beginnen wir heute mit einem Gedankenspiel: Am Freitagabend lagen bei Euro-Millions, einem euopaweiten Lottospiel, 125 Mio. Fr. im Jackpot. Stellen Sie sich vor, Sie hätten diesen Jackpot geknackt! Damit hätten Sie auf einen Schlag genug Geld, um nie mehr arbeiten zu müssen und könnten sich fast alle Wünsche erfüllen.
Was würden Sie damit machen?
Wieviel ‘darf man’ bzw. ‘darf ein Christ’ für sich selbst behalten?
Warum dieser Einstieg in die Erntedankpredigt? – Es ist ganz einfach: Im Predigttext, den die Perikopenordnung in diesem Jahr für das EDF vorschlägt, geht es genau um diese Fragen. Ich lese Lukas 12,13–21:
Paulus schreibt, die Liebe sei das Grösste. Sie übertreffe sogar Glauben und Hoffnung (vgl. 1.Kor 13,13). Schliesslich: Wenn wir lieben, verschenken wir uns selbst. Mehr, Wertvolleres kann niemand geben. Aber Liebende sind auch verletzlich. Darum überlegen wir uns genau, wem wir wann wieviel Liebe schenken. Und knausern oft dabei. Aus Angst, verletzt zu werden. Aus Sorge, uns selbst zu verlieren.
Darum wirkt die Geschichte von der Salbung Jesu durch eine Frau (→ ntl. Schriftlesung) befremdlich. Diese Frau übertreibt doch. Sie ist so masslos in ihrer Liebe zu Jesus. Das scheint unvernünftig, und auch unanständig. Wir können die Jünger verstehen, die sich kritisch äussern.
Doch Jesus gibt ihnen nicht Recht. Er will zeigen: Liebe ist nicht dosierbar. Sie ist mehr als grosszügig, ist verschwenderisch. Diese Frau setzt genau Gottes Idee und Vorbild um. Denn auch er ist in seiner Liebe grenzenlos. Unvernünftig vielleicht. Sicher verschwenderisch. Das ist die Idee. So ist Liebe. Darum ist sie die Grösste. Bei anderer Gelegenheit hat Jesus dieses Wesen von Gottes Liebe in einer Beispielgeschichte veranschaulicht. Ich lese Markus 4,1–8 :
wissen Sie, was das ist? – Das ist ein Pharisäer. Jedenfalls kriegt man so etwas vorgesetzt, wenn man im Norden Deutschlands im Restaurant einen Pharisäer bestellt. Bei uns würde man es wohl Café mélange nennen …. jedenfalls bis zum ersten Schluck. Danach müsste man wohl noch einmal über die Bücher. Denn es ist kein gewöhnlicher Kaffee. Unter der Sahnehaube versteckt sich vielmehr Kaffee und Rum im Verhältnis 1:1! Es heisst, die Friesen hätten früher mit diesem Getränk gerne Pastoren und andere strenge Personen irre geführt. Die Sahnehaube verhindert nämlich, dass man den hochprozentigen Zusatz riecht. Der Pastor, dessen Tasse genau gleich aussah, aber eben keinen Rum enthielt, schöpfte so keinen Verdacht und stellte keine unangenehmen Fragen. Und weil dieses Getränk eben nicht ist, was es zu sein vorgibt, gab man ihm den Namen Pharisäer.
Schliesslich gelten die Pharisäer als sprichwörtliche Heuchler. Die Bezeichnung ist ein Schimpfwort. Das war sie übrigens schon zu ntl Zeiten. ‘Pharisäer’ war schon damals keine Selbstbezeichnung. Die damit gemeinte jüdische Gruppe bezeichnete sich selbst als ‘chaverim’ = ‘Freunde (der Schrift). – Als war es schon damals wie noch heute: ‘Pharisäer’ ist man nie selber. Das sind immer die anderen.
Anstelle einer Schriftlesung: NACHERZÄHLUNG VON GENESIS 28,10–22
Im Zentrum steht heute eine ganz bekannte Geschichte aus der Bibel, genauer gesagt: aus dem AT. Um diese Geschichte gut zu verstehen, muss man aber noch ein paar Sachen wissen. Z.B. hilft es zu wissen, wie sich die Menschen vor ~ 4000 Jahren die Welt vorgestellt haben:. Wir wissen ja heute, dass die Welt eine Kugel ist. Das wussten aber z.B. Abraham, Isaak und Jakob noch nicht. Sie nahmen an, die Erde sei eine riesige Platte. Und hoch darüber hing, wie eine Glocke oder ein Zeltdach, der Himmel, an dem sich tagsüber die Sonne und nachts Mond und Sterne bewegten. Dabei war das Blaue, das man an schönen Tagen vom Himmel sieht, in ihrer Vorstellung nur die Aussenwand der Wohnung Gottes und der Engel. Also ganz einfach: Unten auf der Erde wohnten die Menschen, hoch oben hinter dem blauen Himmelszelt wohnte Gott. Nun nahm man an — und das ist jetzt wichtig für unsere Geschichte -, dass es irgendwo, weit weg von den Zelten der Menschen, einen Ort geben müsse, wo sich Himmel und Erde berührten. Beim Sonnenuntergang sah man ja ganz deutlich wie die Sonne weit weg, hinter dem Meer oder hinter den Bergen, dort verschwand, wo sich Himmel und Erde berührten. Irgendwo dort also, weiter weg als ein Mensch je gekommen war, musste es einen Ein- und Ausgang des Himmels geben, einen Ort, an dem Engel und auch Gott selbst vorbeikamen, wenn sie die Erde besuchten. — Unsere Geschichte erzählt, wie einer – Jakob – diesen Ort gesehen hat.
«Wir sind dein Eigentum, wir sind in deinen Händen!» So haben wir gesungen. Zu unserem Eigentum wird, was wir kaufen, erben oder was wir selbst herstellen, schaffen. Demnach sind wir seit je, von Anfang an, Gottes Eigentum. Denn er hat uns geschaffen. Der heutige Predigttext braucht aber auch das Bild vom Kaufen. Dabei klingt es sogar wie bei einer Versteigerung: «Ich habe Ägypten als Kaufpreis für dich bezahlt, dazu noch Nubien und Seba. Du bist kostbar und wertvoll für mich, und ich habe dich lieb», heisst es in Jes 43,3f. Mit anderen Worten:Gott bietet unvorstellbar viel für sein Volk Israel: Mehr als die drei mächtigsten Reiche zusammen damals wert waren zusammen. So viel wirft er in die Waagschale, um Israel wieder sein nennen zu können. In heutigen Zahlen: Das BIP der drei stärksten Volkswirtschaften (USA, China, Japan) summierte sich 2021 auf 45.6 Bio $. Ein kleines Volk (Israel) ist Gott so viel wert. Wenn das keine Liebeserklärung ist! Eine eindrückliche Liebeserklärung. – Gut, das mit der heutigen Statistik ist exegetisch wohl etwas abenteuerlich. Aber es zeigt die Dimension. Gott macht Israel eine unüberbietbare Liebeserklärung. – Und wir wissen: Wer eine Liebeserklärung erhält, wird gestärkt, begeistert, wohl sogar euphorisiert. Erhält Rückenwind, findet Mut und Tatkraft.
von ‚Work-Life-Balance‘ wird viel geredet. Das ‚Mode-Wort‘ bringt auf den Punkt: Arbeit und Vergnügen, Pflicht und Kür, Anstrengung und Ausruhen sollen im Gleichgewicht sein. Wenn die Balance verloren geht, steht die Gesundheit der Seele auf dem Spiel.
Ich weiss genau, was damit gemeint ist. Es war nämlich ein Auslöser der Depression vor einigen Jahren, dass ich diese Balance verloren hatte. In der Therapie ging es deshalb immer wieder darum, wie die ‚Work-Life-Balance‘ wieder zu gewinnen und ‚abzusichern‘ sei. – Dabei hatte ich aber nicht immer ein gutes Gefühl. Manchmal schien mir, das Thema gewinne zu viel Gewicht. Und mich beschlich dann die Sorge, dass so Denken und Fühlen auch egoistisch entgleisen könnten. Wenn ich nur noch frage: Was will ich? Was tut mir gut? Was halte ich aus? …
Wie lässt sich das vermeiden? Wie behält man die Balance, nicht nur zwischen ‚work‘ und ‚life‘, sondern auch zwischen ‚ich‘ und ‚du‘? – Hilfe finde ich im sogenannten Doppelgebot der Liebe: Jesus bezeichnet die Liebe als das höchste und wichtigste biblische Gebot. Die Liebe sei das Mass aller Dinge (vgl. dazu auch 1. Kor 13, das ‚Hohelied der Liebe‘), das grundlegende biblische Prinzip. Dabei redet Jesus von der Liebe in einer dreifachen Ausprägung: Liebe zu Gott, Liebe zu den Mitmenschen und der Liebe zu sich selbst. Diese drei sind zueinander auszubalancieren. Hören wir also das sogenannte Doppelgebot der Liebe, das eigentlich ein Dreifachgebot ist: Markus 12,28–34
ein Wunder Jesu hat die ersten Christen ganz besonders beeindruckt: Die Speisung der 5000. Sie ist nämlich die einzige Wundergeschichte, die von allen vier Evangelien erzählt wird. — Was macht gerade diese Geschichte so besonders?
Vielleicht der Umstand, dass die Jünger am Wunder selbst aktiv mitwirkten?
Oder die Botschaft, dass Jesus Menschen leiblich, seelisch und geistlich satt macht?
Fasziniert, dass mit äusserst beschränkten Ressourcen die Not einer unüberschaubaren Menschenmenge gestillt wird?
Letzteres könnte für Christus-Gläubige aber auch eine grosse Herausforderung sein. Denn es bedeutet ja wohl: Du magst dich ganz schwach und hilflos fühlen. Die Not mag überwältigend gross sein. Doch beides spielt keine Rolle. Was zu tun ist, das tue! Fang im Vertrauen auf Gottes Möglichkeiten an zu helfen … und du wirst staunen, was mit und dank ihm möglich wird.
Faszinieren könnte hingegen, dass in der Geschichte eine Art Rezept für ein Wunder steckt: 1. Not wahrnehmen (Menschen haben Hunger), 2. Eigenes Potenzial (Ressourcen = 5 Brote und 2 Fische) wahrnehmen; 3. Sich damit Gott zur Verfügung stellen; 4. Gott danken (bzw. das Vertrauen aussprechen); 5. Anfangen, sich zu engagieren und dann staunen.
Das sind mehr als genug Gründe, sich mit dieser biblischen Wundergeschichte auseinanderzusetzen. Dabei steht für mich im Vordergrunde: Die Gegenüberstellung von lächerlich geringen Ressourcen und beeindruckend grosser Wirkung. Das macht sie für uns nämlich zugleich zum ermutigenden Zuspruch (Einladung zum Vertrauen) und zur grossen Herausforderung (Auftrag zum Tun ohne Angst vor Überforderung). Letzteres – die Herausforderung – wird noch gesteigert, wenn wir den Zusammenhang beachten: Jesu Jünger kamen zurück von einem zwar erfolgreichen, aber äusserst kräftezehrenden Missionseinsatz. Sie waren ausgepumpt, k.o. Ausserdem hatten sie gerade vom brutalen Tod Johannes des Täufers erfahren. Darum waren sie erholungsbedürftig. –Mk 6,30–44 erzählt so:
„syt dir öpper oder nämet dir Lohn?“ pflegte die legendäre Madame de Meuron unbekannte Leute zu fragen. Nicht nur die Berner Patrizierin ging davon aus, dass sich am Kontostand die Bedeutung einer Persönlichkeit ablesen liesse. Auch über 40 Jahre nach ihrem Tod ist Geld in unserem Land überaus wichtig. So wichtig, dass die Hälfte der Hauptsorgen von SchweizerInnen im Nov 2022 (Sorgenbarometer Credit Suisse) direkt oder indirekt mit Geld zu tun hatten. Viele machen sich Sorgen, sie könnten verarmen. In den News nehmen Wirtschaftsnachrichten immer mehr Raum ein. Immer wieder bleibt am Schluss das Gefühl hängen: „Wir armen Reichen! Wo führt das bloss noch hin mit uns?“ — Natürlich haben wirtschaftliche Entwicklungen weit reichende Folgen. Dennoch jammern wir in der CH auf sehr hohem Niveau. Und das grosse Aufheben, das wir um unser Geld machen, ist vor allem verräterisch: Es zeigt, was uns wichtig ist und was nicht! — Wenn es um unsere Wirtschaft geht, muss der Staat kurzfristig Milliarden riskieren um angeschlagene Banken zu retten. Wenn es aber z.B. um Entwicklungszusammenarbeit ging (d.h. um Nothilfe an arme Menschen), hören wir immer wieder, dass derselbe Staat sich die paar Millionen Fr. dafür nicht leisten könne. – Es scheint schon, als wären unsere Werte aus den Fugen geraten! Die Verhältnisse stimmen doch so nicht …
an Pfingsten geht es um den Heiligen Geist. So weit, so klar … und so schwierig. Denn von dieser Seite ist Gott am schwersten – wenn überhaupt – fassbar. Der Pfingstbericht der Apg zeigt: Gottes Geist bringt Vieles in Bewegung. Dabei geht aber auch Allerlei drunter und drüber. Man kann weder steuern noch kontrollieren, was durch den Geist von Gott her geschieht. Das ist ja gut und irgendwie befreiend. Weil so Verkrustungen aufbrechen und Erstarrungen sich lösen können. Eigentlich wünschte man Kirchen und Gemeinden mehr Wehen des Geistes, vielleicht sogar als Sturm. Doch solcher Wunsch könnte auch ‚gefährlich‘ sein. Weil dabei liebgewordene Gewohnheiten und vertraute Traditionen womöglich weggeweht würden. Was sicher schmerzhaft wäre, vielleicht sogar beängstigend.
Was hat es mit dem Heiligen Geist auf sich? Was ist da in Jerusalem eigentlich passiert? – Der Bericht des Lk deutet zwar Vieles an. Und gibt zugleich Rätsel auf. Denn letztlich sprengt es unser Vorstellungsvermögen: Verständigung über alle Grenzen von Kultur und Sprache hinweg. Auch die Begeisterung der JüngerInnen ist zwiespältig. Zwar schon sympathisch. Aber so ausser Rand und Band zu geraten ist auch verdächtig. Kaum verwunderlich daher, dass Kirchenordnungen Instrumente geschaffen haben um das Wirken des Geistes zu kontrollieren. Für den Preis, dass vom Feuer des Anfangs nur noch ein laues Lüftchen geblieben ist.
manchmal fehlen die Worte. Es verschlägt uns die Sprache, wenn wir Nachrichten aus Kriegsgebieten lesen, von Naturkatastrophen hören oder tragische persönliche Schicksale erzählt bekommen. Wie gerne würde man gerade dann etwas Sinnvolles, Tröstliches sagen. Doch das will nicht gehen. Und dann flüchtet man sich in Floskeln. Z.B.: «Es kommen auch wieder bessere Tage!» Oder sogar: «Alles wird gut!» Dabei fühlen wir: Es ist alles andere als gut!
Ein Beispiel dazu. Es ist unterdessen viele Jahre her: Ein Jungscharleiter, noch keine 20 Jahre alt, verunglückte tödlich. Ein Automobilist hatte ihn auf seinem Velo übersehen und überfahren. Im Gemeindebrief war dann zu lesen: Es hat Gott gefallen, XY zu sich zu rufen. Das löste Empörung und Widerspruch aus: Es kann doch Gott nicht gefallen, wenn ein hoffnungsvolles Leben brutal kaputt gemacht wird. – Eben: Manchmal gibt es keine angemessenen Worte. Gut gemeinte Versuche, dennoch etwas zu formulieren, machen die Sache dann nur schlimmer. – Zwar steht in der Bibel z.B. «Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen» (Röm 8,28). Aber so etwas kann man Trauernden nicht zusprechen. Genauso wie es bestenfalls hilflos wirkt, jemanden mit einer frischen Krebsdiagnose zu trösten mit: «Alles wird gut!»