Mutig vorwärts gehen heisst heute das Thema. Wenn wir in einer Turnhalle wären, wenn wir unsere Muskeln aufgewärmt hätten, könnten wir das Thema spielerisch angehen: Sich mit geschlossenen Augen in die Arme anderer fallen lassen, die Kletterstange hoch gehen (davor hatte ich lange grosse Angst), vom Trampolin über ein Hindernis auf eine Matte springen …
Das schenken wir uns. Aber ganz ohne Mutprobe geht es nicht heute. Sie sehen es am Mikrophon in meiner Hand. Ich will ein paar Stimmen einfangen zu den Fragen:
in seinem Jahresrückblick zählt der Tagesanzeiger 20 Dinge auf, die 2023 zum ersten Mal passiert sind. Darunter gibt es Positives. Aber hängen bleiben vor allem die Katastrophenschlagzeilen: Wetterrekorde, die zeigen, dass der Klimawandel in vollem Gang ist. Und das kaum gebremst. Der Zusammenbruch der CH-Superbank Credit Suisse. Der demographische Wandel: Erstmals gibt es mehr als 100‘000 65-jährige in der CH. Und das sind 14‘500 mehr als 20jährige. Der Vormarsch von Rechtspopulisten in der westlichen Welt. Die KI hat den Sprung in den Alltag geschafft, was womöglich grosse Risiken birgt ….
Dazu kommen viele weitere schlechte Nachrichten: Kriege. Naturkatastrophen. Signale, dass die Gesellschaft am Auseinanderbrechen sein könnte. Wer sich das alles bewusst macht, braucht Kraft, es auszuhalten. Zuversicht wird zur Herausforderung. Gesucht sind Quellen der Hoffnung. Dabei flüchten sich manche in verklärende Nostalgie. Sie schwärmen dann vor guten alten, vermeintlich besseren Zeit. Andere flüchten in die Zukunft. Sie heben geradezu ab und verlieren sich in Visionen z.B. über die Eroberung neuer Lebensräume im Weltraum. Dazwischen suchen manche, u.a. Christen, Hoffnung zu wecken und zu begründen. Das ist schliesslich eine Hauptaufgabe von ChristInnen/Kirchen: Wir sind ExpertInnen der Hoffnung. Dazu sind wir nicht nur ausgesandt, sondern auch begabt. – Aber das ist schwierig heute. Wer anderen Hoffnung machen will, braucht zuerst eine gute Verwurzelung der eigenen Zuversicht. Muss selbst Hoffnung haben! Aber wie und woher? Was lässt uns angesichts von lauter Katastrophen und Problemen hoffen?
beginnen wir heute mit einem Gedankenspiel: Am Freitagabend lagen bei Euro-Millions, einem euopaweiten Lottospiel, 125 Mio. Fr. im Jackpot. Stellen Sie sich vor, Sie hätten diesen Jackpot geknackt! Damit hätten Sie auf einen Schlag genug Geld, um nie mehr arbeiten zu müssen und könnten sich fast alle Wünsche erfüllen.
Was würden Sie damit machen?
Wieviel ‘darf man’ bzw. ‘darf ein Christ’ für sich selbst behalten?
Warum dieser Einstieg in die Erntedankpredigt? – Es ist ganz einfach: Im Predigttext, den die Perikopenordnung in diesem Jahr für das EDF vorschlägt, geht es genau um diese Fragen. Ich lese Lukas 12,13–21:
«Wir sind dein Eigentum, wir sind in deinen Händen!» So haben wir gesungen. Zu unserem Eigentum wird, was wir kaufen, erben oder was wir selbst herstellen, schaffen. Demnach sind wir seit je, von Anfang an, Gottes Eigentum. Denn er hat uns geschaffen. Der heutige Predigttext braucht aber auch das Bild vom Kaufen. Dabei klingt es sogar wie bei einer Versteigerung: «Ich habe Ägypten als Kaufpreis für dich bezahlt, dazu noch Nubien und Seba. Du bist kostbar und wertvoll für mich, und ich habe dich lieb», heisst es in Jes 43,3f. Mit anderen Worten:Gott bietet unvorstellbar viel für sein Volk Israel: Mehr als die drei mächtigsten Reiche zusammen damals wert waren zusammen. So viel wirft er in die Waagschale, um Israel wieder sein nennen zu können. In heutigen Zahlen: Das BIP der drei stärksten Volkswirtschaften (USA, China, Japan) summierte sich 2021 auf 45.6 Bio $. Ein kleines Volk (Israel) ist Gott so viel wert. Wenn das keine Liebeserklärung ist! Eine eindrückliche Liebeserklärung. – Gut, das mit der heutigen Statistik ist exegetisch wohl etwas abenteuerlich. Aber es zeigt die Dimension. Gott macht Israel eine unüberbietbare Liebeserklärung. – Und wir wissen: Wer eine Liebeserklärung erhält, wird gestärkt, begeistert, wohl sogar euphorisiert. Erhält Rückenwind, findet Mut und Tatkraft.
ein Wunder Jesu hat die ersten Christen ganz besonders beeindruckt: Die Speisung der 5000. Sie ist nämlich die einzige Wundergeschichte, die von allen vier Evangelien erzählt wird. — Was macht gerade diese Geschichte so besonders?
Vielleicht der Umstand, dass die Jünger am Wunder selbst aktiv mitwirkten?
Oder die Botschaft, dass Jesus Menschen leiblich, seelisch und geistlich satt macht?
Fasziniert, dass mit äusserst beschränkten Ressourcen die Not einer unüberschaubaren Menschenmenge gestillt wird?
Letzteres könnte für Christus-Gläubige aber auch eine grosse Herausforderung sein. Denn es bedeutet ja wohl: Du magst dich ganz schwach und hilflos fühlen. Die Not mag überwältigend gross sein. Doch beides spielt keine Rolle. Was zu tun ist, das tue! Fang im Vertrauen auf Gottes Möglichkeiten an zu helfen … und du wirst staunen, was mit und dank ihm möglich wird.
Faszinieren könnte hingegen, dass in der Geschichte eine Art Rezept für ein Wunder steckt: 1. Not wahrnehmen (Menschen haben Hunger), 2. Eigenes Potenzial (Ressourcen = 5 Brote und 2 Fische) wahrnehmen; 3. Sich damit Gott zur Verfügung stellen; 4. Gott danken (bzw. das Vertrauen aussprechen); 5. Anfangen, sich zu engagieren und dann staunen.
Das sind mehr als genug Gründe, sich mit dieser biblischen Wundergeschichte auseinanderzusetzen. Dabei steht für mich im Vordergrunde: Die Gegenüberstellung von lächerlich geringen Ressourcen und beeindruckend grosser Wirkung. Das macht sie für uns nämlich zugleich zum ermutigenden Zuspruch (Einladung zum Vertrauen) und zur grossen Herausforderung (Auftrag zum Tun ohne Angst vor Überforderung). Letzteres – die Herausforderung – wird noch gesteigert, wenn wir den Zusammenhang beachten: Jesu Jünger kamen zurück von einem zwar erfolgreichen, aber äusserst kräftezehrenden Missionseinsatz. Sie waren ausgepumpt, k.o. Ausserdem hatten sie gerade vom brutalen Tod Johannes des Täufers erfahren. Darum waren sie erholungsbedürftig. –Mk 6,30–44 erzählt so:
Predigt am 14.05.2023 in der EMK Adliswil ; nach eine Vorlage von Pfrn. Claudia Kook auf predigtpreis.de
Liebe Gemeinde,
eine Frau – nennen wir sie Rahel — steht in der grossen, alten Kirche ihrer Kindheit. Sie steht nur da und nimmt die Atmosphäre in sich auf: Den Geruch. Das schummrige Licht. Unter der mächtigen Empore schaut sie zuerst nach vorne, zu den farbigen Fenstern im Chor. Dann wandern ihre Augen zur Seite. Noch immer steht da eine Stellwand, wie schon damals, als sie noch ein Kind war. Rahel hatte sie kleiner und wackliger in Erinnerung. Inzwischen ist sie stabiler gebaut. Es hängen viele Zettel hängen daran. Viele Farben und Formen. Wild durcheinander. Manche zusammengefaltet. Andere offen mit großer Handschrift: „Gott hilf mir!!!“ steht auf einem, mit drei Ausrufezeichen dahinter. „Danke, dass es geklappt hat, lieber Gott“, kann sie auf einem anderen lesen. Und: „Mach, dass Papa wieder heim kommt“. Sie geht näher zur Gebetswand und liest die vielen Gebete, die BesucherInnen hier angepinnt haben. Sehr viele Menschen scheinen die Möglichkeit zu nützen. Manche waren dabei glücklich, andere traurig, besorgt oder gar verzweifelt. Doch niemand ohne Hoffnung. Alle ZettelschreiberInnen gingen davon aus, dass ihre Gebete nicht vergeblich sind. „Vor allen Dingen,“ liest die Frau die Überschrift ganz oben: „Vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen!“
eine Woche ist vergangen seit Ostern. Die Eier und Schoggihasen sind wohl gegessen. Die Osterdekorationen abgebaut. Das Fest ist vorbei. – Und die Osterbotschaft? Wirkt sie noch nach? Oder ist auch in geistlicher Hinsicht wieder der Alltag eingekehrt?
Für jene, welche die Auferstehung live miterlebten hatten, war es sicher noch nicht vorbei: Die Auferstehungsbotschaft hatte die JüngerInnen aus tiefster Verzweiflung befreit. Das wirkte lebenslang nach. Neue Hoffnung und neuer Glaube waren erwacht: ‘Jesus lebt! Es geht weiter! Es geht vorwärts!’
Nur: wie? Die Rahmenbedingungen hatten sich geändert. Jesus lebte. Aber es war ein anderes Leben als vor Karfreitag. Seine Gegenwart von ganz anderer Qualität als vorher. Wie konnte man nach Ostern mit Jesus leben? – Vorher war Nachfolge buchstäblich zu verstehen: Mit Jesus, bzw. Jesus nach unterwegs zu sein zu den Menschen. Die JüngerInnen hatte Jesus leibhaftig vor Augen. Sie teilten sein Leben. – Das ging jetzt so nicht mehr. Nach Ostern war also neu zu buchstabieren, was Nachfolge, was Glauben konkret bedeutete.
Predigt am 09.04.2023 (Ostern) in der EMK Adliswil
Liebe Gemeinde,
beim Lesen in den Osterberichten der Evangelien bin ich diesmal bei Lk hängen geblieben. Wie die anderen auch erzählt er von den Frauen, die am frühen Ostermorgen zum Grab Jesu gingen. Dort finden sie aber nicht den Leichnam Jesu, den sie salben wollten. Dafür treffen sie auf Engel. Lk erzählt von zwei Engeln, welche die Frauen mit vorwurfsvollem Unterton anreden: “Was macht Ihr denn hier? Warum sucht Ihr den Lebenden bei den Toten?” – Sie klingen wie ein genervter Lehrer, der seinen Schülern schon zum 27.Mal zu erklären versucht, was sie längst wissen sollten: „Ihr müsstet es doch längst wissen! Jesus hat es Euch doch so oft erklärt und vorausgesagt. Warum sucht Ihr ihn jetzt doch bei den Toten?“
auch heute behalte ich der Predigt die Perspektive auf unsere Glauben als Ressource: Wir gehen davon aus, dass das Vertrauen in Christus eine Kraftquelle ist, die wir nutzen können. Die Verbundenheit mit ihm bietet uns alles, um das Leben nicht nur zu bewältigen, sondern sogar gut und erfreulich zu gestalten. Die Frage ist nur: Wo und wie erfahren wir das? Der Glaube daran oder mindestens die Hoffnung darauf mag ja da sein. Doch das Erleben und Fühlen hinkt manchmal ein wenig hinterher. Darum: Wie nutze ich den Glauben als Ressource? Wie zapfe ich die Kraft an, die aus der Verbindung mit Christus kommt?
Zuerst ging es vor vier Wochen darum, sich im Glauben zu verwurzeln. Leitbild war der früchtetragende Baum am Wasser aus Psalm 1. Am letzten Sonntag liessen wir uns vom Bild eines fliegenden Adlers leiten, von dem Jes 40 spricht. Und es ging darum, sich anzuvertrauen.
Heute geht es um die Kraft des Heiligen Geistes. Den Predigttext dazu haben wir eben schon gesungen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird und werdet meine Zeugen sein!“ (Apg 1,8) Das verspricht den auferstandene Christus seinen Jüngern, bevor er im Himmel ‚verschwindet‘. So erzählt es Lukas zu Beginn seiner Apostelgeschichte. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen!“
am 24.Mai 1738 schrieb John Wesley in sein Tagebuch: „My heart felt strangely warmed!“ D.h. Mein Herz fühlte sich seltsam erwärmt. Und stellt fest: Plötzlich war die Gewissheit, von Gott geliebt zu sein, da. An diesem Abend um 20.45, während Luthers Vorrede zum Römerbrief gelesen wurde. Und die Gewissheit blieb.
Manche reden von der ‚Bekehrung‘, oder wenigstens von der ‚zweiten‘ Bekehrung, die Wesley in dem Moment erlebte. – Jahrelang hatte er versucht, über Pflichtbewusstsein und Gehorsam seines Heils gewiss zu werden. Das hatte nicht funktioniert. Von nun an war Wesley klar: Kraft, Frieden, Zuversicht, Gewissheit aus dem Glauben kann und muss sich niemand erarbeiten. Sondern sie stehen zur Verfügung als Geschenk Gottes. — Oder anders formuliert: Wesley hatte erfasst, dass der Glaube kein Forderungskatalog ist und auch keinen Leistungsausweis verlangt. Vielmehr ist der Glaube die von Gott geschenkte Quelle von Kraft zum Leben. Glaube ist eine Ressource.