In Erwartung

Impuls im öku­menis­chen Gottes­di­enst zum 1. Advent am 30.11.2025 im Zelt auf dem Kro­nen­wiesen­platz zu Lukas 1,26–38

Liebe Gemeinde,

wir sind im Advent angekom­men. Wir sind gewis­ser­massen in Erwartung. Wir war-ten auf Licht ins Dun­kle. Wir warten auf Wärme in der Kälte. Wir warten auf das Fest. Wir warten auf freie Tage. Wir erwarten, dass es wieder so wird, wie wir es lieben: Stim­mungsvoll. Fes­tlich. Gut.

Bib­lis­che Texte im Advent laden uns aber ein, mehr zu erwarten. Nicht nur, was wir schon ken­nen. Es kön­nte doch mehr und ganz anderes möglich wer­den. Gott ver­mag mehr, als wir zu hof­fen wagen. – MARIA hat erlebt: Gott erwartet mehr als das Übliche, das Nor­male. Darum stellte der Besuch von Gabriel für sie so ziem­lich alles auf den Kopf. – Sie war ja noch sehr jung, 12 oder vielle­icht 13jährig. Mehr nicht. Sie war ver­lobt mit Josef. Ihre Erwartun­gen waren darum: Heirat­en; ein Mann, der sie liebt; Kinder. Ein nor­males Leben eben. Sie hoffte wohl schon auch auf das Kom­men des Mes­sias. Doch sie rech­nete nicht damit, dass sie das so per­sön­lich betr­e­f­fen würde.

Doch da sagte plöt­zlich ein Engel zu ihr: «Du wirst schwanger wer­den!» Was eine freudi­ge Nachricht sein kann, löst für eine ledi­ge junge Frau Schreck­en und Fra­gen aus. – Tja, was machen wir Men­schen, wenn Gottes Erwartung unsere eige­nen Pläne durchkreuzt?
Acht­en wir genau auf Marias Reak­tion. Sie ist nicht sofort fromm und demütig. Son­dern sie reagiert ver­wirrt, erschrock­en. Zwar hört sie die Ver­heis­sung vom Sohn, der König wer­den und ewig herrschen soll. Aber statt the­ol­o­gisch fragt sie prak­tisch, real­is­tisch: »Wie soll das zuge­hen? Ich bin doch mit keinem Mann zu-sam­men!« — Wer würde nicht nach dem WIE fra­gen, wenn eine Botschaft den ei-genen Leben­s­plan durchkreuzt. Was Gott erwartete, passte nicht zu ihrer Sit­u­a­tion, hin­ter­fragte ihre Ehre und Ver­lobung.
Ken­nen wir das nicht auch? Wir erwarten von Gott einen kleinen Trost. Eine san­fte Führung. Eine Lösung, die in unseren Ter­minkalen­der passt. Gott aber erwartet Grösseres, das stören kann: Er mag Verge­bung erwarten, wo wir noch schmollen wollen. Er mag einen Neuan­fang erwarten, wo wir es uns im Gewohn­ten bequem ein­gerichtet haben. Er kön­nte auch ein Wag­nis des Glaubens erwarten, wo wir Si-cher­heit suchen.
Was Gott erwartet, irri­tiert. Es zwingt uns, eigene Logik, eigene Pläne und eigene Sicher­heit preiszugeben. Maria erschrickt und spürt: «Wenn ich diese Tür öffne, ge-hört mein Leben nicht mehr mir.»
Tröstlich ist dann aber: Maria bleibt nicht allein mit ihren Fra­gen. Der Engel erk­lärt ihr: Es wird nicht durch Zufall oder men­schliche Kraft passieren. Der Heilige Geist wird in Dir ein Wun­der bewirken. – Und als Zeichen der Bestä­ti­gung hört Maria: Deine Tante Elis­a­beth ist auch schwanger, obwohl sie doch viel zu alt ist dafür.
Für Maria reicht das. Damit kann sie den entschei­den­den Schritt tun. Sie kapit­uliert nicht, son­dern sie akzep­tiert aktiv. Sie sagt nicht: «Ich muss wohl!», son­dern: »Ich gehöre dem Her­rn, ich bin bere­it. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« Mehr Erwartung kriegt ein Men­sch nicht hin. Schliesslich ist es nicht pas­sive Resig-nation, son­dern Marias mutiges, selb­st­bes­timmtes Ja zum Unbekan­nten. Sie sagt Ja zu ein­er Schwanger­schaft ohne Erk­lärung. Ja zu den Schwierigkeit­en, die das be-deutet. Ja zur göt­tlichen Bes­tim­mung, die sie in diesem Moment auch nicht ein­mal ansatzweise erfassen kann. – Von der zweifel­nden Frage: «Wie soll das zuge­hen?» wech­selt sie zur aktiv­en Bere­itschaft: «Ich weiss nicht wie, aber ich ver­traue dir mein Leben an.» — Marias Ja ver­wan­delt pas­sive Hoff­nung in aktive Erwartung. Ihr Ja ist der Schlüs­sel, der das Wei­h­nachtswun­der freischaltet.

Dieses Ja set­zt die zen­trale Ver­heis­sung des Advents frei: «Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.» Maria musste nicht ver­ste­hen, wie Physik und Biolo­gie der In-kar­na­tion funk­tion­ieren. Gefragt war nur ihr Ver­trauen. Sie ver­traute darauf, dass Gott auch möglich machen wird, was er erwartet.
Wenn uns Gottes Erwartung ver­weigern, bleiben wir in unser­er eige­nen, kleinen Logik gefan­gen. Das Unmögliche bleibt dann unmöglich. Wenn wir aber zum Ja der Be-reitschaft find­en — zum Ja zur Verän­derung, zum Ja zur Auf­gabe, zum Ja zum Wag-nis, zum Ja zur Verge­bung –, dann öffnet sich unser Leben für die Wirk­macht des Heili­gen Geistes.
Der Advent ist mehr als das Warten auf ein Fest. Er lädt uns darüber hin­aus ein, es Maria nachzu­tun: Das eigene Leben als Gefäss zur Ver­fü­gung zu stellen, damit Gott durch uns Frucht brin­gen kann. Wer so in Erwartung lebt, kann erleben, dass Un-möglich­es durch Gott möglich wird: Heilung. Ver­söh­nung. Innere Wandlung.

Im Advent ste­hen wir an der Schwelle zum Wun­der. Wir sind ein­ge­laden, über unse-re allzu kleinen Erwartun­gen hin­auszuge­hen. Gott erwartet mehr als nur Glitzer und blink­ende Läm­pchen. Fra­gen wir uns in dieser Adventszeit: Welche Erwartung hat Gott ger­ade an mein Leben? Was würde frei, wenn ich vom zweifel­nden ’Wie soll das geschehen?’ zum ver­trauensvollen ‘mir geschehe, wie du gesagt hast’ find­en kön­nte.
Ich wün­sche uns, dass Marias Worte in dieser Adventszeit zu unserem eige­nen Ge-bet wer­den. Dass wir das Ja sagen kön­nen, das Mut und Ver­trauen ver­langt, aber die Tür zum göt­tlichen Wun­der öffnet: »Ich gehöre dem Her­rn, ich bin bere­it. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« — Bei Gott näm­lich ist nichts unmöglich. Wir sind ein­ge­laden, genau dies in der Adventszeit neu zu erfahren. Amen

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