Gedanken im ökumenischen Gottesdienst auf dem Bruggeplatz Adliswil am 01.12.2024 (1. Advent)
Copyright: Octavian Iordache on unsplash.com
Liebe Gemeinde,
Ist der Samichlaus ein Freudenbote? Ich denke schon. In den Gedanken ist der strafende Aspekt und mit ihm die ‚Fitze‘ immer mehr in den Hintergrund getreten. Im Vordergrund steht, dass der Samichlaus/Weihnachtsmann Geschenke bringt und Freude macht. – Wussten Sie übrigens, dass die Figur des Weihnachtsmanns/Samichlauses, so wie sie heute in den Medien dominiert (freundlicher alter Mann in Rot, Rentierschlitten) von einer Werbekampagne von Coca-Cola entscheidend mitgeprägt wurde? Der Zeichner Haddon Sundblom zeichnete von 1931–1964 jährlich mindestens einen Weihnachtsmann für Werbekampagne von Coca-Cola? Wie sehr ihnen Coca-Cola Freude macht, weiss ich nicht? Aber auch das historische Vorbild des Samichlauses, der Bischof von Myra im 4. Jh., war ein Freudenbote. Er brachte Freude durch gelebte Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe. Er war ausserdem ein Mann, der sich sehr stark an Jesus orientierte. Er lebte, was auch Jesus von sich selbst sagte.
Dazu lese ich nun einen Abschnitt aus dem Lukasevangelium:
Jesus kam auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war.
Am Sabbat ging er wie gewohnt in die Synagoge.
Er stand auf, um aus der Heiligen Schrift vorzulesen.
Man reichte ihm die Schriftrolle
mit dem Propheten Jesaja.
Jesus rollte sie auf
und fand die Stelle, wo geschrieben steht:
»Der Geist des Herrn ruht auf mir,
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
den Armen gute Nachricht zu verkünden.
Den Gefangenen soll ich zurufen,
dass sie frei sind,
und den Blinden, dass sie sehen werden.
Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen.
Ich soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr,
in dem der Herr Gnade schenkt.«
Jesus rollte die Schriftrolle wieder zusammen,
gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich.
Alle Augen in der Synagoge
waren gespannt auf ihn gerichtet.
Da sagte er zu den Anwesenden:
»Heute ist diese Stelle in der Heiligen Schrift
in eurer Gegenwart in Erfüllung gegangen.«
Lukas 4,16–21 (Basis Bibel)
Liebe Gemeinde,
den Armen/Bedürftigen sollen gute Nachrichten verkündigt werden. Die guten Nachrichten bestehen in der Zusage von Befreiung: Blinde sollen wieder sehen. Gefangene befreit werden. Unterdrückte Anerkennung und Respekt erfahren. Darin wird erlebbar: Gott ist da. Er kommt zu Besuch in dieser Welt. Er schenkt seine Gnade und Liebe.
Darum ging es gemäss dem gelesenen Abschnitt Jesus mit seinen Worten und Taten. Gott kommt nahe. Gott befreit. Gott heilt. Das alles ist Grund zur Freude in einer Welt, in der es oft wenig bis nichts zu lachen gibt.
Jesus hat das übrigens nicht nur einmal gesagt. Als Johannes der Täufer einmal ins Zweifeln geriet und sich fragte, ob Jesus der richtige sei, liess er seinem Vorläufer ausrichten: „berichtet Johannes, was ihr hört und seht: ›Blinde sehen und Lahme gehen. Menschen mit Aussatz werden rein. Taube hören, Tote werden zum Leben erweckt, und Armen wird die Gute Nachricht verkündet.‹ (vgl. Mt 11,1–6) An dem, was um und durch Jesus geschah, sollte Johannes ablesen können: Jesus ist der richtige. Jesus ist der Freudenbote Gottes. In ihm kommt Gott auf die Welt bzw. ins Leben.
Was hat das nun mit dem Samichlaus bzw. dem Nikolaus zu tun? – Nun: Jesus hat seine Jünger:innen aufgefordert, es ihm nachzutun, seinem Vorbild nachzueifern. Wie er und in seinem Namen zu Blinden, Lahmen, Armen etc. zu gehen und ihnen Freude zu machen durch gute Nachrichten.
Nikolaus von Myra war einer, der dies vorbildlich umgesetzt hat. Zwar wissen wir wenig Gesichertes über ihn. Aber auch die Legenden, die sich um ihn ranken, lassen begreifen: Nikolaus war einer, der im Namen Gottes für die Menschen da war und sich grossherzig einsetzte. Mit wohl viel Phantasie gelang es im immer wieder, Menschen einen Ausweg aus Nöten und Ängsten zu zeigen. Sie erleben zu lassen, dass Gott sie nicht vergessen hat. Dass sie gesehen sind. Respektiert. Wichtig genommen. Geliebt.
Demnach hat Nikolaus gelebt, was sich Jesus von seinen Jünger:innen erhofft. Er hat getan, was auch unsere Aufgabe ist. Er ist so ein Vorbild für uns. Es ist nämlich auch unser Job: „… den Armen gute Nachricht verkünden. Den Gefangenen zurufen, dass sie frei sind, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Unterdrückten die Freiheit bringen und verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.“
So kommt Freude in die Welt. Und bevor Sie jetzt befürchten, das bedeute nur viel Mühe und Anstrengung, weise ich gerne abschliessend auf das Versprechen hin, das sich damit verbindet. In einem Gleichnis hat Jesus erklärt: „Was ihr für Hungrige, Durstige, Fremde, Nackte, Kranke, Gefangene getan habt, das habt ihr für mich getan.“ (vgl. Mt. 25, 31–40). Mit anderen Worten: Wer wie Nikolaus von Myra sich um Mitmenschen kümmert und ihnen Freude macht, begegnet darin Jesus selbst. In Mitmenschlichkeit, in Begegnungen und Beziehungen ist Gott gegenwärtig. Jesu trägt immer wieder das Gesicht des Menschen, der mir gerade gegenüber ist. — Oder noch anders gesagt: Wenn ich der Welt im Namen Gottes Freude bringe (Joy to the World), finde gerade auch ich selbst darin Freude und begegne Christus höchstpersönlich. Amen