Erntedank-Predigt am 29.09.2024 in der EMK Adliswil
Liebe Gemeinde,
sich Sorgen zu machen, Probleme zu sehen und darüber zu stöhnen fällt vielen oft leicht. Darum sang der deutsche Entertainer Jürgen von der Lippe schon vor bald 40 Jahren: “Guten Morgen liebe Sorgen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen? Na, dann ist ja alles klar ….
Zur Dankbarkeit hingegen müssen sich viele einen Schupf geben. Und aus Dankbarkeit heraus grosszügig zu teilen ist noch weniger selbstverständlich. Dazu habe ich vorletzte Woche zwei Erlebnisse gemacht:
berühren sich Himmel und Erde wirklich? Geht das? Die Sonne, die im Meer versinkt, ist eine optische Täuschung. Was sich in unseren Augen für Momente zu berühren scheint, bleibt eben doch 150 Mio. km voneinander entfernt. Unbestritten ist aber, dass wir uns nach Berührungen des Himmels sehnen. Mit ‚Himmel‘ meine ich dabei, was im Englischen ‚heaven‘ heisst: Der von Gottes Gegenwart erfüllte Himmel. Engl. ‚sky‘ dagegen meint das Blaue über uns, das Firmament oder das weite (und doch sehr leere) Weltall. Das fasziniert zwar, aber wir sehnen uns nicht danach. Wir sehnen uns aber nach dem Zuhause Gottes, eben dem ‚Heaven‘. Gibt es Berührungen damit? – Die Bibel erzählt z.B. vom Besuch Gottes bei Abram und vom Gespräch der Emmausjünger mit dem Auferstandenen. Das sind sehr konkrete Erfahrungen von Berührung durch den Himmel. Doch das war vor langer Zeit. Gibt es so etwas auch heute?
Wir sind unterwegs, sind Auf dem Weg: Ob tatsächlich auf einer Wanderung oder nicht, ob im Alltag in Beruf, Familie, Freundeskreis und Freizeit. Wir sind auf dem Weg. Auch im Glauben sind wir unterwegs. Wir gehen weiter, können nicht bleiben, wo wir sind, dürfen und müssen uns weiterentwickeln. Auf diesem Weg sind wir zugleich eingeladen und herausgefordert, unterwegs zu Hause zu sein. So habe ich es heute vor einer Woche formuliert.
Unterwegs zu Hause sein kann ich in Beziehungen, mit anderen Menschen und mit Gott. Ich bin auf dem Weg nicht allein, sondern lebe in Beziehung. In der Kommunikation, indem ich gehört, gesehen und angesprochen werde, finde ich Geborgenheit. So kann ich unterwegs zu Hause sein.
der Wanderstecken in meiner Hand zeigt an, dass auch heute Bezüge zu meiner Wanderung im Sommer Teil der Predigt sind. Zum Einstieg sehen Sie das Thema eingeblendet: Unterwegs zu Hause. – Was löst diese Formulierung in Ihnen aus? Leuchtet sie ein? Stört sie? Löst sie Widerspruch aus?
Am letzten Sonntag lautete das Thema: Auf dem Weg. Es ging darum, wie sehr unser Glauben und Leben auf dem Weg geschieht. Heute spitze ich das mit ‚unterwegs zu Hause‘ zu. Damit teile ich eine Frage mit Ihnen, die mich schon lange begleitet und die auf dem Weg neue Aktualität gewann. Ohne dass ich sie abschliessend beantworten könnte.
Doch der Reihe nach: Wir sind Auf dem Weg. Jesus nachfolgen bzw. an Christus glauben bedeutet: auf dem Weg sein. Ob uns immer klar ist, wie sehr wir damit herausfordert sind? Mit Jesus auf dem Weg sein ist eigentlich eine nomadische Lebensform. Das Nomadische ist uns aber ziemlich fremd. Als Gesellschaft stehen wir ihm ja ziemlich kritisch oder sogar ablehnend gegenüber: Fahrende werden als ‚Zigeuner‘ beschimpft und auf wenige und kleine Flächen begrenzt. Mit Migration haben wir grosse Schwierigkeiten. Selbst Flüchtende nehmen wir eher grummelnd auf. Unser Lebensstil ist sesshaft. Wir haben uns unser ‚Plätzchen‘ erobert, das wir energisch verteidigen. – Ich habe den Eindruck, dass das nicht nur für unser Wohnen und Leben gilt. Sondern auch für unsere Überzeugungen, Konzepte und Gedanken.
Auf dem Weg – Schon in der Bibel kommt das Stichwort ‚Weg‘ häufig vor. Oft als Bild für den Glaubensweg, den Lebensweg, ja das Leben überhaupt. 1678 veröffentlichte der englische Baptistenprediger John Bunyan sein Buch ‚Pilgerreise zur seligen Ewigkeit (original: ‚The Pilgrim’s Progress from this World to That Wich is to Come‘). Es wurde zu einem der bekanntesten Bücher der Weltliteratur und trug dazu bei, das Bild des Weges zum zentralen Begriff der Glaubenssprache zu machen. Heute trägt seit längerem auch der Pilgerboom dazu bei, dass ‚Weg‘ als zentrales Element von Spiritualität (nicht nur der christlichen) wahrgenommen und verstanden wird.
EMK steht für evangelisch-methodistische Kirche. Das wissen wir. Aber manche Leute spielen bisweilen gerne ein wenig mit diesen Buchstaben. Sie fragen sich dann: Wofür könnte EMK auch noch stehen? – Schon öfter gehört habe ich zum Beispiel: EMK steht eigentlich für ‚Eine Menge Kommissionen‘. Damit verbindet sich die Kritik, dass wir überorganisiert bzw. überstrukturiert seien. Andere deuten mit Blick auf Konflikte und Spannungen, die das Zusammen Leben und Glauben strapazieren, EMK als ‚Es Menschelt Kräftig‘. Auch das könnte etwas treffen.
Programmatisch war hingegen die Deutung, die Bischof Bolleter vor ziemlich langer Zeit (® 2005) einmal in einer Konferenzpredigt machte: EMK, so sagte er damals, stehe für ‚Eine Miteinander Kirche‘. Das sei vielleicht manchmal mehr Vision als Realität. Aber wir sollten uns dafür engagieren, es besser zu verwirklichen: Eine Miteinander Kirche.
an der Liebe Gottes kommt man in der Kirche nicht vorbei. Manchmal könnte es einem fast zu viel werden! — Heute ja schon wieder ganz am Anfang: „Die Liebe Gottes sei mit euch allen!“ Immerhin in der Form eines Zuspruchs, einer Zusage. Und nicht als Forderung: „Liebt einander!“ – „Liebt mehr oder liebt besser!“ – Die Forderung könnte nämlich schmerzliche Erinnerungen wecken: An Momente, in denen wir anderen Liebe schuldig geblieben sind. Und an Momente, in denen andere Liebe uns gegenüber vermissen liessen und uns so verletzten. Tja, die Liebe. Das ganze Jahr 2024 steht unter dem Motto: «Alles, was ihr tut, geschehe aus Liebe!» (Jahreslosung aus 1.Kor 16,14). Was für ein hoher Anspruch! Und wie traumhaft, wenn es gelingen könnte! Aber, ist das realistisch?
Predigt am 19.05.2024 (Pfingsten) in der EMK Adliswil
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Liebe Gemeinde,
Anders, als geplant! – Die Geschichte von Jesus verlief nie so, wie sie Menschen geplant hätten: Der Retter als armes Kind in einer Krippe statt als König im Triumphzug. Der erwartete Messias kein Kriegsheld, sondern ein Wanderprediger. Überwindung von Schuld und Not durch Leiden…. Es war und lief alles anders, als es die Hüter von Tradition und Glaube erwartet, geplant hatten. Und so ging es weiter: Der Tod nur als Durchgangsstation. Die Auferstehung. Und dann Pfingsten. Auch dieser Tag war ganz anders als geplant …
„In jener Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr zu einem Menschen sprach und ihm etwas offenbarte.“ So stellt das 1. Samuelbuch fest: Gott zog sich zurück. Er schwieg. Und vielen fiel das nicht einmal auf. Sie wussten nichts mehr davon, wie wichtig Gottes Reden für das Gelingen ihres Lebens gewesen wäre.
Und heute? Wir hören viele Stimmen. Auch viele laute und gewaltige Stimmen. Und Gottes Stimme? Er scheint oft zu schweigen. Oder seine Stimme wird übertönt, weil er leise redet. Dabei wäre es doch so wichtig, dass Gott gehört wird! Auf ihn selbst, nicht auf sein Bodenpersonal. Müsste er uns nicht den Weg weisen können zu einem besseren Mit- und Füreinander? Hätte er nicht sehr viel zu sagen zu Krisen und Konflikten, zu Katastrophen und zum Siegeszug des Egoismus? Doch Gottes Stimme ist kaum zu hören. Auch in Kirchen und Gemeinden ist es seltener, als wir uns wünschen. – So kommt es, dass unter Christen immer wieder ‚‘hörendes Gebet‘ gefordert, propagiert und gefördert wird. Es sei wichtig, mehr, intensiver, engagierter auf Gott zu hören.
Das sehe ich auch so. Auf Gott hören ist wichtig und kommt oft zu kurz. Dennoch habe ich auch meine Fragen, wenn ‚hörendes Gebet‘ oder ein bestimmtes Vorgehen beim ‚hörenden Gebet‘ zur Methode erhoben wird. Es klingt mir zu einfach, zu sehr nach Rezept. Schliesslich kann niemand mit Zuhören Gott zum Reden zwingen. Und wenn er schweigt, sagt auch das etwas.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ Die Jahreslosung 2024 konzentriert Entscheidendes in ganz wenigen Worten. Es kommt darauf an, dass die Liebe wirksam wird. Paulus hat in 1.Kor 13, dem berühmten Hohelied der Liebe, ausführlicher so formuliert: „Stellt euch vor: Ich kann die Sprachen der Menschen sprechen und sogar die Sprachen der Engel. Wenn ich keine Liebe habe, bin ich wie ein dröhnender Gong oder ein schepperndes Becken. Oder stellt euch vor: Ich kann reden wie ein Prophet, kenne alle Geheimnisse und habe jede Erkenntnis. Oder sogar: Ich besitze den stärksten Glauben –sodass ich Berge versetzen kann. Wenn ich keine Liebe habe, bin ich nichts. Stellt euch vor: Ich verteile meinen gesamten Besitz. Oder ich bin sogar bereit, mich bei lebendigem Leib verbrennen zu lassen. Wenn ich keine Liebe habe, nützt mir das gar nichts.“ Und dann am Schluss dieses Kapitels: „Was bleibt, sind Glaube, Hoffnung, Liebe –diese drei. Doch am grössten von ihnen ist die Liebe.“
Die Liebe ist die Hauptsache beim Leben und Glauben. Dem würde niemand widersprechen, der oder die sich an Christus orientiert. Und doch ist es kompliziert: Weil schöne Worte über die Liebe nur das eine sind, diese Liebe im Leben konkret werden zu lassen aber etwas ganz anderes. Weil Liebe oft mit Verliebtsein verwechselt wird. Weil nicht Gefühle, sondern ein entschiedenes Ja zum Mitmenschen gemeint ist. Weil Liebe so etwas Grosses ist, dass gut gemeinte fromme Worte der Realität kaum standhalten. Weil es zu einfach klingen will zu sagen: ‚Hauptsache, du hast Jesus lieb. Sonst braucht es nichts!‘ (vgl. Themenformulierung).