Gottes vorbehaltloses Ja

Predigt zum 4. Advent am 21.12.2025 in der EMK Adliswil zu 2.Korinther 1,15–22

Liebe Gemeinde,

um das Jahr 50 n.Chr. herum lebte der Apos­tel Paulus fast zwei Jahre lang in Korinth. Er arbeit­ete im Zelt­macher­be­trieb des Ehep­aars Aquila und Priszil­la. Diese waren nicht nur seine Arbeit­ge­ber, son­dern wur­den zu guten Fre­unde und Unter­stützern. Zusam­men mit Silas und Tim­o­theus grün­de­ten die drei eine christliche Gemeinde, die schnell wuchs. Als Paulus dann weit­er­reiste, blieb er im brieflichen Kon­takt mit dieser Gemeinde. Im ersten Korinther­brief z.B. beant­wortete Paulus eine Rei­he von Fra­gen aus Korinth. Etwa im Jahr 55 besuchte Paulus Korinth dann wieder. Dieser Besuch aber ver­lief nicht wie gewün­scht. Paulus fand, dass sein Brief nicht die erwün­schte Wirkung erzielt hätte und sagte dies auch. Darauf griff jemand den Apos­tel mas­siv an und stellte seine apos­tolis­che Sendung in Frage. Nie­mand wider­sprach. Nie­mand aus der Gemeinde stärk­te Paulus den Rück­en. So reiste er schliesslich wieder ab, tief gekränkt und ver­let­zt. Er emp­fand, einen Scher­ben­haufen zu hin­ter­lassen. Von Eph­esus aus schrieb Paulus dann ‚unter Trä­nen‘ einen weit­eren Brief (ver­mut­lich ist dieser ver­loren. Evtl. steck­en Teile davon in 2. Ko 10–13). Diesen ‚Trä­nen­brief‘ brachte Tim­o­theus per­sön­lich nach Korinth. Ihm gelang es bei dieser Gele­gen­heit auch, die Wogen wieder zu glät­ten. Davon erzählte er Paulus, als er zu diesem nach Eph­esus zurück­kehrte. Voller Freude ver­sprach der Apos­tel darauf den Korinth­ern (in einem weit­eren ver­lore­nen Brief?) einen baldigen Besuch. Doch dazu kam es nicht. Paulus musste seine Reise­pläne wieder ändern. Darum arg­wöh­n­ten manche Korinther, Paulus schmolle immer noch. Andere war­fen ihn vor, sein Ver­sprechen gebrochen zu haben. Dage­gen wehrt sich Paulus am Anfang des 2. Korinther­briefes (der also ver­mut­lich eher der vierte Brief war). Ich lese aus 2. Korinther 1:

Auf eines sind wir stolz, und das bezeugt auch unser Gewis­sen: Wir ver­hiel­ten uns in dieser Welt immer uneigen­nützig und aufrichtig, so wie es Gottes Willen entspricht. Wir ließen uns nicht von men­schlich­er Klugheit leit­en, son­dern von der Gnade Gottes. Das galt ganz beson­ders, wenn wir bei euch waren.
Im Ver­trauen darauf wollte ich gle­ich zu Beginn mein­er Reise zu euch kom­men – und euch so gle­ich zweimal die Gnade Gottes brin­gen. Denn ich hat­te vor, euch auf dem Weg nach Make­donien zu besuchen. Und auf der Rück­reise von Make­donien wollte ich noch ein­mal zu euch kom­men. Dabei hät­tet ihr mich zugle­ich für die Weit­er­reise nach Judäa ausstat­ten kön­nen. — Bin ich etwa leichtsin­nig gewe­sen, als ich mir das vorgenom­men habe? Oder mache ich Pläne nach Men­schenart und meine »Nein«, wenn ich »Ja« sage? — Aber Gott ist mein Zeuge: Keines unser­er Worte an euch bedeutet gle­ichzeit­ig Ja und Nein. Wir – das heißt: ich, Sil­vanus und Tim­o­theus – haben bei euch Gottes Sohn, Jesus Chris­tus, verkün­det. Und von dem gilt: Er war nicht Ja und Nein zugle­ich, son­dern er ist das Ja in Per­son. Durch ihn sagt Gott Ja zu allem, was er je ver­sprochen hat. Auf ihn berufen wir uns, wenn wir zu Gottes Ehre »Amen« sagen. Gott selb­st ist es, der uns gemein­sam mit euch im Glauben an Chris­tus fes­tigt. Er hat uns gesalbt und uns sein Siegel aufge­drückt. Dazu hat er uns den Heili­gen Geist als Vorschuss auf das ewige Leben ins Herz gegeben.                                                                                                                  2.Korinther 1,15–22

Man soll seine Ver­sprechen hal­ten. Das ist auch unsere Hal­tung. Doch in Wirk­lichkeit kann das kom­pliziert sein. Unser Ja ist manch­mal wack­e­lig, vielle­icht vor­läu­fig. Es kann zum Nein kip­pen: Wir ver­sprechen etwas voller Überzeu­gung. Dann aber ändern sich die Umstände, unsere Laune, oder uns kom­men Zweifel. Und wir brechen das Ver­sprechen. Das macht uns men­schlich, aber auch unzu­ver­läs­sig.
Um diese Frage der Zuver­läs­sigkeit geht es zu Beginn des 2. Korinther­briefes. Kri­tik­er in Korinth hat­ten Paulus vorge­wor­fen, er sei ein Mann des „Ja und Nein“, weil er seine Reise­pläne kurzfristig geän­dert hat­te. Wenn schon seine Ter­mine wack­e­lig sind, so über­legten sie, wie ist es dann um seine Botschaft bestellt?

I. Advent – Die Erwartung des defin­i­tiv­en Worts

Wir sind mit­ten im Advent, der Zeit der Erwartung. Wir warten auf die Erfül­lung der Ver­sprechen Gottes. Wir hören von Propheten und Engeln. Wir hof­fen auf Gottes Kom­men und Ein­greifen. Beim Warten schle­icht sich aber immer wieder die Frage ein, die verun­sichert: Hält Gott wirk­lich Wort? Bedeuten seine Ver­sprechen ein klares, sta­biles ‘Ja’? Oder vielle­icht nur ein ‘Ja, aber…’? Oder: ‘Ja, falls… ‘.
In sein­er Vertei­di­gung bringt Paulus die Her­aus­forderung auf eine the­ol­o­gis­che Ebene. Er schreibt: «Gott ist mein Zeuge: Keines unser­er Worte an euch bedeutet gle­ichzeit­ig Ja und Nein.» (V.18). Seine eigene Zuver­läs­sigkeit ver­ankert der Apos­tel wed­er in seinem Charak­ter noch in seinem Ter­minkalen­der. Vielmehr ste­ht er auf dem Fun­da­ment der Wahrhaftigkeit und Treue Gottes selb­st. Er sagt: «Was ich euch verkündi­ge, kann gar nicht wack­eln, weil es auf einem uner­schüt­ter­lichen Fun­da­ment steht.»

II. Das Zen­trum des Ja: Jesus Chris­tus – Die Ankun­ft der Treue

Damit lan­den wir direkt beim Kern des Evan­geli­ums. Im Zen­trum der Adventshoff­nung ste­ht Jesus Chris­tus: «Wir haben bei euch Gottes Sohn, Jesus Chris­tus, verkün­det. Und von dem gilt: Er war nicht Ja und Nein zugle­ich, son­dern er ist das Ja in Per­son.» (V.19). Das ist der zen­trale Satz des ganzen Abschnitts. Er unter­stre­icht: Jesus Chris­tus ist die fleis­chge­wor­dene Zuver­läs­sigkeit Gottes. Er ist die defin­i­tive Antwort Gottes auf alle unsere Fra­gen und Zweifel.
Alle Propheten des Alten Tes­ta­ments haben auf einen Ret­ter gewartet. Ihre Ver­heis­sun­gen bedeuteten noch ein ‘Ja, aber…’. Sie waren noch nicht erfüllt, noch nicht sicht­bar. Mit der Men­schw­er­dung Jesu, mit seinem Kom­men in unsere Welt an Wei­h­nacht­en, ging das Warten für immer zu Ende: In Jesus sagte Gott sein defin­i­tives, vor­be­halt­los­es, ewiges JA zur Welt. Gottes Ja im Kind in der Krippe ist wed­er ein zöger­lich­es ‘vielle­icht’ noch ein ‘Ja, aber’. Er sagt Ja. Klar. Unmissver­ständlich. Unwiderruflich.

  • Jesu Leben ist das Ja zur Men­schlichkeit, die Gott liebt.
  • Jesu Kreuz ist das Ja zur Verge­bung unser­er Schuld.
  • Christi Aufer­ste­hung ist das Ja zur Über­win­dung des Todes.

Schon im Advent und erst recht an Wei­h­nacht­en feiern wir die Ankun­ft dieses unwider­ru­flichen Ja Gottes. Wir müssen unseren Glauben nicht in den wack­e­li­gen Ter­mi­nen von Paulus ver­ankern. Auch nicht in unseren eige­nen unsicheren Gefühlen. Der Glaube ist vielmehr ver­ankert, ver­wurzelt in der Per­son Jesu Christi.

III. Die Res­o­nanz des Ja: Unser dop­peltes „Amen“

Gottes Zuver­läs­sigkeit in Jesus hat eine direk­te Folge für unser Leben. Paulus fasst sie in ein Wort­spiel: «Durch ihn sagt Gott Ja zu allem, was er je ver­sprochen hat. Auf ihn berufen wir uns, wenn wir zu Gottes Ehre »Amen« sagen.» (V.20). Jede Zusage Gottes – sei es Trost, Führung, Heilung oder ewiges Leben – find­et ihre Bestä­ti­gung in Chris­tus. Er ist der Erfül­lungs­ge­hil­fe. — Und wir? Wir antworten darauf mit unserem Amen.
Das ‘Amen’ ist mehr als nur ein Schluss­wort. Es bedeutet: „So sei es! Es ist wahr! Es ist zuver­läs­sig!“ Es ist unsere Res­o­nanz, unser Echo auf Gottes Ja. Wenn Gott durch Chris­tus Ja sagt, antworten wir Amen. — Im Advent, beim Hören der Propheten­worte ent­deck­en wir die Ver­heis­sung ganz neu. Dann sind wir ein­ge­laden, unser Amen nicht nur zu murmeln, son­dern es als Akt des Ver­trauens laut auszus­prechen. Wir müssen nicht länger zaud­ern, ob Gott uns wirk­lich meint. Wir kön­nen uns auf seine Zusage ver­lassen und sie mit unserem «So sei es!» besiegeln.

IV. Die Garantie des Ja: Das Pfand der Ewigkeit

Dieses Ja soll mehr sein als eine wun­der­bare the­ol­o­gis­che The­o­rie. Deshalb ver­ankert Paulus es in der prak­tis­chen Gewis­sheit des Heili­gen Geistes: «Gott selb­st ist es, der uns gemein­sam mit euch im Glauben an Chris­tus fes­tigt. Er hat uns gesalbt 22und uns sein Siegel aufge­drückt. Dazu hat er uns den Heili­gen Geist als Vorschuss auf das ewige Leben ins Herz gegeben.» (V. 21–22)
Gott tut also zweierlei:

  1. Er ver­siegelt uns: Das Siegel ist das Besitzzeug­nis. Es markiert uns als Eigen­tum Gottes. Gottes Ja ist damit offiziell und unwider­ru­flich bestätigt.
  2. Er gibt uns das Pfand des Geistes: Ein ‘Pfand’ ist eine Anzahlung, eine Anzahlung für etwas, das voll­ständig bezahlt wer­den wird. Der Heilige Geist in unseren Herzen ist die Garantie und die Vorschau auf die kom­mende Herrlichkeit.

Wir müssen nicht länger warten, um zu wis­sen, ob Gottes Ja hält. Wir haben die Anzahlung bere­its in uns – den Heili­gen Geist. Er ist der lebendi­ge Beweis dafür, dass Gottes vor­be­halt­los­es Ja wahr ist und dass wir zu Ihm gehören.

Wir sind also in der Adventszeit nicht auf der wack­e­li­gen Basis unser­er eige­nen Leis­tung oder der Unzu­ver­läs­sigkeit dieser Welt unter­wegs. Wir ste­hen auf dem Felsen­grund von Gottes Treue, besiegelt durch den Geist, fass­bar gewor­den im Men­schen Jesus von Nazareth. Gott hat sein vor­be­halt­los­es Ja gesprochen. Es befre­it uns von der Angst, immer alles richtig machen zu müssen, um geliebt zu wer­den. Es befre­it uns vom Ja und Nein unser­er eige­nen Unsicher­heit. Die Ein­ladung in der Adventszeit ist, das Leben als ein Amen auf das göt­tliche Ja zu leben: klar, zuver­läs­sig und voller Freude. Wir warten auf das Fest der Geburt Jesu in der Gewis­sheit, dass der, der gekom­men ist, alle seine Ver­sprechen hal­ten wird.

Ich schliesse mit einem Auszü­gen aus einem Lied­text, das die Botschaft von Gottes Ja in ein per­sön­lich­es Gebet über­set­zt: ‚You say‘ bzw. ‚Du sagst‘ Das amerikanis­che Orig­i­nal von Lau­ren Daigle ist eines der sel­te­nen Beispiele für christliche Lieder, die in der Hit­pa­rade (→ Bill­board hot 100 in den USA; 43 Wochen mit bester Rang­ierung auf Platz 29; let­zte Woche habe ich übri­gens mit Erstaunen fest­gestellt, dass es im Fit­nessstu­dio lief) Auf­nahme fan­den. In der christlichen Hit­pa­rade der USA (→ Hot Chris­t­ian Songs-Charts) war es seit 2018 132 Wochen lang auf Platz 1.
Ich zitiere hier aber nicht das englis­che Orig­i­nal, son­dern die dt. Ver­sion von Deb­o­rah Rosenkranz. Wie gesagt: es ist ein Zwiege­spräch mit Gott:

Ich kämpfe mit den Stim­men, die mir sagen, ich sei nicht genug
Immer diese Lügen die mich pla­gen: “Nichts wird jemals gut“
Bin ich mehr, als das was war
Die Höhen und der Fall so tief
Erin­ner mich noch mal
Ich hab vergessen, wer ich wirk­lich bin

Du sagst, ich bin geliebt
Auch wenn ich dich nicht spür
Du sagst, dass du mich hältst
Wenn ich am Fall­en bin

Du sagst, ich bin stark
Wenn ich am Boden lieg
Und bin ich auch allein
Sagst du, ich gehöre dir

Und ich glaub
Ja, ich glaub
Was du über mich sagst

Das Einzige was jet­zt noch zählt sind deine Worte über mich
In dir erkenn ich meinen Wert, in dir weiß ich jet­zt, wer ich bin

Du sagst, ich bin geliebt
Auch wenn ich dich nicht spür
Du sagst, dass du mich hältst
Wenn ich im Fall­en bin

Du sagst, ich bin stark
Wenn ich am Boden lieg
Und bin ich auch allein
Sagst du, ich gehöre dir

Und ich glaub
Ja, ich glaub
Was du über mich sagst

Oder eben: In Chris­tus hat Gott sein vor­be­halt­los­es Ja, sein unwider­ru­flich­es Amen zu mir (uns) gesprochen. Amen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert