Warum aufbrechen?

Predigt zu Jona 1–4 in der EMK Adliswil und in der Regen­bo­genkirche am Son­ntag 17.08.2025;

Liebe Gemeinde,

Schritte wagen im Ver­trauen auf einen guten Weg, auf­brechen im Ver­trauen, dass Gott uns trägt…. was wir ger­ade gesun­gen haben, kennze­ich­net christlich­es Glauben und Leben. Und doch ist es kein Selb­stläufer. Im Auf­bruch leben? Warum eigentlich? Ist an einem guten Ort Bleiben wirk­lich keine Option? — Als langjährige (Wir haben unter­dessen über 700 Nächte in einem WoMo ver­bracht) Camper:innen leben Pia und ich in den Ferien buch­stäblich ‚im Auf­bruch‘. Wir geniessen es auch oft: Auf­brechen. Neues ent­deck­en. Oder schlicht dem guten Wet­ter fol­gen, dem schlecht­en weg­fahren kön­nen. Es fordert aber auch her­aus: Diesen Som­mer z.B. sehn­ten wir uns nach einem schö­nen Platz zum Sein und zum Bleiben. Wir fan­den ihn aber nicht. Das Wet­ter war zu unsich­er. Und viele Orte boten kaum mehr als einen Park­platz. Kein schönes Plätzchen. Da fragt man sich schnell: Warum tun wir uns das über­haupt an. Immer wieder Auf­brechen? Muss das sein? Obwohl wir wis­sen: Am drit­ten oder vierten Tag wer­den wir an den schön­sten Orten unruhig. Und es zieht uns wieder weiter.

Warum eigentlich auf­brechen? Wir sind im Som­mer nach Slowe­nien gefahren. In Kran­js­ka Gora haben wir erst­mals über­nachtet, auf einem staubi­gen Park­platz. Dann ging es weit­er nach Plan­i­ca. Dort gibt es im nordis­chen Skisportzen­trum (Die Ski­flugschanze, auf der schon über 250m weit gesprun­gen wurde, ist bekan­nt) schöne Wohn­mo­bil­stellplätze. Da ist viel zu sehen. Man kann gut wan­dern. Es ist eine beein­druck­ende und gebir­gige Umge­bung. Zwar kamen wir in starkem Regen an. Den­noch haben wir gle­ich für zwei Nächte bezahlt. Und es war ein guter Ort. Aber das Wet­ter blieb insta­bil. Weit­er weg von den Bergen wäre es vielle­icht bess­er. Aber eben nur vielle­icht. – Was also tun nach den bei­den Nächt­en? Bleiben und sich im WoMo verkriechen? Viel lesen und noch mehr schlafen? Dann hät­ten wir uns wohl bald gefragt, warum wir eigentlich so weit gefahren sind. Die Gegend gle­icht bei trüben Wet­ter der Schweiz stark. Da auf bessere Zeit­en zu warten, hätte uns frus­tri­ert, vielle­icht sog­ar depres­siv gemacht. – Wir haben uns also einen Ruck gegeben und sind los­ge­fahren. Etwas aus den Bergen her­aus und vor allem tiefer hin­unter. Es waren nur gut 50 km. Aber schon unter­wegs haben wir gespürt, dass es gut tat. Es wurde wärmer. Und auch trock­en­er. Am Abend waren wir wesentlich zufrieden­er und zuver­sichtlich­er als am Mor­gen. Der Auf­bruch hat sich als Segen, als Gewinn erwiesen.

Auch die Bibel­texte, die heute gehört haben, drehen sich ums Auf­brechen. An Chris­tus glauben und auf­brechen hat viel miteinan­der zu tun. Im Lied ‚Ver­traut den neuen Wegen‘ heisst es u.a.: „Seit leuch­t­end Gottes Bogen am hohen Him­mel stand,  sind Men­schen aus­ge­zo­gen in das gelobte Land.“ Und etwas später: „Wer auf­bricht, der kann hof­fen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore ste­hen offen. Das Land ist hell und weit.“ Es gehört zum Glauben, immer wieder aufzubrechen. Weil wir einen Auf­trag haben. Weil Chris­tus uns sendet. Und weil Glaube (→ ‚Nach­folge‘) let­ztlich nur im Auf­bruch wirk­sam und erfahrbar ist.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Selb­st wenn die Sit­u­a­tion zum Auf­bruch drängt (als Bezirk und als Kirche steck­en wir in solchen Sit­u­a­tio­nen), bedeutet ein Auf­bruch Unsicher­heit und vielle­icht Stress. Wohin sollen wir denn gehen? Was kön­nen wir, was müssen wir ändern? Und wenn es schief geht, was dann? Wie kom­men wir über­haupt in die Gänge?
Auf­brechen ist nicht leicht! Ich bin z.B. in meinem Leben schon 10mal umge­zo­gen. Jedes Mal ein Kraftakt. Mit zunehmen­dem Alter wird es schwieriger. Nicht nur, weil man immer mehr Ware hat. Auf­brechen, um Neues zu sehen? Oft sage ich eher: ‚Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.‘ Ich kann mich meist gut mit dem zufrieden geben, was ich (noch?) habe. Das ist manch­mal eine Gabe. Es kann aber auch eine Bremse sein und Läh­mungser­schei­n­un­gen verur­sachen. Was ein Prob­lem ist, weil das Leben weit­er geht. Weil der Glaube zum näch­sten Schritt und vielle­icht auf neue Wege führt. Immer wieder!

Als EMK-Bezirk drängt uns die Sit­u­a­tion zum Auf­bruch: Weil die Ren­o­va­tion der EMK ZH2 von der Gesamtkirche über­nom­men wird, ste­hen uns bald viel weniger finanzielle Mit­tel zur Ver­fü­gung. Dabei ist uns die Gemeinde wichtig und wir sehen Vieles, was getan wer­den sollte. Die Entwick­lung der Regen­bo­genkirche ist auch sehr offen. Und, wohl noch viel wesentlich­er: Die Art, wie wir gerne Kirche sind und lange Zeit gut funk­tion­iert haben, ist nicht mehr gefragt. Es kom­men kaum noch neue Leute dazu. Wenn uns der Kern der Kirche wichtig ist, wenn uns wichtig ist, dass neue Leute Chris­tus ver­trauen ler­nen, dann müssen wir schon deshalb auf­brechen und uns verän­dern.
Der Druck aus der Sit­u­a­tion macht den Auf­bruch freilich auch nicht leichter. Man müsste ja wis­sen, wohin. Das ist nicht klar, obwohl wir uns die Frage schon lange Stellen. Ausser­dem sind wir klein gewor­den, älter und schwäch­er. So dass man sich vielle­icht beim Wun­sch ertappt: Machen wir es so, wie wir es ken­nen und geniessen das, solange es noch geht …. Das wäre dann ver­mut­lich der Spatz in der Hand.

Ich mache mir heute und in zwei Wochen und dann wieder im Okto­ber und Novem­ber in den Predigten Gedanken zum Auf­bruch. Ich habe mir vorgenom­men, danach zu suchen, was einen Auf­bruch leichter macht. Was dazu motiviert. Was Rück­en­wind geben kön­nte. Die Predigten ste­hen unter dem gemein­samen Oberthe­ma: Vom Segen des Auf­bruchs. — Ich will glauben, dass auf dem Auf­bruch im Namen Christi gross­er Segen liegt. Und ich hoffe, mich und uns zuver­sichtlich­er zu stim­men, dass dem tat­säch­lich so ist.
Für heute habe ich die Frage gestellt: Warum über­haupt auf­brechen? Teilant­worten aus dem, was ich bish­er gesagt habe, kön­nten sein:

  • Weil es die Sit­u­a­tion nahe legt.
  • Weil Chris­tus uns zu den Men­schen sendet.
  • Weil wir Chris­tus, der uns voraus­ge­ht, nach­fol­gen wollen.

Gerne greife ich nun noch zum alttes­ta­mentlichen Buch des Propheten Jona. Seine Geschichte erzählt u.a. vom Auf­brechen. Und sie zeigt, was dabei schief gehen kann. Davon kön­nte sich etwas ler­nen lassen.
Die Geschichte ist bekan­nt. Die ganzen vier Kapi­tel jet­zt vorzule­sen, würde zu lange dauern, sie vorzule­sen. Deshalb beschränke ich mich auf wenige Stichworte:

  • Jona, der Prophet, wird von Gott beauf­tragt in der Welt­stadt Ninive zu predi­gen. Er soll Gottes Gericht ankündi­gen und zur Umkehr rufen.
  • Jona bricht sofort auf, freilich in die ent­ge­genge­set­zte Rich­tung. Er will übers Meer fliehen. Der Auf­trag ist ihm unangenehm.
  • Das Schiff gerät in einen schlim­men Sturm. Jona sieht seine Flucht als Grund dafür. Darum lässt er sich über Bord wer­fen um die Schiff­sleute zu ret­ten. Der Sturm lässt nach und Jona wird von einem Fisch ver­schluckt (in der Bibel ste­ht übri­gens nichts von einem Wal).
  • Dieser Fisch bringt Jona wieder ans Land. Nun bricht dieser wieder auf, dies­mal in die gute Rich­tung. Er predigt in Ninive. Die Men­schen hören ihm zu, kehren um und tun Busse.
  • Nach vol­len­de­ter Predigt zieht sich Jona aus Ninive zurück. Auf ein­er Anhöhe über der Stadt richtet er es sich gemütlich ein. Das Spek­takel von Gottes Gericht will er nicht ver­passen. Doch Gott rückt von seinem Ver­nich­tungs­beschluss ab und es geschieht: Nichts.
  • Da wird Jona trotzig. Und als dann noch der Baum abstirbt, der ihm Schat­ten gibt, macht er Gott Vor­würfe: Du hast mich schuften lassen … für nicht und wieder nichts. Gott fragt zurück: Dich reut ein einzel­ner Baum? Und mich soll­ten Tausende Men­schen nicht reuen?

Ich nehme in dieser Geschichte drei Hin­weise zum The­ma ‚Auf­bruch‘ wahr:

  1. Wohl am offen­sichtlich­sten: Jona bricht zwar sofort auf. Aber in die falsche Rich­tung. Er tut das Gegen­teil von dem, was dran wäre. Er flüchtet vor sein­er Auf­gabe und Ver­ant­wor­tung. – So läuft er sehen­den Auges ins Verder­ben. Der Sturm in ihm holt ihn auch äusser­lich ein. Er opfert sich, geht unter und steckt er im Fisch. – Das war kein Auf­bruch, son­dern ein Abbruch … der Beziehung zu Gott. Es kann gefährlich sein, den Auf­bruch zu ver­weigern. Für Jona wäre alles ver­loren, wenn es Gott nicht gäbe. Dank sein­er Gnade endet die Geschichte nicht im Bauch des Fis­ches. Son­dern Jona erhält eine zweite Chance. Das ist eine gute Nachricht! Obwohl: Wenn man für eine neue Chance im Sturm schiff­brüchig wer­den und die Säure im Fis­chma­gen ertra­gen soll ….dann weiss ich nicht, ob ich mir das wün­schen soll.
  2. Im zweit­en Anlauf bricht Jona in die Rich­tung auf, die Gott anzeigt. Er tut, was von ihm ver­langt wird. Mit wenig Überzeu­gung und sich­er ohne Begeis­terung, wie mir scheint. Den­noch: Er ist sog­ar erfol­gre­ich. Seine Predigt bewirkt Umkehr. Die Men­schen in Ninive wen­den sich Gott zu. Damit hat­te der Prophet wirk­lich nicht gerech­net. Er hat­te es sich auch nicht gewün­scht. Schliesslich: Wenn er das Gericht ankündigt, die Leute dann aber umkehren und das Gericht aus­bleibt … wie ste­ht Jona dann da? Als Panikmach­er! Als ein Prophet, der nicht recht behält. Jona gewin­nt nichts. Das stinkt ihm gewaltig.
    Der Auf­bruch aus reinem Gehor­sam, ohne innere Überzeu­gung und in der Hoff­nung auf per­sön­lichen Gewinn macht nicht glück­lich. Auf­bruch um des Auf­bruchs willen ist also auch nicht das Gelbe vom Ei. Auf­bruch um des per­sön­lichen Erfol­gs willen schon gar nicht. Weil er nur an sich selb­st dachte, sich zuerst von unnützem Aufwand zu schützen ver­suchte, danach wenig­stens Recht behal­ten und eine ordentlich Show geboten bekom­men wollte – darum ist Jona immer noch oder schon wieder auf dem Holzweg.
  3. Doch Gott lässt ihn wieder nicht sitzen und schult ihn weit­er, damit er merkt, wie es gemeint wäre: Gott ver­misst die Men­schen von Ninive. Er will sie zurück. Will mit ihnen Gemein­schaft haben. Diesem Ziel soll Jona als Prophet dienen. Er soll nicht auf­brechen, um sich nach­her damit zu brüsten, gehor­sam gewe­sen zu sein. Es geht auch nicht darum, Recht zu behal­ten. Oder darum, sich selb­st­gerecht am Unter­gang der Sünder:innen zu ergötzen. – Nein: Die Idee wäre, dass Jonas Herz mit Gottes Herz im Gle­ichk­lang ist. Dass er Gottes Sehn­sucht nach den Men­schen von Ninive zu sein­er eige­nen Sehn­sucht macht. Dass er für Gott Men­schen gewin­nen will. Auf die Frage: Warum brichst du auf? sollte Jona antworten kön­nen: Weil mir die Men­schen von Ninive wichtig sind. Weil sie dir, Gott, wichtig sind. Weil ich mir für diese Men­schen das Leben wün­sche, dass Gott mir geschenkt hat.

Warum brechen wir über­haupt auf? Wir haben ent­deckt, dass die Antwort ver­schiedene Facetten hat:

  • Unsere Sit­u­a­tion als Kirche und Gemeinde drängt. Es hat sich so viel geän­dert, dass auch wir uns ändern müssen, wenn wir weit­er­hin oder neu Men­schen für den Glauben begeis­tern wollen.
  • Gott sendet uns. Wir sollen seine Zeug:innen sein.
  • Gott ver­misst die Men­schen, die ihn ver­loren haben. Das darf und soll auch uns bewe­gen. Wir teilen sein Lei­den daran, dass Men­schen ihr Leben ver­passen oder Din­gen nach­laufen, die sie nur aus­saugen, ohne ihnen etwas zu geben.

Wir brechen auf, immer wieder. Weil wir die Liebe Gottes am eige­nen Leib erfahren haben. Und weil wir diese Erfahrung mit anderen Men­schen teilen wollen. Schliesslich, wie John Wes­ley immer wieder sagte: Das Beste von allem ist, dass Gott mit uns ist.
Übri­gens, ich hoffe, es sei dem einen oder anderen aufge­fall­en: Damit sind wir genau bei der Vision unseres Bezirks gelandet. Wir wollen Gottes Liebe erfahren und leben. Darum brechen wir auf, auf Gottes Wort hin. Amen

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