Zu Lukas 8,4–15
Immer wieder höre ich, die biblische Botschaft sei einfach zu verstehen und gebe klare Antworten. Den Gospel ‘Jesus is the answer’ singe ich übrigens gerne und aus vollem Herzen mit. Dennoch finde ich eher selten klare Antworten. Viel häufiger erlebe ich, dass die Bibel mich zu Fragen anregt. Je länger ich über einen Bibeltext nachdenke, desto wackliger werden meine Antworten und desto zahlreicher meine Fragen. Vielleicht ist das einfach typisch für einen stark kopfgesteuerten Menschen. Jedenfalls tröstet mich, dass ich mich im Fragen und Suchen oft sehr getragen fühle. Dagegen wird mir bei allzu abgeschlossenen Antworten eher etwas mulmig wird.
Nehmen wir zum Beispiel Jesu Gleichnis vom Säemann bzw. vom vierfachen Ackerfeld. Auf den ersten Blick ein ganz einfacher, normaler Vorgang in der Landwirtschaft der zeigt, dass nicht automatisch jedes Samenkorn zu einer reichen Ernte führt. Für die ersten Christen war das wohl tröstlich, weil sie immer wieder erlebten und erlitten, dass nicht automatisch jeder Mensch, der ihnen zuhörte, gläubig wurde.
So weit, so klar. Beim längeren Nachdenken gibt mir Jesu Geschichte allerlei Fragen und Rätsel auf: Warum sät dieser Bauer so unsorgfältig, verschwenderisch? Wenn die Saat bei einem nicht gleich aufgeht, ist dann für alle Zeiten Hopfen und Malz verloren? Aber auch: Welchen Sinn macht Jesu Hinweis, er rede in Gleichnissen, damit es (noch) nicht alle verstehen? – Die Fragen werden noch mehr, wenn ich an all die Anwendungen (z.B. in Familiengottesdiensten) denke, in denen nur das Bild vom Säen und Wachsen aufgenommen wurde und ganz andere Aussagen (durchaus gute, aber nicht von diesem Text beabsichtigte) und Botschaften abgeleitet wurden …
Ich kann oft nicht alle Fragen lösen. Es gehört schliesslich zum Glauben und Leben dazu, mit offenen Fragen zu leben und Gott dennoch zu vertrauen. Bei allen offenen Fragen finde ich in der Regel aber doch einen oder mehrere Aspekte, die mir im Moment weiterhelfen. Bei diesem Gleichnis ist dies zur Zeit:
- Es gibt mir eine Verstehenshilfe für die Erfahrung, dass bei allem Engagement im Säen (im übertragenen Sinn) sich oft nur wenig verändert. Es entlastet die Säenden auch vom Selbstvorwurf, es sei ihre Schuld, wenn das Ergebnis, die Ernte ausbleibt. Nein, mit Schuld muss das überhaupt nicht zu tun haben. Es ist einfach so. Lange nicht aus allen (verheissungsvollen) Anfängen wird auch etwas.
- Wenn Gott der Säende ist, dann wird in seiner verschwenderischen, grosszügigen Art des Säens seine Gnade sichtbar. Immer wieder sät, investiert er – ohne Rücksicht auf Verluste und trotz realistisch gesehen schlechten Erfolgsaussichten. Er hört nicht auf und er garantiert dafür, dass es eine Ernte geben wird.
Fragen und Gedankenanstösse:
- Zur persönlichen Umsetzung: Wie grosszügig bin ich in meinem Säen?
- Zur Diskussion: Aus dem Gleichnis könnte man ableiten: Hauptsache, es wird gesät, egal wie. Stimmt das? Oder haben doch diejenigen Recht, die sagen: ‘Das Gegenteil von gut ist gut gemeint’?