starker Wind, wie wir ihn diese Tage erlebt haben, kann Spass machen: Man kann Drachen steigen lassen. Oder man kann sich auf freiem Feld gegen den Wind lehnen und ein wenig das Gefühl vom Fliegen erahnen. Stürme können aber auch gefährlich sein. Und es kostet viel Kraft, macht müde, lange Zeit gegen den Wind zu kämpfen. Dauernd im Gegenwind zu stehen, auch im übertragenen Sinn, das wünscht sich niemand. – Heute geht es um Gläubige, die im Gegenwind stehen.
in einem meiner liebsten Segenssprüche heisst es: „Der Gott, der Frieden schafft und Frieden gibt, rüste euch aus mit allen guten Kräften, die ihr braucht, seinen Willen zu erfüllen. Er wirke in euch, was ihm selbst gefällt.“ – ChristInnen reden ja immer wieder vom Willen Gottes und davon, wie wichtig es sei, danach zu leben. Wir beten auch Sonntag für Sonntag: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“ Doch so einfach ist das ja nicht mit dem Willen Gottes! Auch wenn uns z.B. von den zehn Geboten und vom Doppelgebot der Liebe her grundsätzlich klar sein müsste, was Gott will: In der konkreten Situation kann es dann doch schwierig sein: Im Blick auf den Nahostkonflikt z.B.: Bedeutet ‚fest an der Seite Israels zu stehen‘ (wie es gerade in christlichen Kreisen oft und z.T. lautstark gefordert wird) automatisch, ein Gegner Palästinas sein zu müssen?
zwei ehemalige Schulkollegen treffen sich nach vielen Jahren wieder einmal. Sie haben sich natürlich viel zu erzählen. Der erste schwärmt von seinem tollen Job. Ausserdem sei er gerade in sein neues Haus eingezogen. Seine Kinder entwickelten sich prächtig und auch mit seiner Frau sei er eigentlich ganz glücklich. „Was heisst denn da ‚eigentlich’?“ fragt der andere zurück. Und bekommt dann zu hören: „Ja weißt du, wenn wir uns mal streiten, dann wird meine Frau immer gleich historisch!“ Sein Freund korrigiert: „Das heißt aber hysterisch!“ — „Nein, nein,“ beharrt der andere, „ich meine wirklich historisch. Dann zählt sie mir aus zwanzig Jahren Ehe jedes Vergehen, jede Verletzung, jeden vergessenen Hochzeitstag lückenlos auf. In solchen Dingen hat sie ein erstaunliches Gedächtnis!“
Wie sieht bei Ihnen aus? Werden sie manchmal auch ‚historisch’? — Gründe dafür gäbe es wohl mehr als genug. Da ist der Freund, dem ich etwas Persönliches anvertraut habe – und er hat es nicht nur weitererzählt, sondern auch noch Witze darüber gerissen. Da ist der Rivale am Arbeitsplatz, der einem beim Chef schlecht gemacht hat. Das brennt sich ins Gedächtnis und man denkt dabei: „Warte du nur …“ Da ist der Nachbar, der mit Rasenmähen wartete, bis ich es mir in der Hängematte bequem gemacht hatte. Da ist die Freundin, die mir nicht zum Geburtstag gratuliert hat. Da ist ein Lehrer, der mich vor der Klasse blossgestellt hat. Wenn wir an solche Dinge denken – und mögen sie auch Jahre zurückliegen -, dann kann die Wut plötzlich wieder in uns hochkochen …
vermutlich im Sommer des Jahres 50 n.Chr. kam der Apostel Paulus auf seiner zweiten Missionsreise nach Korinth. In der pulsierenden Hafenstadt blieb er eineinhalb Jahre und gründete eine christliche Gemeinde. Diese scheint schnell gewachsen zu sein und hat Menschen unterschiedlichster Couleur angezogen. Die Gemeinde erlebte schon in den ersten Jahren eine turbulente Geschichte. Das spiegelt sich auch in einem wechselhaften Verhältnis zwischen der Gemeinde und ihrem Gründer. Die beiden Briefe an die Korinther lassen da Vieles durchscheinen: Nachdem Paulus weitergezogen war, kamen nämlich andere christliche Missionare nach Korinth. Sie legten neue Schwerpunkte und widersprachen Paulus in manchen Punkten. So entstanden konkurrierende Richtungen in der Gemeinde. Es drohten sogar Spaltungen. Paulus versuchte zu vermitteln, wie sein erster Brief zeigt. Dennoch kam es zum zwischenzeitlichen Zerwürfnis. Schliesslich aber versöhnten sich Paulus und die Korinther wieder.
beginnen wir heute mit einem Gedankenspiel: Am Freitagabend lagen bei Euro-Millions, einem euopaweiten Lottospiel, 125 Mio. Fr. im Jackpot. Stellen Sie sich vor, Sie hätten diesen Jackpot geknackt! Damit hätten Sie auf einen Schlag genug Geld, um nie mehr arbeiten zu müssen und könnten sich fast alle Wünsche erfüllen.
Was würden Sie damit machen?
Wieviel ‘darf man’ bzw. ‘darf ein Christ’ für sich selbst behalten?
Warum dieser Einstieg in die Erntedankpredigt? – Es ist ganz einfach: Im Predigttext, den die Perikopenordnung in diesem Jahr für das EDF vorschlägt, geht es genau um diese Fragen. Ich lese Lukas 12,13–21:
Paulus schreibt, die Liebe sei das Grösste. Sie übertreffe sogar Glauben und Hoffnung (vgl. 1.Kor 13,13). Schliesslich: Wenn wir lieben, verschenken wir uns selbst. Mehr, Wertvolleres kann niemand geben. Aber Liebende sind auch verletzlich. Darum überlegen wir uns genau, wem wir wann wieviel Liebe schenken. Und knausern oft dabei. Aus Angst, verletzt zu werden. Aus Sorge, uns selbst zu verlieren.
Darum wirkt die Geschichte von der Salbung Jesu durch eine Frau (→ ntl. Schriftlesung) befremdlich. Diese Frau übertreibt doch. Sie ist so masslos in ihrer Liebe zu Jesus. Das scheint unvernünftig, und auch unanständig. Wir können die Jünger verstehen, die sich kritisch äussern.
Doch Jesus gibt ihnen nicht Recht. Er will zeigen: Liebe ist nicht dosierbar. Sie ist mehr als grosszügig, ist verschwenderisch. Diese Frau setzt genau Gottes Idee und Vorbild um. Denn auch er ist in seiner Liebe grenzenlos. Unvernünftig vielleicht. Sicher verschwenderisch. Das ist die Idee. So ist Liebe. Darum ist sie die Grösste. Bei anderer Gelegenheit hat Jesus dieses Wesen von Gottes Liebe in einer Beispielgeschichte veranschaulicht. Ich lese Markus 4,1–8 :
wissen Sie, was das ist? – Das ist ein Pharisäer. Jedenfalls kriegt man so etwas vorgesetzt, wenn man im Norden Deutschlands im Restaurant einen Pharisäer bestellt. Bei uns würde man es wohl Café mélange nennen …. jedenfalls bis zum ersten Schluck. Danach müsste man wohl noch einmal über die Bücher. Denn es ist kein gewöhnlicher Kaffee. Unter der Sahnehaube versteckt sich vielmehr Kaffee und Rum im Verhältnis 1:1! Es heisst, die Friesen hätten früher mit diesem Getränk gerne Pastoren und andere strenge Personen irre geführt. Die Sahnehaube verhindert nämlich, dass man den hochprozentigen Zusatz riecht. Der Pastor, dessen Tasse genau gleich aussah, aber eben keinen Rum enthielt, schöpfte so keinen Verdacht und stellte keine unangenehmen Fragen. Und weil dieses Getränk eben nicht ist, was es zu sein vorgibt, gab man ihm den Namen Pharisäer.
Schliesslich gelten die Pharisäer als sprichwörtliche Heuchler. Die Bezeichnung ist ein Schimpfwort. Das war sie übrigens schon zu ntl Zeiten. ‘Pharisäer’ war schon damals keine Selbstbezeichnung. Die damit gemeinte jüdische Gruppe bezeichnete sich selbst als ‘chaverim’ = ‘Freunde (der Schrift). – Als war es schon damals wie noch heute: ‘Pharisäer’ ist man nie selber. Das sind immer die anderen.
Anstelle einer Schriftlesung: NACHERZÄHLUNG VON GENESIS 28,10–22
Im Zentrum steht heute eine ganz bekannte Geschichte aus der Bibel, genauer gesagt: aus dem AT. Um diese Geschichte gut zu verstehen, muss man aber noch ein paar Sachen wissen. Z.B. hilft es zu wissen, wie sich die Menschen vor ~ 4000 Jahren die Welt vorgestellt haben:. Wir wissen ja heute, dass die Welt eine Kugel ist. Das wussten aber z.B. Abraham, Isaak und Jakob noch nicht. Sie nahmen an, die Erde sei eine riesige Platte. Und hoch darüber hing, wie eine Glocke oder ein Zeltdach, der Himmel, an dem sich tagsüber die Sonne und nachts Mond und Sterne bewegten. Dabei war das Blaue, das man an schönen Tagen vom Himmel sieht, in ihrer Vorstellung nur die Aussenwand der Wohnung Gottes und der Engel. Also ganz einfach: Unten auf der Erde wohnten die Menschen, hoch oben hinter dem blauen Himmelszelt wohnte Gott. Nun nahm man an — und das ist jetzt wichtig für unsere Geschichte -, dass es irgendwo, weit weg von den Zelten der Menschen, einen Ort geben müsse, wo sich Himmel und Erde berührten. Beim Sonnenuntergang sah man ja ganz deutlich wie die Sonne weit weg, hinter dem Meer oder hinter den Bergen, dort verschwand, wo sich Himmel und Erde berührten. Irgendwo dort also, weiter weg als ein Mensch je gekommen war, musste es einen Ein- und Ausgang des Himmels geben, einen Ort, an dem Engel und auch Gott selbst vorbeikamen, wenn sie die Erde besuchten. — Unsere Geschichte erzählt, wie einer – Jakob – diesen Ort gesehen hat.
«Wir sind dein Eigentum, wir sind in deinen Händen!» So haben wir gesungen. Zu unserem Eigentum wird, was wir kaufen, erben oder was wir selbst herstellen, schaffen. Demnach sind wir seit je, von Anfang an, Gottes Eigentum. Denn er hat uns geschaffen. Der heutige Predigttext braucht aber auch das Bild vom Kaufen. Dabei klingt es sogar wie bei einer Versteigerung: «Ich habe Ägypten als Kaufpreis für dich bezahlt, dazu noch Nubien und Seba. Du bist kostbar und wertvoll für mich, und ich habe dich lieb», heisst es in Jes 43,3f. Mit anderen Worten:Gott bietet unvorstellbar viel für sein Volk Israel: Mehr als die drei mächtigsten Reiche zusammen damals wert waren zusammen. So viel wirft er in die Waagschale, um Israel wieder sein nennen zu können. In heutigen Zahlen: Das BIP der drei stärksten Volkswirtschaften (USA, China, Japan) summierte sich 2021 auf 45.6 Bio $. Ein kleines Volk (Israel) ist Gott so viel wert. Wenn das keine Liebeserklärung ist! Eine eindrückliche Liebeserklärung. – Gut, das mit der heutigen Statistik ist exegetisch wohl etwas abenteuerlich. Aber es zeigt die Dimension. Gott macht Israel eine unüberbietbare Liebeserklärung. – Und wir wissen: Wer eine Liebeserklärung erhält, wird gestärkt, begeistert, wohl sogar euphorisiert. Erhält Rückenwind, findet Mut und Tatkraft.
von ‚Work-Life-Balance‘ wird viel geredet. Das ‚Mode-Wort‘ bringt auf den Punkt: Arbeit und Vergnügen, Pflicht und Kür, Anstrengung und Ausruhen sollen im Gleichgewicht sein. Wenn die Balance verloren geht, steht die Gesundheit der Seele auf dem Spiel.
Ich weiss genau, was damit gemeint ist. Es war nämlich ein Auslöser der Depression vor einigen Jahren, dass ich diese Balance verloren hatte. In der Therapie ging es deshalb immer wieder darum, wie die ‚Work-Life-Balance‘ wieder zu gewinnen und ‚abzusichern‘ sei. – Dabei hatte ich aber nicht immer ein gutes Gefühl. Manchmal schien mir, das Thema gewinne zu viel Gewicht. Und mich beschlich dann die Sorge, dass so Denken und Fühlen auch egoistisch entgleisen könnten. Wenn ich nur noch frage: Was will ich? Was tut mir gut? Was halte ich aus? …
Wie lässt sich das vermeiden? Wie behält man die Balance, nicht nur zwischen ‚work‘ und ‚life‘, sondern auch zwischen ‚ich‘ und ‚du‘? – Hilfe finde ich im sogenannten Doppelgebot der Liebe: Jesus bezeichnet die Liebe als das höchste und wichtigste biblische Gebot. Die Liebe sei das Mass aller Dinge (vgl. dazu auch 1. Kor 13, das ‚Hohelied der Liebe‘), das grundlegende biblische Prinzip. Dabei redet Jesus von der Liebe in einer dreifachen Ausprägung: Liebe zu Gott, Liebe zu den Mitmenschen und der Liebe zu sich selbst. Diese drei sind zueinander auszubalancieren. Hören wir also das sogenannte Doppelgebot der Liebe, das eigentlich ein Dreifachgebot ist: Markus 12,28–34