Dankbare Sorglosigkeit

Matthäus 6,33

Erntedank-Predigt am 29.09.2024 in der EMK Adliswil

Liebe Gemeinde,

sich Sor­gen zu machen, Prob­leme zu sehen und darüber zu stöh­nen fällt vie­len oft leicht. Darum sang der deutsche Enter­tain­er Jür­gen von der Lippe schon vor bald 40 Jahren: “Guten Mor­gen liebe Sor­gen, seid ihr auch schon alle da? Habt ihr auch so gut geschlafen? Na, dann ist ja alles klar ….

Zur Dankbarkeit hinge­gen müssen sich viele einen Schupf geben. Und aus Dankbarkeit her­aus grosszügig zu teilen ist noch weniger selb­stver­ständlich. Dazu habe ich vor­let­zte Woche zwei Erleb­nisse gemacht:

Pia und ich waren bei ein­er ukrainis­chen Fam­i­lie zum Znacht ein­ge­laden. Sie freuten sich riesig, dass wir uns dafür Zeit nah­men und bracht­en diese Freude auch deut­lich zum Aus­druck. Sie rede­ten davon, wie dankbar sie seien, in der CH sein zu dür­fen, Arbeit gefun­den zu haben und nicht auf Sozial­hil­fe angewiesen zu sein. Der Tisch war reich gedeckt mit Spezial­itäten aus ihrer Heimat. Und am Schluss gaben sie uns so viel von den Resten mit, dass wir noch min­destens zwei Mahlzeit­en damit bestre­it­en kon­nten. – Ihre Dankbarkeit war mit Hän­den zu greifen. Sehr beein­druck­end.
Einen Tag danach waren wir zu einem Geburt­stags­fest ein­ge­laden. Ein befre­un­detes Paar feierte, dass sie zusam­men 100 Jahre alt sind. Schweiz­er. Mit­telk­lasse. Ich weiss nicht, ob es Sor­gen um die Finanzierung oder ein anderes Motiv war, dass sie in der Ein­ladung schreiben liess: Bringt doch sel­ber mit, was ihr essen und trinken wollt. Wenn jemand mehr mit­bringt als er oder sie kon­sum­ieren kann, teilt uns das doch mit. – Wie wir in der Kirche wis­sen, funk­tion­ieren solche Bring- und Hol-Buf­fets gut. Es wurde ein schönes Fest mit angenehmen Begeg­nun­gen. Und doch: Der Kon­trast zur Ein­ladung bei der Flüchtlings­fam­i­lie am Tag zuvor fühlte sich krass an. Das ging uns nach.

Wie ste­ht es um unsere Dankbarkeit? In welchem Ver­hält­nis ste­ht sie zu den Sor­gen, die wir uns machen? Wie leicht teilen wir mit anderen, was wir haben? Stimmt das Ver­hält­nis? — Vielle­icht danken wir wenig, teilen wenig und machen uns viele Sor­gen.
Am ver­gan­genen Dien­stag nahm im Gespräch­skreis jemand Bezug auf die Mit­tagsnachricht­en. Es sei total schräg gewe­sen: Da war die Rede von den kriegerischen Auseinan­der­set­zun­gen im Libanon und von vie­len Toten. Und dann fol­gte, im sel­ben Ton­fall, genau­so ern­sthaft: In der CH werde darum gestrit­ten, ob man die 5‑Räppler abschaf­fen wolle. Es sei näm­lich ein Ver­lust­geschäft. Die Münzen kosteten in der Her­stel­lung mehr als sie dann wert seien …. Was uns alles Sor­gen macht! Sind wir uns bewusst, wie leicht viele unser­er Sor­gen sind, wenn man sie damit ver­gle­icht, was Men­schen an anderen Orten durch­machen müssen?

Wir feiern heute Erntedank! Das ist nicht nur gute Tra­di­tion. Es ist auch Ther­a­pie gegen zu viele und unnötige Sor­gen: Sich bewusst machen und wahrnehmen, was uns alles geschenkt ist; Dankbarkeit zum Aus­druck brin­gen, Gott und Men­schen gegenüber; Gottes Segen und Spuren im eige­nen Leben wahrnehmen. Das lässt vielle­icht nicht alle Sor­gen schmelzen und sich auflösen. Aber es stellt sie doch in ein anderes Licht. Und es entzieht ihnen die Dom­i­nanz.
Wenn den­noch Sor­gen bleiben, gibt es immer­hin die Ein­ladung aus 1. Pt 5,4: „All eure Sor­gen werft auf ihn. Denn er sorgt für euch!“ Und aus der Berg­predigt die Empfehlung: „Wenn ihr Euch Sor­gen machen wollt, dann sorgt Euch um das Reich Gottes. Dann wird euch näm­lich alles andere geschenkt.“ Das ist Mt 6,33 (frei nach D.Eschbach). Die Gute Nachricht Bibel über­set­zt: „Sorgt euch zuerst darum, dass ihr euch sein­er Herrschaft unter­stellt, und tut, was er ver­langt, dann wird er euch schon mit all dem anderen ver­sor­gen.“ Oder in der Basis Bibel ste­ht: „Strebt vor allem anderen nach seinem Reich und nach sein­er Gerechtigkeit – dann wird Gott euch auch das alles schenken.“
Das fordert her­aus: Ver­trauen zu wagen aus Dankbarkeit her­aus kann schwierig sein. Wieviel leichter wäre es oft, den Sor­gen den Lead zu über­lassen! Und deshalb nie fer­tig sein damit, sich abzu­sich­ern. Immer noch etwas abklären. Auf ein­deutigere Zeichen warten… und so nie einen Schritt des Glaubens wagen. – Danke sagen wir schon. Aber nach­her auch: ‚Ok! Gehen wir weit­er! Wagen wir einen näch­sten Schritt.‘? Manch­mal ertappe ich mich jeden­falls schon dabei, nach dem Danke nicht den näch­sten Schritt zu tun, son­dern eher zu sagen: ‚Danke, aber ….‘ Dage­gen fordert Jesus auf, dies­mal nach Luther 2017: “Tra­chtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach sein­er Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufall­en. “
Der ganze Abschnitt, aus dem dieser Vers stammt, ist ein Aufruf zur ‘dankbaren Sor­glosigkeit’. Ich lese nun Matthäus 6,25–34:

24) »Nie­mand kann gle­ichzeit­ig zwei Her­ren dienen! Entwed­er wird er den einen has­sen und den anderen lieben. Oder er wird dem einen treu sein und den anderen ver­acht­en. Ihr kön­nt nicht gle­ichzeit­ig Gott und dem Geld dienen!
25) Darum sage ich euch: Macht euch keine Sor­gen um euer Leben – was ihr essen oder trinken sollt, oder um euren Kör­p­er – was ihr anziehen sollt. Ist das Leben nicht mehr als Essen und Trinken? Und ist der Kör­p­er nicht mehr als Klei­dung?
26) Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ern­ten nicht, sie sam­meln keine Vor­räte in Sche­unen. Trotz­dem ernährt sie euer Vater im Him­mel. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie?
27) Wer von euch kann dadurch, dass er sich Sor­gen macht, sein Leben nur um eine Stunde ver­längern?
28) Und warum macht ihr euch Sor­gen, was ihr anziehen sollt? Seht euch die Wiesen­blu­men an: Sie wach­sen, ohne zu arbeit­en und ohne sich Klei­der zu machen.
29) Ich sage euch: Nicht ein­mal Salo­mo in all sein­er Her­rlichkeit war so schön gek­lei­det wie eine von ihnen.
30) So schön macht Gott die Wiesen­blu­men. Dabei gehen sie an einem Tag auf und wer­den am näch­sten Tag im Ofen ver­bran­nt. Darum wird er sich noch viel mehr um euch küm­mern. Ihr habt zu wenig Ver­trauen!
31) Macht euch also keine Sor­gen! Fragt euch nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen?
32) Um all diese Dinge dreht sich das Leben der Hei­den. Euer Vater im Him­mel weiß doch, dass ihr das alles braucht.
33) Strebt vor allem anderen nach seinem Reich und nach sein­er Gerechtigkeit – dann wird Gott euch auch das alles schenken.
34) Macht euch also keine Sor­gen um den kom­menden Tag – der wird schon für sich sel­ber sor­gen. Es reicht, dass jed­er Tag seine eige­nen Schwierigkeit­en hat.«                                                                                                                                     Matthäus 6,25–34 (Basis Bibel)

Die Begrün­dung für diesen Aufruf zur ‘Sor­glosigkeit’ lautet: “Nie­mand kann zwei Her­ren dienen…. Ihr kön­nt nicht Gott dienen und dem Mam­mon.” (NZB). Weit­er geht es mit ‘Darum’: “Darum sage ich euch: sorgt euch nicht!” D.h. ja wohl: Sich Sor­gen zu machen ist Dienst für Mam­mon, also ein Form von ‘Götzen­di­enst’. Oder umgekehrt – pos­i­tiv – for­muliert: Wer Gott dient und ihm ver­traut, der hat keinen Grund, sich um sich selb­st Sor­gen zu machen.
Sich für eine dankbare Leben­shal­tung und gegen Sor­gen entschei­den bedeutet: Sich für Gott und das Ver­trauen entschei­den. Sor­gen dür­fen wir loslassen, ihm anver­trauen. Die Ver­ant­wor­tung für das, was sich unser­er Kon­trolle entzieht, kön­nen wir Gott über­lassen. Wir zählen darauf, dass er für uns sorgt. Daraus wächst Dankbarkeit. So kön­nen wir Erntedank feiern. Auch das wurzelt im Ver­trauen auf Gott und in der Bere­itschaft, sich (von ihm) helfen zu lassen. Chris­tus hat alles für uns getra­gen: Lei­den, Sor­gen, Las­ten, Müh­sames und Lang­weiliges. Nichts davon braucht uns mehr zu belas­ten. Weil er uns liebt, mit uns geht und alles schenkt, was wir zum Leben brauchen. Darum soll die Tonart unseres Lebens die Dankbarkeit sein, nicht nur heute, am Erntedank­fest, son­dern jeden Tag.  Also auch dann noch, wenn nicht alles rund, son­dern vieles schief läuft. “Sorgt euch nicht” - das ist die Ein­ladung zur Dankbarkeit, zum Glauben, zum Vertrauen.

In der Berg­predigt ent­fal­tet Jesus konkret, was das heisst. Dabei geht es zuerst um Essen und Trinken. Sich darum nicht zu sor­gen, sollte eigentlich zu schaf­fen sein. Schliesslich haben wir alle mehr als genug davon. Sor­gen müsste uns eigentlich eher das Zuviel machen. Trotz­dem: Wie schnell ger­at­en wir an einem Buf­fett ins Drän­geln … aus Angst, ger­ade das, was wir unbe­d­ingt haben möcht­en, kön­nte zu früh aus­ge­hen? Wie oft kreisen unsere Gedanken ums Essen? Wie heikel sind wir manch­mal, wenn es nicht ganz genau unseren Vorstel­lun­gen entspricht? Jesus sagt: “Sorgt euch nicht um Essen und Trinken. Das Leben ist viel mehr als das!“
Es stimmt wohl: Das eigene Ver­hält­nis zu Essen und Trinken liefert Hin­weise darauf, wie gross das Gottver­trauen schon ist oder auch nicht. Das war übri­gens keine neue Ent­deck­ung Jesu. Schon in der rab­binis­chen Ausle­gung des AT gel­ten jene Israeliten, die mehr Man­nah sam­melten als sie für einen Tag braucht­en, als Parade­beispiel für Kle­ingläu­bige. – Und Ihr wisst ja, was mit dem über­schüs­si­gen Man­nah passierte: Es war am näch­sten Tag nicht mehr geniess­bar! — Ich möchte mir unseren Kühlschrank nicht vorstellen, wenn darin alles faul würde, was wir nicht an dem Tag essen, an dem wir es gesam­melt bzw. gekauft haben? — “Sorgt euch nicht um Essen und Trinken. Das Leben ist viel mehr als das!”

Dann die Klei­dung: Auch davon haben wir mehr als genug. Den­noch quälen wir uns damit, was wir nun anziehen sollen: Was passt am besten? Wie kann ich mich in ein gün­stiges Licht rück­en? Wom­it kann ich den Ein­druck erweck­en, den ich möchte? – Ich schätze es, wenn jemand gut und sauber ange­zo­gen ist. Aber ist die Frage so viel Energie wert, wie wir manch­mal hine­in­steck­en? Jesus sagt dazu: “Der Men­sch ist mehr als die Klei­dung. Was macht ihr euch also so viel Sor­gen darum? Seht euch die Blu­men auf den Wiesen an! Sie arbeit­en nicht und küm­mern sich auch nicht um ihre Klei­dung. Doch selb­st König Salo­mo in sein­er ganzen Her­rlichkeit war lange nicht so prächtig gek­lei­det wie irgen­deine dieser Blu­men. Wenn aber Gott sog­ar das Gras so schön wach­sen lässt, ….. meint ihr, dass er euch dann vergessen würde? Ver­traut ihr Gott so wenig?

Natür­lich dür­fen wir gutes Essen kochen und wertschätzen. Selb­stver­ständlich ist die Freude an schö­nen Klei­dern erlaubt. Aber es ist neben­säch­lich. Wed­er das eine noch das andere macht den Wert unseres Lebens aus. Wir mögen uns noch so um Essen und Klei­dung sor­gen, es ver­längert oder verbessert unser Leben nicht.
Vom Ver­trauen her liesse sich auch das The­ma Sicher­heit noch anschnei­den. Darum sor­gen sich alle, in der CH ganz beson­ders. Im Durch­schnitt gibt jede Per­son in der Schweiz über 1‘000.-/monatlich für Ver­sicherun­gen aus. Pro Haushalt macht das fast 25 % des ver­füg­baren Einkom­mens. Den­noch fühlen sich Herr und Frau Schweiz­er nicht wirk­lich sich­er und jam­mern über steigende Unfal­lzahlen oder Ver­brechen­srat­en. Obwohl die Sta­tis­tik das Gegen­teil beweist. Klingt doch ziem­lich schräg.

Ich glaube, Jesus bringt es in der Berg­predigt genau auf den Punkt: “Ist euer Gottver­trauen so klein?” fragt er. Das ist der Grund, warum wir uns immer wieder von Sor­gen dominieren lassen: Unser Gottver­trauen reicht nicht. Wir meinen, selb­st dafür sor­gen zu müssen, dass es gut kommt. Das haben wir aber nicht im Griff. Und so wach­sen Sor­gen, ja Äng­ste um das Woh­lerge­hen. Das Stresslev­el steigt. Und wir merken vielle­icht gar nicht, wie weit wir dabei am Leben vor­beizie­len.
Wichtig ist: Chris­tus ver­bi­etet uns die Sor­gen nicht. Aber er will sie in gute Bah­nen lenken. Und uns so von dem befreien, was uns das Leben ver­passen lässt: Lasst doch die Sor­gen fahren. Ver­traut Gott. Dann wird es Euch viel bess­er gehen. Und falls Ihr nicht wisst, was Ihr mit der Energie, die Ihr in eure Sor­gen ver­locht habt, nun anfan­gen sollt, dann investiert sie doch ein­fach in Gottes Reich. Lebt und engagiert Euch für ihn. Dann werdet ihr haben, was ihr zum Leben braucht.

Hof­fentlich trägt jedes Erntedank­fest, das wir feiern, dazu bei: Dass wir uns etwas weniger Sor­gen machen; dass wir etwas dankbar­er wer­den; dass wir etwas mehr auf Gottes Wirken ver­trauen. Dann ist sehr viel erre­icht. Lassen wir uns von Jesus zu ein­er dankbaren Sor­glosigkeit (¹ Ver­ant­wor­tungslosigkeit) ermuntern. Ler­nen und üben wir, das Ver­trauen ganz auf Gott zu set­zen. Das lässt uns gelassen und dankbar leben.
Nicht Jam­mern und Sor­gen, son­dern Danken soll unser Leben bes­tim­men. Unser Denken muss nicht prob­le­mori­en­tiert, son­dern darf ver­heis­sung­sori­en­tiert sein. Es geht nicht darum, was wir leis­ten. Son­dern wichtig ist, dass wir die Geschenke Gottes wahrnehmen. Und diese nutzen, um das Reich Gottes zu fördern. Eben, mit dem Leitvers unseres Auf­trags gesagt: “Gebt nur Gott und seinem Reich den ersten Platz in eurem Leben, so wird er euch auch alles geben, was ihr nötig habt.” (Mt 6,33). Amen

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