Auf dein Wort, Herr!

Predigt zu Lukas 5,5b in der EMK Adliswil am 26.10.2025

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Liebe Gemeinde,

Petrus erzählt: «Ich werde es nie vergessen! Es ist Jahrzehnte her und fühlt sich doch an, als wäre es erst gestern gewe­sen: Wir waren die ganze Nacht draussen auf dem See Genezareth. Es war ruhig. Kaum Wind. Das Wass­er still. So ruhig, dass sich sog­ar die Sterne darin spiegel­ten …. Es war zu ruhig. Wir sahen näm­lich nicht einen einzi­gen Fisch. Mal um Mal holten wir die Net­ze ein. Doch sie waren immer leer. Als der Mor­gen däm­merte, waren wir fix und fer­tig. Müde. Ent­täuscht. Leer. – Wovon soll ein Fis­ch­er leben, wenn er nichts fängt?
Schliesslich fuhren wir zurück ans Ufer. Dort staunten wir nicht schlecht. Es herrschte emsiger Betrieb. So früh am Mor­gen. Unzäh­lige Men­schen. Und mit­ten­drin Jesus von Nazareth, der zu ihnen redete. Ich hat­te natür­lich schon von ihm gehört. Dass er ein fan­tastis­ch­er Red­ner sei. Dass in seinen Worten Gott nahe komme. Und dass Men­schen durch ihn gesund wür­den. – Von nahem hat­te ich ihn aber noch gese­hen. Jet­zt kam er auf mich zu. Er bat mich, von meinem Boot aus zu den Leuten sprechen zu kön­nen. Eigentlich wollte ich nur noch ins Bett. Aber er hat­te etwas an sich, das mich pack­te. Also liess ich ihn ein­steigen und rud­erte ein paar Meter vom Ufer weg. – Dann redete er zu den Men­schen. Ich sass neben ihm und hörte zu. Seine Worte waren ruhig, klar und voller Kraft. Sie macht­en etwas mit mir. Es kam mir vor, als würde er nur zu mir sprechen.
Als er fer­tig war, drehte er sich um und sagte zu mir: ‘Fahr hin­aus auf den See und wirf die Net­ze aus!’ Das war total ver­rückt! Er wollte mir sagen, wie man fis­cht!? Mir, Simon, der seit vie­len Jahren Fis­ch­er war. Ich erk­lärte ihm also, dass wir schon die ganze Nacht draussen waren und nichts gefan­gen hät­ten. Nach ein­er kurzen Pause hörte ich mich dann zu meinem eige­nen Erstaunen sagen: ‘Auf dein Wort hin will ich die Net­ze auswerfen!’»

Bis heWir wis­sen, wie es weit­er geht: Petrus machte den Fang seines Lebens und wurde von Jesus beauf­tragt, ein Men­schen­fis­ch­er zu sein. So wurde er zum Jünger und später zum Apos­tel. Alles begann mit dem Satz: «Auf Dein Wort hin will ich gehen, will ich die Net­ze auswerfen!»

Damit sind wir nahe beim The­ma des let­zten Son­ntags: Da ging es um Jesa­ja. Auf Gottes Frage antwortete der: «Hier bin ich! Sende mich!» Davon aus­ge­hend macht­en wir uns Gedanken, ob und inwiefern wir bere­it seien, uns von Gott senden lassen.
Heute hören wir Petrus sagen: «Auf dein Wort hin will ich gehen!» Das ist das­selbe. Sowohl Jesa­ja als auch Petrus sind bere­it aufzubrechen, weil Gott sie sendet.
Ich gehe davon aus, dass wir diese Bere­itschaft grund­sät­zlich auch mit­brin­gen. Was mich aber heute inter­essiert: Wie find­en wir aus, in welche Rich­tung es gehen soll? Woher ruft Gott? Wohin sendet Gott? Wie kön­nen wir Gott hören und ver­ste­hen? Wie fil­tern wir das Wort Gottes her­aus, das uns Klarheit gibt und die Rich­tung weist?

Viele fra­gen: Was ist der Plan Gottes für mein Leben? Was ist der Plan Gottes für unsere Gemeinde/Kirche? Und wer­den mit dieser Frage nie fer­tig. Manche drehen fast durch, weil sie es nicht her­aus­find­en. – Vielle­icht auch, weil das Wort ‘Plan’ falsche Erwartun­gen schürt. Als pünk­tliche, genaue und kor­rek­te Schweizer:innen neigen wir dazu, uns darunter einen Fahrplan vorzustellen. Oder ein Drehbuch. Jeden­falls etwas, das buch­staben- und zahlen­ge­nau einzuhal­ten ist.
Aber so arbeit­et Gott doch nicht. Die Vorstel­lung macht ihn viel klein­er als er ist. Er ist flex­i­bler. Und baut sehr viel Frei­heit in sein Führen und Leit­en ein. Viel öfter als wir denken, gibt es ver­schiedene gute Wege, die ihm gefall­en. Nicht nur einen richti­gen und unendlich viele falsche. Sein Plan, wenn man das Wort beibehal­ten will, ist eine Samm­lung von Zie­len und Pri­or­itäten, kein Fahrplan auf Mil­lime­ter­pa­pi­er. Seine Ziele steck­en ‘nur’ einen Rah­men ab. Darin kön­nen und sollen wir uns frei und eigen­ver­ant­wortlich bewegen.

I. Rah­men: Es ist Dir gesagt, Mensch …!

Dieser Rah­men ist klar und gut bekan­nt. Wir haben zu Beginn des Gottes­di­en­stes aus Micha 6,8 gehört: „Der Herr hat dich wis­sen lassen, Men­sch, was gut ist und was er von dir erwartet: Halte dich an das Recht, sei men­schlich zu deinen Mit­men­schen und lebe in steter Verbindung mit deinem Gott!“ Luther über­set­zt mit: „Es ist Dir gesagt!“ D.h. du weisst es. Du kennst Dich aus. Es ist Dir bekan­nt, was Gott von Dir will. Inhaltlich bedeutet es:

  1. Ori­en­tiere Dich an den Ker­naus­sagen der Bibel: 10 Gebote; Berg­predigt; Gnade; Gerechtigkeit, Hoff­nung und über allem:
  2. Die Liebe. Liebe Gott und liebe Deine Mit­men­schen so, wie dich selb­st. Let­zteres hat ja auch Jesus selb­st als das höch­ste der Gebote bezeichnet.

Damit ist der Rah­men abgesteckt. Darin kön­nen wir uns frei bewe­gen und ver­ant­wortlich entschei­den, wie wir ihm am besten entsprechen.
‘Es ist dir gesagt, Men­sch!’ – D.h., dass wir in der Regel ziem­lich genau wis­sen, was geht und was nicht. Was dran ist und was nicht. In welche Rich­tung wir uns wen­den soll­ten. – Darum: Nicht immer wieder zurück aufs Grund­sät­zlich­ste auswe­ichen. Nicht vom hun­dert­sten ins zehn­tausend­ste weit­er­fra­gen. Son­dern: ‘Auf Dein Wort gehe ich!’ Gottes Liebe leben und erfahren. Wie es in unser­er Vision heisst.

II. Konkre­tio­nen: Sen­si­bil­ität für Hin­weise Gottes

Nun ist das ist ja reich­lich all­ge­mein. Wir hät­ten es lieber etwas konkreter. Das geht auch: Es gibt immer wieder und zahlre­iche Hin­weise und Empfehlun­gen Gottes. Fin­gerzeige, die uns helfen, weit­erzukom­men. Das kön­nen ganz unter­schiedliche Dinge sein:

  • Eine uner­wartete Begeg­nung, in der ich jeman­dem vielle­icht einen Wun­sch von den Augen able­sen kann.
  • Ein Wort oder ein Satz bleibt in den Gedanken hän­gen. Ich werde es nicht mehr los. Aus einem Lied vielle­icht. Aus einem Buch. Oder etwas, das mir jemand gesagt hat.
  • Ein Bild oder ein Traum, das etwas aus­löst in mir.
  • Eine starke Erfahrung. Das kann ein Glücksmo­ment sein. Aber auch etwas, das mich erschreckt und aus der Bahn wirft.
  • Irgend etwas ganz Alltäglich­es wird für mich zum Wort Gottes. Das ist es vielle­icht nur heute, mor­gen dann wieder nicht mehr.

Wichtig ist, dass wir sen­si­bel sind für solche Hin­weise. Dass wir unsere Beziehung zu Gott aktiv gestal­ten. Dann wer­den uns seine Sig­nale auf­fall­en. Und dann wer­den wir Dorn­busch-Momente erleben wie Moses, von dem wir heute auch schon gehört haben. Bren­nen­des Gestrüpp in der Wüste (es gibt nichts ‘Gewöhn­licheres’ als das in der Wüste) brachte ihn darauf, was Gott von ihm wollte.
Es ist eine Hal­tung, die es einzuüben gilt: In Verbindung mit Gott bleiben. Gefasst sein darauf, dass fast alles sein Hin­weis für mich wer­den kann. Bere­it sein, mich in seinem Rah­men zu bewe­gen. – So kann Gottes Führen, Leit­en und Begleit­en konkret wer­den und mit Sicher­heit geben bei meinen Gedanken, Entschei­dun­gen und Schritten.

III. Med­i­ta­tiv­er Zwischenschritt

Wie ver­ste­he ich, was Gott mir sagt und in welche Rich­tung er mich leit­et? — Ich will an dieser Stelle zwei Lied­texte mit ihnen teilen, die mir in jun­gen Jahren sehr wichtig waren. Sie halfen mir (und tun das noch heute manch­mal), auf Gottes Hin­weise zu acht­en bzw. die Verbindung mit ihm aktiv zu hal­ten. Es sind bei­des eigentlich Gebete. Darum lasse ich, nach­dem ich sie gele­sen habe, jew­eils eine kurze Stille:

NUMEN ES WORT (Text: David Krebs)
numen es wort wün­scht i mir vo dir
es zeiche nur dass i weiss du losisch zue
numen es wort wo mir d’wahrheit seit
zeigt dass es wieter­geit
won i dir i d’ouge gseh

numen es wort lies­li oder lut
e liebe satz e meoldie wo d’angscht ver­triebt
numen es wort wo vertroue schafft
won es füür ent­facht
wien es liecht i mini nacht

und we d’stilli ring­sumhär uf mir liegt
bedrohlech wird und schwär
und we d’stilli im mim härz unerträglich wird
so weiss i doch für immer schwiegsch du nid

numen es wort und doch isch’s so viel
wüll i gseh immer meh im chline dini hand
numen es wort vo dir ent­gä­genäh
la’s mi wietergäh
mit em härz u mit verstand.

DEINE GEGENWART (Text: unbekan­nt)
gott irgend­wo in mir spür ich deine gegen­wart
eine unruhe die mich weit­ertreibt
eine frage die mich nicht schlafen lässt
ein glück manchmal

vielle­icht hast du zu tun
mit der fre­und­schaft zweier men­schen
mit dem kleinen mut für neue schritte
mit dem lachen das mich meint
gott ich bitte nur dies
bleib in mir die unruhe die mich schöpferisch macht
und die kraft die meine schwach­heit trägt
und das ziel für meinen weg

IV. Und wenn ich Gott falsch ver­standen habe?

Ein let­zter kurz­er Gedanke für heute: Oft brechen wir nicht auf, tun wir Schritte nicht, weil wir uns Sor­gen machen, vielle­icht das Falsche zu tun. Und das wollen wir ja nicht. Zwar begrei­flich. Doch so entste­ht viel Still­stand.
Was würde denn passieren, wenn ich Gott falsch ver­standen haben sollte und einen Schritt tue bzw. in eine Rich­tung auf­breche, die er nicht gemeint hat? Bin ich dann vom richti­gen Weg abgekom­men und ver­loren? ‑Wir haben in der Lesung einen oft unter­schätzten Abschnitt aus der Apos­telgeschichte gehört: Paulus wollte in der Prov­inz Asia evan­ge­lisieren. Doch das war nicht Gottes Idee. Also ver­wehrte es sein Geist. Auch nach Bithynien liess er sie nicht reisen.
Zweimal gle­ich nacheinan­der hat Paulus etwas entsch­ieden, was Gott offen­bar anders wollte. Liess er den Apos­tel deswe­gen etwa fall­en. Keineswegs. Im Gegen­teil. Als näch­stes schenk­te Gott Paulus einen Traum, der für den Moment wieder Klarheit schaffte. Gott führte behut­sam und geduldig weit­er.
Wenn wir uns mal für die falsche Rich­tung entschei­den und auf­brechen, dür­fen wir darauf zählen, dass Gott schon nach der ersten Kurve wieder bere­it ste­ht und uns weit­er leit­et. Er lässt uns nicht fall­en. Wir brauchen nicht so sehr Angst zu haben, das Falsche zu tun. Solange wir die Verbindung zu Gott aktiv lassen, solange wir offen und acht­sam bleiben für seine Sig­nale, wer­den wir einen guten Weg find­en und geseg­net bleiben.
Auch Simon Petrus hat manche Abzwei­gung ver­fehlt und musste sich kor­rigieren lassen. Aber ich glaube nicht, dass er je bereute, bere­it zu sein und aufzubrechen mit den Worten: «Auf Dein Wort, Herr, will ich gehen!»
Also kön­nen auch wir uns entspan­nen. Die Angst davor loslassen, Fehler zu machen. Auf Gottes Nähe ver­trauen. Auf­brechen und die Schritte tun, die wir meinen ver­standen zu haben. Uns bewe­gen, bevor wir ‘Stand­schä­den’ kriegen. Mit Gottes Hil­fe geht es weit­er. Das ver­spricht er. Amen

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