstars ins Wettkampf-Stadion. Der rote Teppich besteht am Palmsonntag zwar ‚nur‘ aus übereinander gelegten Kleidern. Auch der Esel als Reittier ist zumindest eigenwillig. Den Star sähe man eher hoch zu Ross. Doch die Begeisterung der Menschenmenge ist dieselbe wie im Fußballstadion oder am Konzerteingang. Sie gebärden sich wie heutige Fans, die stunden- ja manchmal tagelang warten und dann in Ekstase geraten, wenn der Star ankommt.
Sind es also übermütige und launische Fans, die Jesus am Palmsonntag einen solchen Auftritt bereiten? – Es hat wohl schon solche dabei gehabt. Sie stehen für das Lk-Ev aber nicht im Vordergrund. Fans, die den Superstar letztlich benutzen, um sich selbst zu inszenieren, geben nicht den Ausschlag. Für den Evangelisten wichtig ist hingegen, dass die in der Menge tonangebenden Leute ‚Gott loben und preisen‘. Das ist nicht eine Schwärmerei für den Superstar Jesus von Nazareth. Sondern es geht um die Verehrung Gottes, der sich in den Taten Jesu gezeigt hat. Tonangebend sind am Palmsonntag nicht Fans, die ihren Starkult betreiben, sondern Jünger:innen, die im ursprünglichen Sinn des Wortes Lobpreis machen. Lobpreis meint nämlich vom Wortsinn her: „Die Taten Gottes öffentlich bekannt machen.“ Genau dies passiert hier. Es wird proklamiert, dass in Jesu Reden und Wirken Gott selbst am Wirken ist. Gott soll verherrlicht, sein Name bekannt und gross gemacht werden. Das ist das Anliegen von Jünger:innen, an einem Festtag wie es der Palmsonntag in Jerusalem war genauso wie an schwierigeren Tagen. – Der Jubel vom Palmsonntag ist ja erschreckend schnell verebbt. Und während der Passion Jesu haben selbst die Jünger und Jüngerinnen den Faden verloren. Sie waren nicht mehr fähig, in dem, was geschah, Gott am Werk zu sehen, geschweige denn, dies zu bezeugen. Aber nach Ostern fanden sie zurück zur Überzeugung: In Christus wirkt und lebt Gott selbst, sogar noch in seinem Leiden und Sterben. Und daran haben Christen seither festgehalten und es immer wieder bezeugt, nicht nur an Festtagen, sondern auch im Gegenwind und sogar, wenn sie selbst dadurch gefährdet wurden. So geht es eben nicht darum, Jesus zu verehren, wie ein Fan seinen Star verehrt. Sondern Jünger entdecken in Jesu Wirken Gott selbst. Das bezeugen sie an guten und an schwierigen Tagen.
Die Menschenmenge, die Jesu Einzug in Jerusalem bejubelte, war bunt gemischt. Es gab da nicht nur Jünger:innen, sondern bestimmt auch Fans. Dazu kamen kritische Beobachter, Gegner, Gleichgültige …. Die Jünger:innen konnten an diesem Tag den Ton angeben. Dabei rissen sie nicht nur Fans, sondern auch Beobachter mit.
Was für eine® bin ich wohl? Bin ich ein Fan? Bin ich einer der ‘Anheizer’ im Umzug? Gehöre ich zu denen, die ihre eigenen Hoffnungen und Träume auf Jesus projizieren und ihm nur zujubeln, solange sie von ihm kriegen, was sie wollen? Oder bin ich ein ‘Mitjubler’, der dankbar die Gelegenheit zum Feiern wahrnimmt – ohne sich darum zu kümmern, worum es eigentlich geht? Bin ich nur ein Fan Jesu? Vielleicht gehöre ich aber auch zu den Beobachtern und rätsle darüber, wer Jesus ist. Oder suche ich in dieser Geschichte wie die Gegner das Haar in der Suppe. Will ich Gegenargumente, die mir erlauben, auf Distanz zu bleiben und mich dem Anspruch Jesu auf mein Leben zu entziehen? Oder bin ich ein Jünger, der auch an schwierigen Tagen zu Jesus hält.
Die Palmsonntagsgeschichte fragt mich nach meiner Haltung zu Jesus. Wie verhalte ich mich ihm gegenüber? Nicht nur in der Kirche? Sondern in meinem Alltag? — Mit ist klar: Ich will mehr sein als nur ein Fan von Jesus. Ich will sein Freund, sein Nachfolger, sein Jünger sein. Und Du? Amen