sie hätten es wissen können … und waren doch überhaupt nicht darauf gefasst. Jesus hatte seinen JüngerInnen seine Auferstehung angekündigt. Dennoch konnten sie die Osterbotschaft nicht fassen. Die Begegnung mit Engeln und die Nachricht, dass Jesus am Leben sei, hat sie erst einmal zu Tode erschreckt. Mindestens verwirrt, eher sogar verstört und panisch reagierten sie auf diese Situation, die sie nicht einordnen konnten. Deutliche Spuren dieses Schreckens zeigt der wohl älteste Osterbericht in den Evangelien in Markus 16,1–8:
ganz am Anfang haben wir gehört: „Seid bescheiden und achtet den Bruder/die Schwester mehr als euch selbst“. Wir haben gesungen: „Dient freudig dem Herrn!“ Was wir aber in unserer Zeit sehen, hören und lesen, ist etwas ganz anderes: Gedient wird, wenn überhaupt, dem Profit, der Macht, dem eigenen Vorteil. Bescheidenheit ist nicht in. Man präsentiert sich: Gross, stark, schön, cool. Man will gross herauskommen. Reich werden, auch auf Kosten anderer. Macht und Einfluss haben und ausüben. Wer die Hebel der Macht erreicht, lässt sie nicht mehr los und nutzt sie für eigene Ziele. Koste es, was es wolle. – Kein Wunder, dass von Gefährdung der Demokratie die Rede ist. Populisten geben sich zwar demokratisch, verfolgen aber ihre Ziele … und nicht die des Volkes, in dessen Namen sie angeblich reden. Die Tendenz zu autokratischen Regierungsformen wird immer stärker. Militär- und Polizeibudgets werden rund um den Globus massiv aufgestockt, angeblich im Namen der Sicherheit, oft aber, um die Mächtigen zu stützen. Das Recht des Stärkeren scheint kaum mehr hinterfragt zu sein. Es gilt militärisch, politisch, wirtschaftlich: Wer die Macht hat, diktiert und gewinnt. – Das macht mir Sorgen. In was für einer Welt leben wir denn?
starker Wind, wie wir ihn diese Tage erlebt haben, kann Spass machen: Man kann Drachen steigen lassen. Oder man kann sich auf freiem Feld gegen den Wind lehnen und ein wenig das Gefühl vom Fliegen erahnen. Stürme können aber auch gefährlich sein. Und es kostet viel Kraft, macht müde, lange Zeit gegen den Wind zu kämpfen. Dauernd im Gegenwind zu stehen, auch im übertragenen Sinn, das wünscht sich niemand. – Heute geht es um Gläubige, die im Gegenwind stehen.
in einem meiner liebsten Segenssprüche heisst es: „Der Gott, der Frieden schafft und Frieden gibt, rüste euch aus mit allen guten Kräften, die ihr braucht, seinen Willen zu erfüllen. Er wirke in euch, was ihm selbst gefällt.“ – ChristInnen reden ja immer wieder vom Willen Gottes und davon, wie wichtig es sei, danach zu leben. Wir beten auch Sonntag für Sonntag: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“ Doch so einfach ist das ja nicht mit dem Willen Gottes! Auch wenn uns z.B. von den zehn Geboten und vom Doppelgebot der Liebe her grundsätzlich klar sein müsste, was Gott will: In der konkreten Situation kann es dann doch schwierig sein: Im Blick auf den Nahostkonflikt z.B.: Bedeutet ‚fest an der Seite Israels zu stehen‘ (wie es gerade in christlichen Kreisen oft und z.T. lautstark gefordert wird) automatisch, ein Gegner Palästinas sein zu müssen?
eine Woche ist vergangen seit Ostern. Die Eier und Schoggihasen sind wohl gegessen. Die Osterdekorationen abgebaut. Das Fest ist vorbei. – Und die Osterbotschaft? Wirkt sie noch nach? Oder ist auch in geistlicher Hinsicht wieder der Alltag eingekehrt?
Für jene, welche die Auferstehung live miterlebten hatten, war es sicher noch nicht vorbei: Die Auferstehungsbotschaft hatte die JüngerInnen aus tiefster Verzweiflung befreit. Das wirkte lebenslang nach. Neue Hoffnung und neuer Glaube waren erwacht: ‘Jesus lebt! Es geht weiter! Es geht vorwärts!’
Nur: wie? Die Rahmenbedingungen hatten sich geändert. Jesus lebte. Aber es war ein anderes Leben als vor Karfreitag. Seine Gegenwart von ganz anderer Qualität als vorher. Wie konnte man nach Ostern mit Jesus leben? – Vorher war Nachfolge buchstäblich zu verstehen: Mit Jesus, bzw. Jesus nach unterwegs zu sein zu den Menschen. Die JüngerInnen hatte Jesus leibhaftig vor Augen. Sie teilten sein Leben. – Das ging jetzt so nicht mehr. Nach Ostern war also neu zu buchstabieren, was Nachfolge, was Glauben konkret bedeutete.
‘wer A sagt, muss auch B sagen!‘ So drücken wir redensartlich aus, dass unser Handeln und Erleben seine Konsequenzen hat. Das gilt auch für den Bereich des Glaubens: Viele, die Jesus begegneten, erfuhren zunächst Zuspruch oder erlebten Heilung. „Dein Glaube hat Dir geholfen!“, sagte er zu vielen. Doch danach ging es weiter. Sie hörten dann auch: „Sündige von nun an nicht mehr!“, oder: „Folge mir nach!“
Ausnahmsweise erzählt Markus nicht wie sonst kurze Geschichten, sondern zwei lange — die Heilung des Geraseners und die der Tochter des Jairus. In die zweite ist die Heilung der blutflüssigen Frau kunstvoll eingewoben, und wer je der Meinung war, dass Markus ein simpler Erzähler ist, wird hier eines besseren belehrt. Es sind drei Auferstehungsgeschichten: Der Gerasener, der eine ganze Legion an Stimmen und Personen in sich trägt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen ist, weil er schreit und droht und verletzt, wird von Jesus direkt angesprochen. Jesus kennt keine Scheu und keine Angst, er weiss, in wessen Namen und mit wessen Kraft er gesandt ist. Die Flucht der Dämonen in die Schweine, die sich ins Meer stürzen, hat schon fast etwas Komisches. Zentral aber bleibt, dass Jesus Schranken und Ausgrenzung überwindet und Menschen zurück in die Gesellschaft führt. Der Gerasener hat neues Leben erhalten. Ein für die vielen Augenzeugen erschreckend machtvolles Wunder.
In seiner Formulierung des Liebesgebots spricht Jesus vom Gleichgewicht zwischen der Liebe zu den Mitmenschen und der Liebe zu sich selbst (vgl. Mk 12,31). Ich soll mich selbst nicht lieber haben als die Menschen um mich herum. Schon das fordert mich oft ganz schön heraus. Wenn dann Jesus aber sogar von Selbstverleugnung redet oder davon, dass ich mich selber vergessen und nur an die Förderung des Reiches Gottes denken soll, fühle ich mich schlicht überfordert. Die Angst, ich selbst könnte dabei zu kurz kommen, greift nach meinem Herz.