an der Liebe Gottes kommt man in der Kirche nicht vorbei. Manchmal könnte es einem fast zu viel werden! — Heute ja schon wieder ganz am Anfang: „Die Liebe Gottes sei mit euch allen!“ Immerhin in der Form eines Zuspruchs, einer Zusage. Und nicht als Forderung: „Liebt einander!“ – „Liebt mehr oder liebt besser!“ – Die Forderung könnte nämlich schmerzliche Erinnerungen wecken: An Momente, in denen wir anderen Liebe schuldig geblieben sind. Und an Momente, in denen andere Liebe uns gegenüber vermissen liessen und uns so verletzten. Tja, die Liebe. Das ganze Jahr 2024 steht unter dem Motto: «Alles, was ihr tut, geschehe aus Liebe!» (Jahreslosung aus 1.Kor 16,14). Was für ein hoher Anspruch! Und wie traumhaft, wenn es gelingen könnte! Aber, ist das realistisch?
Karfreitagsgottesdienst am 29.03.2024 in der EMK Adliswil
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Leidensankündigung danach erklärte Jesus seinen Jüngern zum ersten Mal, was Gott mit ihm vorhatte: »Der Menschensohn wird viel leiden müssen. Die Ratsältesten, die führenden Priester und die Schriftgelehrten werden ihn als Verbrecher behandeln. Sie werden ihn hinrichten lassen, aber nach drei Tagen wird er vom Tod auferstehen.« Das sagte er ihnen ganz offen. Da nahm Petrus ihn zur Seite und fing an, ihm das auszureden. Aber Jesus drehte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus streng zurecht. (Mk 8,31–33a
“Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken“ Ich verstehe Petrus gut: Jesus darf den Weg nicht so gehen, wie er es hier – schon weit im Voraus – ankündigt. Das wäre mehr als eine Niederlage. Das bedeutete die Kapitulation. Das ist ein Nogo. Man darf die Mächte des Bösen nicht gewähren lassen! Man muss doch für das Gute kämpfen. Man muss sich wehren und falschen Tendenzen Einhalt gebieten. Dass Jesus stirbt, das darf nicht sein. – Es ist wirklich so: Auf die Idee, das Böse und alle Schuld der Welt in der Niederlage, auf einem Weg des Leidens und Sterbens zu besiegen … auf diese Idee wäre kein Mensch je gekommen. Das ist kein menschlicher, sondern ein göttlicher Gedanke. Es ist, wie schon im AT ein Prophet im Namen Gottes formulierte: “Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege!” – Mehr als für alles andere gilt das für den Weg, den Jesus in seiner Passion zur Erlösung der Vielen ging. Ich hätte wie Petrus auch versucht, Jesus die Idee auszureden und wäre überzeugt gewesen, dass er falsch liegt … und hätte mich gerade darin schuldig gemacht.
seit Jahresbeginn beschäftigen wir uns in den Gottesdiensten mit den Werten unserer Kirche/Gemeinde. Die bisher vier Predigten drehten sich um die Frage: Wie können, sollen und wollen wir Gemeinde sein? Im SLI-Prozess des BeVo haben wir als Antwort vier Werte formuliert. Nämlich, dass wir erstens ein inklusives, d.h. offenes und integrierendes Miteinander leben wollen. Zweitens soll der dreieinige Gott Mittel- und Ausgangspunkt unserer Gemeinde sein. Als Drittes wollen wir unsere Gemeinschaft tragend, grosszügig und befähigend gestalten. Und schliesslich viertens: Wir nehmen uns vor, immer wieder mutig Schritte vorwärts zu gehen.
Die Predigtreihe kommt heute zu ihrem vorläufigen Abschluss. Vorläufig, weil uns die Werte immer wieder beschäftigen sollten. Schliesslich nützen schöne Formulierungen wenig, wenn wir nicht immer wieder überprüfen, ob wir auch tatsächlich leben (umsetzen), was wir wollen.
Paulus schreibt, die Liebe sei das Grösste. Sie übertreffe sogar Glauben und Hoffnung (vgl. 1.Kor 13,13). Schliesslich: Wenn wir lieben, verschenken wir uns selbst. Mehr, Wertvolleres kann niemand geben. Aber Liebende sind auch verletzlich. Darum überlegen wir uns genau, wem wir wann wieviel Liebe schenken. Und knausern oft dabei. Aus Angst, verletzt zu werden. Aus Sorge, uns selbst zu verlieren.
Darum wirkt die Geschichte von der Salbung Jesu durch eine Frau (→ ntl. Schriftlesung) befremdlich. Diese Frau übertreibt doch. Sie ist so masslos in ihrer Liebe zu Jesus. Das scheint unvernünftig, und auch unanständig. Wir können die Jünger verstehen, die sich kritisch äussern.
Doch Jesus gibt ihnen nicht Recht. Er will zeigen: Liebe ist nicht dosierbar. Sie ist mehr als grosszügig, ist verschwenderisch. Diese Frau setzt genau Gottes Idee und Vorbild um. Denn auch er ist in seiner Liebe grenzenlos. Unvernünftig vielleicht. Sicher verschwenderisch. Das ist die Idee. So ist Liebe. Darum ist sie die Grösste. Bei anderer Gelegenheit hat Jesus dieses Wesen von Gottes Liebe in einer Beispielgeschichte veranschaulicht. Ich lese Markus 4,1–8 :
‚den Glauben als Ressource nutzen‘ – um dieses Oberthema bewegte ich mich in meinen bisherigen Predigten in diesem Jahr. Von verschiedenen Seiten her und mit unterschiedlichen Bildern habe ich es beleuchtet. Zunächst war das Leitbild zuerst ‚sich verwurzeln‘. Dann ging es um die Herausforderung, sich anzuvertrauen‘. Vom Leben aus der Kraft des Geistes habe auch ich geredet. Und am vergangenen Sonntag lautete die Einladung: Christus, der in mir lebt, Raum zu geben.
Zum vorläufigen Abschluss der Reihe will ich heute noch die biblische Lichtmetaphorik aufnehmen. Der Refrain bleibt derselbe. Da ist einerseits die Zusage: Es ist alles vorhanden, von Christus geschenkt, was wir brauchen, um das Leben gut zu gestalten. Und andererseits ist die Einladung/Herausforderung: Die zur Verfügung stehenden Ressourcen zu nutzen und so dazu beizutragen, dass Christi Kraft in der Welt wirken kann. Zuspruch und Anspruch bzw. Verheissung und Auftrag sind – wie meistens in der Bibel – ineinander verschränkt und eigentlich zwei Seiten derselben Medaille.
Input am 08.01.2023 im ökumenischen Gottesdienst in der ref. Kirche Adliswil
Jahreslosung EMK Schweiz 2023
Liebe Gemeinde,
„Du bist ein Gott, der mich sieht!“ – Ist das eine gute Nachricht? Ich erinnere mich an ein Sonntagsschullied, dass wir vor 50 Jahren des öfteren gesungen haben: „Pass auf, kleines Aug‘, was du siehst …!“ hiess es da. Und: „Pass auf, kleines Ohr, was du hörst! Pass auf, kleine Hand, was du tust!“ Und weiter: „Denn der Vater in dem Himmel schaut herab auf dich!“ Es ‚tschuderet‘ mich heute, wie selbstverständlich wir das gesungen haben und was für ein Gottesbild wir damit verinnerlichten: Gott als der grosse Überwacher (® G.Orwells ‚Big Brother‘ lässt grüssen), dem nichts entgeht und der unlautere Absichten erkennt, bevor man es selber merkt. Ein solches Gottesbild würde aus der Jahreslosung 2023 eine schlechte Nachricht machen. Denn dann wäre sie eine Mahnung/Warnung: Pass gut auf! Mach ja keine Fehler! Denn du kannst nichts verstecken. Es kommt alles ans Licht. – Mit dieser Sicht auf Gott ringt übrigens auch Psalm 139, aus dem wir in der Schriftlesung gehört haben. Der Beter ringt sich dann aber doch durch zur Überzeugung: „Von allen Seiten umgibst Du mich und hältst deine Hand über mir!“ Und er versteht das letztlich als Zuspruch von Schutz und Geborgenheit.