Singt Gott neue Lieder

Predigt zu Psalm 96,1–8a in der EMK Adliswil am Son­ntag 13.07.2025;

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Liebe Gemeinde,

„singt Gott ein neues Lied!“ Gle­ich zwei Psalmen begin­nen mit diesen Worten. Geschrieben vor mehr als 2‘500 Jahren. Es begann also nicht erst mit den soge­nan­nt ‚mod­er­nen‘ Liedern und Wor­ship-Songs. Schon zu Davids Zeit­en wur­den immer wieder neue Lieder geschrieben und gesun­gen. Jede Epoche der Kirchengeschichte hat­te ihre neuen Lieder: Gre­go­ri­an­is­che Gesänge waren ein­mal ‚der let­zte Schrei‘. Die Ref­or­ma­tion hat­te ihre Lieder. Die soge­nan­nte Ortho­dox­ie im Protes­tantismus eben­falls (→ Paul Ger­hard). Der Method­is­mus hat­te mit Charles Wes­ley einen her­aus­ra­gen­den (und äusserst pro­duk­tiv­en) Liederdichter. Die Erweck­ungs­be­we­gung, die charis­ma­tis­che Bewe­gung. Jede (notwendi­ge) Erneuerung in der Kirche ging ein­her mit neuen Liedern. Der Glaube braucht neue Lieder.

Auf der anderen Seite machen wir die Erfahrung: Es ist immer wieder das­selbe alte Lied!

  • Statt sich über neue Lieder zu freuen, wird über Musik­stile gestritten.
  • Was immer in der Kirche ein­mal neu war, wird irgend­wann alt, erstar­rt und ver­mag nie­man­den mehr vom Hock­er zu reissen.
  • Politiker:innen denken zuerst an die näch­ste Wahl und wagen es kaum, Prob­leme zu lösen
  • Reichen ist das Geld wichtiger als das Glück der Armen.
  • Mächtige dienen nicht den Men­schen, son­dern wollen ihre Macht ins Uner­messliche steigern
  • In der Gemeinde arbeit­en und organ­isieren wir, erfind­en Pro­jek­te, machen uns Gedanken, wie wir dafür wer­ben kön­nen …. doch am Schluss kom­men kaum neue Men­schen. Und die Bish­eri­gen stören sich daran, dass es anders ist, als sie sich gewohnt sind.
  • Wir beten und rufen zu Gott … und warten auf seine Antwort und sein Wirken. Und warten. Und warten …

Es ist immer wieder das­selbe alte Lied: Wir kom­men nicht vor­wärts. Wir nehmen so wenig von Gott wahr. Fra­gen und Zweifel sind viel stärk­er als unser klein­er Glaube. Immer wieder das alte Lied. Es gäbe viele Stro­phen für ein Klagelied …
Wenn wir den Spiess aber ein­mal umdrehen, ist zuzugeben: Gott hat min­destens gle­ich viel Grund, sich über das ewig gle­iche, alte Lied zu beklagen:

  • Immer wieder sind die Men­schen sich selb­st näher als den Mit­men­schen. Sie denken zuerst an sich und zulet­zt an Gott.
  • Immer wieder machen Men­schen grosse Worte, denen sie keine Tat­en fol­gen lassen.
  • Immer wieder ori­en­tieren sich Men­schen nach rück­wärts. Verk­lären nos­tal­gisch die Ver­gan­gen­heit, die gute alte Zeit. Und wen­den sich von Gottes Zukun­ft ab.
  • Men­schen sehnen sich nach den Fleis­chtöpfen Ägyptens und vergessen: Früher war keineswegs alles bess­er und Manch­es viel schlim­mer war. Sie schauen zurück und erstar­ren. Wie Lots Frau auf der Flucht aus Sodom.
  • Wir müssten es bess­er wis­sen. Jesus hat uns vom lieben­den Gott erzählt und davon, dass mit ihm die Zukun­ft begin­nt. Doch wir sin­gen lieber das alte Lied. Kla­gen. Jam­mern … Kein Wun­der, dass Amos im Namen Gottes ein­mal sagte: „Tut weg von mir das Geplärr dein­er Lieder. Ich mag dein Har­fen­spiel nicht hören!“ (Amos 5,23)
  • Und auch Jesus warnte: „Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht gesandt für das Reich Gottes!“

Eigentlich gehörte ‚das alte Lied‘ nicht zum Reper­toire von Glauben­den. Nein! Christ:innen sin­gen ein neues Lied! Das Lied vom Ver­trauen auf Gott. Das Lied von der Hoff­nung. Lieder von der Zukun­ft. Christ:innen sin­gen Loblieder. Wobei wed­er Stil noch Rhyth­mus noch sprach­lich­er Aus­druck das Kri­teri­um für ein neues Lied sind. Son­dern der Inhalt: Mit Gott der Zukun­ft ent­ge­gen. Dankbar und gewiss, dass Gott gegen­wär­tig ist und mitkommt. Sog­ar ein gre­go­ri­an­is­ch­er Gesang und jedes andere tra­di­tionelle Lied kann in diesem Sinn ‚neues Lied‘ sein. Wenn es besingt, dass Gott die Welt und unser Leben von Tag zu Tag erneuert. Wenn es davon singt, dass Gott uns trägt und führt und begleit­et. Wenn es zum Ver­trauen auf Gott ein­lädt. Wenn es Hoff­nung macht auf das, was noch kommt. – Hören Sie einen Auss­chnitt aus Psalm 96:

Singt dem Her­rn ein neues Lied!
Singt dem Her­rn, alle Län­der!
Singt dem Her­rn, preist seinen Namen!
Verkün­det seine Hil­fe von Tag zu Tag!
Erzählt den Völk­ern von sein­er Her­rlichkeit,
allen Natio­nen von seinen Wun­der­tat­en!
Ja, groß ist der Herr und hoch zu loben.
Man muss ihn mehr als alle Göt­ter fürcht­en.
Denn die Göt­ter der Völk­er sind nichts.
Aber der Herr hat den Him­mel gemacht.
Pracht und Schön­heit gehen von ihm aus.
Macht und Glanz erfüllen sein Heilig­tum.
Gebt dem Her­rn die Ehre, ihr Völk­er­scharen!
Gebt sie dem Her­rn und erken­nt seine Macht an!
Gebt dem Her­rn die Ehre, die seinem Namen gebührt!                            Psalm 96,1–8a

Die neuen Lieder, die wir Gott sin­gen, sind Loblieder. Wir bekla­gen nicht, was uns fehlt oder was schief gegan­gen ist. Son­dern wir danken für alles, was Gott gibt und tut. Wir hal­ten – auch gegen den Augen­schein – daran fest, dass Gott die Welt in sein­er Hand hat. Wir ver­trauen darauf, dass er die Prob­leme und Nöte der Welt schliesslich lösen wird. Wir glauben, dass er seine besten Ziele mit der Schöp­fung erre­ichen wird. Wir sind überzeugt, dass wir in der vol­len­de­ten Schöp­fung ankom­men werden.

Sind wir als Glaubende zu Opti­mis­mus verpflichtet? Ich habe diese Woche gele­sen: Opti­mis­ten haben genau­so unrecht wie Pes­simis­ten. Aber wenig­stens haben Opti­mis­ten mehr Spass!
Ich rede lieber von Hoff­nung als von Opti­mis­mus. Let­zter­er kommt näm­lich an Gren­zen, wenn ihm gute Erfahrun­gen aus­ge­hen. Hoff­nung aber kann sich auch von den Erin­nerun­gen an gute Erfahrun­gen ander­er nähren. Und sie kann sich nähren vom Glauben an den, der aus dem Nichts etwas schafft.
Wenn wir Gott nicht mehr wahrnehmen, erin­nern wir uns an Hiob, der noch im grössten Leid an Gott fes­thielt und – gegen alle Ver­nun­ft – auf ihn hoffte. Wenn wir uns ganz allein fühlen, erin­nern wir uns an Jesus, der die grösste Ver­lassen­heit selb­st erlitt und so Gott selb­st dahin brachte. Wenn die Völk­er toben und die Natio­nen mur­ren, wis­sen wir doch: Gott ist da! Gott begleit­et! Gott wirkt.
Im Hebräer­brief ste­ht es so: «Der Glaube ist ein Fes­thal­ten an dem, worauf man hofft – ein Überzeugt­sein von Din­gen, die nicht sicht­bar sind. Auf­grund ihres Glaubens hat Gott den Alten das gute Zeug­nis aus­gestellt. Auf­grund unseres Glaubens erken­nen wir, dass die ganze Welt durch Gottes Wort geschaf­fen wurde. Das Sicht­bare ist also aus dem her­vorge­gan­gen, was man nicht sieht.» (Hebr 11,1–3)

Das ist die Begrün­dung, warum wir eben nicht das alte Lied, son­dern neue Lieder sin­gen. Lieder, die getra­gen sind vom Ver­trauen auf Gott, von Zuver­sicht und von Hoff­nung im Blick auf die Zukun­ft, die Gott bringt. All das schöpfen wir aus dem, was uns ver­sprochen und zuge­sagt ist. Aus dem, was wir selb­st und aus dem, was viele andere mit Gott erfahren haben.

Apro­pos ‚Neue Lieder sin­gen‘: Stil und Rhyth­mus müssen für mich keineswegs immer neu sein. Mit Rap z.B. kann ich wenig anfan­gen. Auch wenn die Rhyth­men kom­pliziert wer­den, gehe ich schnell ver­loren. Vielle­icht auch deshalb schätze ich die Dialekt-Choräle von Christof Fankhauser (von denen wir in diesem Gottes­di­enst sin­gen) so sehr. Weil die Über­set­zun­gen und Neuin­ter­pre­ta­tio­nen der Texte mich das Neue ent­deck­en lassen, das Gott schafft. Und das ver­bun­den mit Melo­di­en, die ich kenne und in denen ich zu Hause bin. Diese Fas­sun­gen lassen erken­nen, dass alte Choräle im Grunde neue Lieder sind, die uns daran erin­nern und uns zeigen, was Gott getan hat. Warum wir Grund zur Zuver­sicht und zur Hoff­nung haben.

Apro­pos ‚Erin­nerung an das, was Gott getan hat‘: Das Abendmahl, das wir nach­her feiern, erin­nert uns daran, was Chris­tus für uns getan hat, dass Gott immer an unser­er Seite ist. Dass wir deshalb Grund zur Zuver­sicht haben, vor­wärts gehen und Freude ausstrahlen kön­nen. Dass wir deshalb neue Lieder sin­gen.
Ich schliesse mit ein­er anderen Auf­forderung, neue Lieder zu sin­gen: Psalm 98 in der Über­tra­gung von Jörg Zink:

Singt dem Her­rn ein neues Lied, denn er tat Wun­der.
Er half mit sein­er Recht­en und mit seinem heili­gen Arm.
Der Herr hat gezeigt, dass er hil­ft,
er hat gezeigt, dass er gerecht ist, vor den Augen der Völk­er.
Er war barmherzig und gütig.
Er war treu gegen das Volk Israel.
Von allen Enden der Erde sah man, wie er half.
Jauchzt Gott zu, ihr Men­schen, frohlock­et, spielt und musiziert!
Spielt dem Her­rn auf der Harfe! Begleit­et die Harfe mit starkem Gesang.
Bei Trompe­ten und Hörn­er­schall
seid fröh­lich vor dem König, dem Her­rn.
Es brause das Meer und was darin lebt, die Erde und die darauf wohnen.
Die Ströme sollen rauschen vor Jubel,
die Berge miteinan­der sollen fröh­lich sein
vor dem Angesicht Gottes, denn er kommt.
Er kommt und gibt der Erde Gerechtigkeit,
er ord­net die Welt in Gerechtigkeit
und die Völk­er nach richtigem Maß.                                                                                                        Amen

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