MISSION: Zeug:innen Christi sein

Predigt zu Matthäus 28,18–20 in der EMK Adliswil am Son­ntag 15.06.2025

Fest der Kul­turen in Adliswil

Liebe Gemeinde,

schon am Kar­fre­itag und dann wieder an Him­melfahrt standen die Zeichen auf Abschied: Es war vor­bei! Zunächst das Zusam­men­leben mit Jesus, wie es die Jünger:innen drei Jahre lang genossen hat­ten. Und dann die kurze Phase, in der sich der Aufer­standene wieder zeigte. Es war vor­bei! Es galt loszu­lassen. Abschied zu nehmen. Und doch prägt schon Him­melfahrt, und dann erst recht Pfin­g­sten, ein neuer Auf­bruch. Die Stim­mung war nicht dominiert vom Abschiedss­chmerz. Son­dern es beflügelt das Gefühl: „Jet­zt geht es los!“ Wie war das möglich? Wie wurde aus einem Abschied ein neuer Anfang? Woher kam das Ver­trauen in die Zukun­ft, wo doch etwas aufhörte, was sehr gut war? – Es lohnt sich, die bib­lis­chen Texte mit dieser Fragestel­lung anzuschauen. Dabei kön­nen wir für uns heute ler­nen. Wir sind als Gemeinde/Bezirk im Umbruch. Unsere Erin­nerung ist geprägt von vie­len tollen Erfahrun­gen. Doch die sind weit weg, während grosse Her­aus­forderun­gen und viele Fra­gen uns bedrän­gen. Die Zukun­ft scheint ungewiss. Da kön­nten Abschiedss­chmerz, Nos­tal­gie und Res­ig­na­tion die Dik­tatur übernehmen. Doch das muss nicht sein. Es ist möglich, in der Kraft des Geistes neu aufzubrechen.

Dazu halfen den Jünger:innen Jesu an Him­melfahrt und Pfin­g­sten zwei Dinge: 1. Es wurde ihnen zuge­sagt, dass sie nie allein sein wür­den. 2. Sie erhiel­ten eine Auf­gabe. Es wurde klar, dass sie für etwas da waren. Dass es Sinn machte, weit­er zu gehen. Bei­des steckt im soge­nan­nten ‚Mis­sion­sauf­trag‘. Dieser find­et sich am Schluss der drei Evan­gelien und am Anfang der Apg. Wir schauen heute den Schluss des Mt-Ev an:

18) Jesus kam zu ihnen
und sagte:
»Gott hat mir alle Macht gegeben,
im Him­mel und auf der Erde!
19) Geht nun hin zu allen Völk­ern
und macht die Men­schen zu meinen Jüngern und Jün­gerin­nen:
Tauft sie im Namen des Vaters,
des Sohnes
und des Heili­gen Geistes!
20) Und lehrt sie, alles zu tun,
was ich euch geboten habe.
Und seht doch:
Ich bin immer bei euch,
jeden Tag, bis zum Ende der Welt!«                        Matthäus 28,18–20 (Basis Bibel)

I. — Chris­tus ist und bleibt mit uns. Diese Grundgewis­sheit ist die Basis. Nur auf diesem Fun­da­ment lässt sich zu neuen Ufern auf­brechen und der Auf­trag leben. Der aufer­standene Chris­tus ver­spricht: „Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt!“ Das gilt für jeden und jede per­sön­lich genau­so wie für uns als Gemein­schaft. Selb­st wenn die Gefüh­le uns vor­ma­chen, wir wären von Gott und aller Welt ver­lassen, bleibt wahr: Chris­tus ist und bleibt da. Es gibt keinen Ort, wo er uns nicht find­en würde. Wir kön­nen mit Psalm 139 fes­thal­ten: „Von allen Seit­en umgib­st du mich, Herr, und du hältst deine Hand über mir.“ (Psalm 139,5).
„Ich bin immer bei euch!“, sagt Jesus. Damit bestätigt er die Garantie, die im Namen Gottes selb­st steckt. Namen sind in der Bibel ja alles andere als Schall und Rauch. Sie verbinden sich mit einem Pro­gramm. Z.B. benan­nte Gott Abram = erhaben­er Vater um. Als Abra­ham wurde er zum ‚Vater der Vie­len‘. Oder aus dem hin­terlisti­gen Jakob = Fersen­hal­ter machte Gott Israel, den Gottesstre­it­er. Genau­so ist der Name, den sich Gott in der Begeg­nung mit Mose am bren­nen­den Dorn­busch gibt, Pro­gramm: Er nen­nt sich Jhwh. Wörtlich über­set­zt heisst das: “Ich bin, der ich bin” oder “Ich werde sein, der ich sein werde.” Weil in der Kul­tur der Bibel ‘Sein’ konkret ver­standen wir als ‘Da sein’, meint Jah­we: “Ich bin da” Oder noch präzis­er: “Ich bin für dich da und ich werde für dich da sein und bleiben.“ Das ist Gottes Name und Wesen.” – Wenn also der Aufer­standene Chris­tus ver­spricht, dass er immer bei uns ist, bestätigt und unter­stre­icht er dop­pelt, was im Gottes­na­men steckt: „Ich bin da. Ich gehe mit dir. Ich bin Jah­we. Ich bin für dich da!”

II. – Auf der Basis dieser Gewis­sheit lässt sich der Auf­trag annehmen und umset­zen. Sie gibt Sinn und Energie, weit­erzuge­hen.
Tra­di­tionell wird dieser Auf­trag als Mis­sions­be­fehl beze­ich­net. Allerd­ings ist der Begriff ‚Mis­sion‘ in unser­er Zeit schwierig gewor­den. Das liegt an vie­len Miss­bräuchen, die im Laufe von 2000 Jahren Kirchengeschichte unter dem Titel ‚Mis­sion‘ geschehen sind: Unter Beru­fung auf den Mis­sion­sauf­trag wur­den Men­schen unter Druck geset­zt. Ganze Völk­er wur­den gegen ihren Willen und mit Gewalt chris­tian­isiert. Als ‚Mis­sion‘ wurde gerecht­fer­tigt, dass anderen Kul­turen die west­liche Lebensweise übergestülpt wurde. Bei Evan­ge­li­sa­tio­nen wurde ein Bekehrungs­druck aufge­baut, der unge­sund und kon­trapro­duk­tiv war. Autoritätsstuk­turen in Kirchen tru­gen das ihre dazu bei, dass ‚ekkle­sio­gene Neu­rosen‘ in der Psy­chi­a­trie heute ein eigenes Spek­trum an Krankheit­en darstellen…. Nichts von alle­dem hat Chris­tus mit dem Mis­sions­be­fehl gemeint. Son­dern ihm ging und geht es schlicht um die Weit­er­führung seines Auf­trags: Es sollen Men­schen mit der Liebe Gottes in Berührung kom­men. Nicht mehr und nicht weniger ist unser Job. – Diet­rich Bon­ho­ef­fer prägte den Satz: „Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Wir sollen so für die Men­schen da sein, dass Gottes Liebe für sie greif­bar und erfahrbar sind. – Wom­it wir übri­gens, das sei in Klam­mern gesagt, sehr nahe bei der For­mulierun­gen unser­er Vision als Gemein­de­bezirk sind: Gottes Liebe erfahren und leben. – Wie das gehen kann und soll, spez­i­fiziert ‚Matthai am Let­zten‘ in vier Teilaufträ­gen: a) Geht!; b) Macht sie zu Jünger:innen; c) Tauft!; d) Lehrt sie!

A) Geht! — Hmm! Ich glaube, wir (Kirchen ganz generell) sind nicht ger­ade gut im Gehen. Wir ver­rat­en uns, wenn wir z.B. sagen, es sei wichtig, im Glauben zu ste­hen. Wir ver­wen­den sehr viel Energie darauf, die Men­schen dazu zu brin­gen, zu uns zu kom­men. Ursprünglich aber bestanden Kirchen aus Men­schen, die im Namen Jesu zu den Men­schen gin­gen. Glaube bedeutet näm­lich: Unter­wegs sein. Darum reden wir auch von Nach­folge.
Irgend­wann began­nen Christ:innen halt, Gebäude zu bauen. Sie gaben ihrem Glauben in Sand­stein, Zement und Beton Aus­druck. Und sie erwarteten, dass die Men­schen in die Kirche kom­men. Das ursprüngliche Konzept, dass Kirche im Namen Christi zu den Men­schen geht, ging ver­loren. In geistlichen Auf­brüchen flack­erte es immer wieder auf. Doch meis­tens blieben das vorüberge­hende Episo­den.
Heute über­legen sich auch ‚mis­sion­ar­ische Gemein­den‘ vor allem, wie man Men­schen in die Kirche kriegt. Und böse Zun­gen behaupten nicht ganz zu Unrecht, Kirche sei heute weniger durch ‚Sendung‘ als durch ‚Sitzung‘ zu charak­ter­isieren.
Ich glaube, wir soll­ten mehr zu den Men­schen gehen. Nicht als die, welche im Besitz der Wahrheit sind und alles bess­er wis­sen. Son­dern als jene, die Gottes Liebe ken­nen und leben. Die bere­it sind, den Men­schen zuzuhören. Mit den Lachen­den zu Lachen und mit den Weinen­den zu weinen. Die Fra­gen auszuhal­ten und Nöte tra­gen zu helfen. Die bere­it sind, ihr Gottver­trauen mit Fra­gen, Zweifeln und Äng­sten der Men­schen in Berührung zu brin­gen und sich betr­e­f­fen zu lassen.
,Geht zu den Men­schen!‘, sagt Jesus. Inter­essiert Euch für sie. Das Wort ‚Inter­esse‘ bedeutet seinem Wortsinn nach ‚dazwis­chen sein‘. Kirche, die für die Men­schen da ist, geht dazwis­chen. Geht mit­ten hinein. Fremdet nicht mit anderen Kul­turen, Überzeu­gun­gen und Glauben­sarten. Aber lebt Gottes Liebe mit und bei den Menschen.

B) Macht sie zu Jünger:innen! – Diese in den meis­ten gängi­gen Über­set­zun­gen gebrauchte For­mulierung finde ich unglück­lich. Zunächst weil Men­schen keine Jünger:innen machen kön­nen. Dazu braucht es die Kraft von Gottes Geist. Aber auch, weil es über­grif­fig klingt. Als müsste man nicht ein­mal fra­gen, ob jemand Jünger:in wer­den will. – Doch! Das muss man natür­lich. Und ein allfäl­liges Nein ist zu akzep­tieren.
Mir gefällt darum der Über­set­zungsvorschlag von Fabi­an Vogt: ‚Helft den Völk­ern, zu Glauben­den zu wer­den!‘ Das trifft es bess­er: Denen helfen, die glauben ler­nen wollen. Und bei anderen Inter­esse weck­en. Ganz so, wie es Jesus selb­st gemacht hat: Er ist zu den Men­schen gegan­gen und hat sich als Fre­und ange­boten. Hat ihnen von Gott erzählt. Und sie zum Ver­trauen ein­ge­laden. Seine Ein­ladung hören wir immer wieder in der Abendmahlsli­turgie: ‚Kommt zu mir, alle, die ihr müde und beladen seid. Ich will Euch erquick­en!‘ Das ist die Ein­ladung: Sich erquick­en zu lassen. Also: Kraft zu tanken. Erfrischt zu wer­den. Kraft zu find­en. Wenn Men­schen Jünger:innen wer­den sollen, müssen sie hören und erfahren: Bei und dank Jesus werde ich erfrischt, aufge­baut, gestärkt. Oder eben: erquickt.

C) Tauft sie! – Dieser dritte Aspekt des Mis­sons­be­fehls ist sehr oft missver­standen wor­den. Und wird es noch heute … Christ:innen stre­it­en sich darüber, ob man Säuglinge taufen darf, soll oder muss. Sie ‚stür­men‘ darüber, wieviel Wass­er es braucht. Muss der Täu­fling unter­ge­taucht wer­den? Darf man ihn auch nur mit Wass­er übergiessen? Oder reichen vielle­icht gar ein paar kleine Tropfen? Dabei ist das gar nicht so wichtig. Schliesslich macht nicht das Rit­u­al der Taufe einen Men­schen zum Chris­ten, son­dern nur sein Glaube.
Warum kommt aber die Taufe im Mis­sions­be­fehl vor? – Ein­er­seits, weil sie ein geistlich­es Geschehen abbildet: Der alte Men­sch geht unter. Eine neue Schöp­fung taucht auf. Es geht um die Wiederge­burt, um die Umkehr, die sich ereignet, wenn jemand zum Glauben find­et. Wir sollen den Men­schen helfen, mit Chris­tus neu anz­u­fan­gen.
Und es geht ander­er­seits um Gemein­schaft. Die Taufe war lange gle­ichbe­deu­tend mit der Mit­glieder­auf­nahme in der Kirche. Christi Jünger:innen sollen Men­schen in ihre Gemein­schaft mit Jesus aufnehmen und eingliedern. – ‚Tauft sie‘ meint darum: Führt Men­schen nicht nur zum Ver­trauen auf Chris­tus. Son­dern inte­gri­ert sie in eure Gemein­schaft. Helft Ihnen, aktive und lebendi­ge Glieder/Organe des Leibes Christi zu werden.

D) Lehrt sie alles hal­ten, was ich euch geboten habe! – Beim vierten Teilauf­trag ist es wichtig, alles zu lesen. Da ste­ht nicht nur: ‚Lehrt sie!‘ Son­dern: ‚Lehrt sie hal­ten!‘ Wo Kirchen und The­olo­gie oft zu sehr auf Lehre und Wis­sensver­mit­tlung fokussieren, geht es eigentlich um Ver­hal­tensän­derung, um eine Lebens- und Glaubenss­chule. Gefragt sind nicht Lehrer:innen, die es bess­er wis­sen und Fehler kor­rigieren. Gefragt sind Vor­bilder, die vor­leben und tatkräftig ver­mit­teln, wie es ausse­hen kann, heute Christ:in zu sein.
Inhaltlich geht es dabei um nichts anderes als um die Liebe und Gnade Gottes, von der Jesus erzählt und die er selb­st gelebt hat. Oder um es mit dem Dop­pel­ge­bot der Liebe zu sagen: Gott über alles lieben und unsere Mit­men­schen lieben wie uns selb­st.
Gottes Liebe Leben und erfahren. – Unsere Auf­gabe ist es, Men­schen in Kon­takt mit der unver­gle­ich­lichen Liebe Gottes zu brin­gen. Indem wir das Leben teilen mit den Men­schen um uns herum. Indem wir dabei unser Ver­trauen auf Chris­tus ins Spiel brin­gen. Im Mis­sions­be­fehl nach Mt klingt das so: „Geht zu den Men­schen! Macht sie zu Jünger:innen! Tauft sie! Lehrt sie hal­ten, was ich gesagt habe!“ Wir kön­nen das wagen. Wir kön­nen es. Weil Chris­tus selb­st immer und über­all bei uns ist.
Als BeVo haben wir unsere Mis­sion als Bezirk so for­muliert: „Ver­wurzelt in Chris­tus gehen wir auf andere Men­schen zu. Wir lassen uns für Gottes Auf­gaben gebrauchen. Wir geben die erfahrene Liebe Gottes weit­er und teilen sie im gemein­schaftlichen Unter­wegs­sein.“ – Da steckt Vieles drin, was ich gesagt habe. Abschliessend ist mir wichtig: Ver­wurzelt in Chris­tus. D.h. im Ver­trauen auf sein Ver­sprechen: Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt. Amen

2 Gedanken zu „MISSION: Zeug:innen Christi sein“

  1. - tauft sie — in dein­er Erk­lärung nennst du die Kinder-Taufe. Dieses Beispiel hinkt etwas zu der guten Absicht ALLE zu taufen. Also vor allem Erwach­sene, weil diese ja Urteils­fähig sind, als ein Säugling.
    Für mich fühlt sich die Kleinkind-Taufe wie ein Über­griff an. Hat das Baby das gewollt??
    Es ist doch oft so, dass nach dem Tau­fakt dieser Sache dem Zufall preis gegeben wird; häu­fig wird dem jun­gen Men­sch von den Eltern zu wenig — oder noch schlim­mer, gar nicht — über diesen beson­deren Segen gesprochen. Es wun­der mich nicht, dass die Jugend (nicht nur in der EMK) den son­ntäglichen Gottes­di­en­sten und all­ge­meinen Gemeinde Leben fern bleiben. (Ich freue mich, wenn ich unrecht haben sollte)
    Die Ausle­gung hat mir aber Mut gemacht. Danke.

    1. Danke für Deine Gedanken. — Ich möchte an dieser Stelle aber ger­ade nicht eine Diskus­sion über ‘Kinder- oder Erwach­se­nen­taufe’ eröff­nen. Son­dern mir war wichtig zu zeigen, dass es an dieser Stelle um Auf­nahme und Eingliederung in die christliche Gemein­schaft geht. Dass wir dies­bezüglich ger­ade im Blick auf die ‘Jun­gen’ viel Luft nach oben haben, sehe ich auch so. Ich bezwei­fle aber, dass das mit der Prax­is der Kinder­taufe viel zu tun hat.

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