Predigt am 15.12.2024 (3. Advent) in der EMK Adliswil
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Liebe Gemeinde,
wie halten Sie es mit den Weihnachtsgeschenken? – Die Festtage rücken näher. Man will für alle ein passendes Geschenk bereit haben. Manche haben schon nach den Sommerferien angefangen mit Planen und Basteln. Andere kämpfen damit, dass ihre Einkaufsliste immer noch ein Lückentext ist. Und dann gibt es auch die, welche sich frühstens am 23.12. ins Getümmel stürzen um spontan die idealen Geschenke zu finden. Sie wundern sich jedes Jahr neu, wie teuer und stressig die ganze Sache gerät. So oder so ist die grösste Herausforderung: Die lieben Freunde und Verwandten eigentlich längst alles, was sie zu einem guten Leben brauchen…. Darum verzichten immer mehr Leute auf Weihnachts-geschenke und drücken ihre Wertschätzung mit Spenden im Namen der Lieben aus.
A propos Lückentext: Ich muss nicht nur passende Geschenke für jeden und jede finden. Ich will auch niemanden vergessen! Habe ich wirklich an alle gedacht? – Dabei kommt mir der Gedanke: Fehlt womöglich auf meiner Weihnachtsgeschenkliste nicht die Hauptperson? Weihnachten ist doch ein Geburtstagsfest. Steht denn das Geburtstagskind auf meiner Geschenkeliste? Was bekommt Jesus Christus von mir zu Weihnachten?
Zu gut hätte er doch ganz sicher etwas. Aber was? In den Geschäften gibt es für dieses Problem nichts zu kaufen. Auch mit Basteln kann man es wohl nicht lösen. Mit Spenden für wohltätige Zwecke käme man der Sache sicher etwas näher. Es befriedigt mich aber noch nicht ganz. Ich möchte doch Jesus direkt ein persönliches Geschenk machen. Was könnte das sein? Was wünscht sich Jesus zu seinem Wiegenfest von uns? Gibt es Hinweise in der Weihnachtsgeschichte? Was wurde dem Kind in der Krippe geschenkt?
Von Geschenken lesen wir nur im Mt-Ev. Es berichtet von weisen Männern, die Gold, Weihrauch und Myrrhe in den Stall brachten. Es gab noch weitere Gäste und Besucher: innen in Bethlehem. Freilich hatten Ochse und Esel (die übrigens in der biblischen Weihnachtsgeschichte nicht vorkommen, sondern von der Tradition aufgrund von Jes 1,3 ‚hineingetragen‘ wurden) nichts abzugeben. Und die Hirten waren wohl zu arm um sich Geschenke leisten zu können. Sie kamen mit leeren Händen. Und doch schenkten sie etwas. Im Lk-Ev heisst es, dass sie Gott dankten, lobten und priesen für das Geschenk dieses Kindes. D.h. sie öffneten ihre Herzen im Stall von Bethlehem. Bilder und Gemälde, die diesen Moment darstellen, tragen oft den Titel: ‚Die Anbetung der Hirten’. Und genau darum geht es. Das ist das Weihnachtsgeschenk der Hirten an das neugeborene Kind: Anbetung. – Wenn also Jesus einen Wunschzettel hätte, dann könnte darauf das Stichwort ‚Anbetung‘ stehen. Das wünscht er sich von uns. Aber was ist das? Es muss doch mehr sein als eine bestimmte Art von Musik oder ein definiertes liturgisches Element. Was ist Anbetung? Was macht dieses Geschenk aus, das Gott sich nicht selber machen kann?
Anbetung hat mit Hingabe zu tun. Sie ist eigentlich eine Liebeserklärung. Biblisch gipfelt sie Gott gegenüber im vom Herzen kommenden Bekenntnis: ’Gott, du bist mein Gott!’. Wobei es aber nicht nur um die Worte geht. Taten spielen bei Anbetung genauso eine Rolle. Eine gesprochene Liebeserklärung an Gott bedarf des Tatbeweises in der Geschwisterliebe. Schliesslich heisst es in 1. Jh 4,20: „Wer behauptet: »Ich liebe Gott!«, aber seinen Bruder und seine Schwester hasst, ist ein Lügner.»
Anbetung heisst einerseits, Christus gegenüber Liebe ausdrücken mit Worten, mit Musik, mit kreativer Energie. Und es heisst andererseits: Dieser Liebe entsprechend das Leben gestalten, Gemeinschaft mit anderen Menschen aufzubauen, ihnen mit Empathie, mit offenem Herzen und offenen Armen begegnen. Sie wertschätzen und das Leben teilen mit anderen Menschen.
Könnte Anbetung mein/unser Weihnachtsgeschenk an Jesus Christus sein? Ich will diesen Gedanken vertiefen und greife zu einer biblischen Liebeserklärung an Gott. In Lk 1,46–55 steht der sogenannte Lobgesang Marias (auch bekannt als ’Magnificat’). Martin Luther nannte den Text die “Krone aller Gebete”. Es ist ein Beispiel dafür, wie Anbetung als unser Weihnachtsgeschenk an Gott aussehen könnte:
46) Maria aber sprach: »Mein Herz preist den Herrn,
47) alles in mir jubelt vor Freude über Gott, meinen Retter!
48) Ich bin nur seine geringste Dienerin, und doch hat er sich mir zugewandt. Jetzt werden die Menschen mich glücklich preisen in allen kommenden Generationen;
49) denn Gott hat Großes an mir getan, er, der mächtig und heilig ist.
50) Sein Erbarmen hört niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, von einer Generation zur andern.
51) Jetzt hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt die Stolzen weg samt ihren Plänen.
52) Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf
53) Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort.
54) Er hat an seinen Diener Israel gedacht und sich über sein Volk erbarmt
55) Wie er es unsern Vorfahren versprochen hatte, Abraham und seinen Nachkommen für alle Zeiten.
Dieses Gebet zeigt zunächst: Anbetung kommt von Herzen.
Das wird klar, wenn wir sehen, in welchem Zusammenhang Maria so betet: Da kommt also ein Engel in das Zimmer eines höchstens 16-jährigen Mädchens und sagt ihr, dass Gott sie liebt. Doch nicht bloss das. Gott habe sie unter allen Frauen ausgewählt und etwas Besonderes mit ihr vor: Sie soll den Sohn Gottes zur Welt bringen. Daraufhin geht Maria zu ihrer Verwandten Elisabeth. Die hat auch ein Wunder erlebt, ist sie doch im hohen Alter noch schwanger geworden. Als Maria bei Elisabeth angekommen, beginnt das Kind in Elisabeths Bauch zu tanzen und Elisabeth sagt: “Dich hat Gott gesegnet mehr als alle anderen Frauen, dich und dein Kind. Was Gott dir angekündigt hat, wird geschehen.“
In diesem Moment bricht nach der luk Weihnachtsgeschichte ein Gebet aus Maria hervor. Eben das Magnificat. Für heutige Ohren mag es unwirklich klingen. Hatte doch ein schwangeres Mädchen, das keinen Mann bzw. Vater des Kindes vorweisen konnte, überhaupt nichts zu lachen, zu jubeln oder gar anzubeten. Aber das ist für Lk nicht der Punkt. Sondern er geht davon aus, dass Elisabeths wunderbare Schwangerschaft eine Bestätigung für Maria ist. Und für die Verheissung, die sie erhalten hatte. Ausserdem tanzt das Kind in Elisabeth. Lk versteht das als Ehrerbietung und Freude von Johannes bei der Begegnung mit Jesus. So wird auch das zur Bestätigung der erhaltenen Versprechen. Das muss Maria zu Herzen gegangen sein. Lk zeigt mit seiner Geschichte: Marias Herz ist so voll von Gott, dass sie gar nicht anders kann, als anzubeten. Es ist, wie es das Sprichwort sagt: ’Wer ein volles Herz hat, dem läuft der Mund über!“
Mit ihrem Gebet bringt sie dabei zweierlei zum Ausdruck:
1. Bekenntnis: Gott ist Gott in meinem Leben
Marias Leben hat eine atemberaubende Wende genommen: Eben noch war sie eine unbedeutende und unauffällige junge Frau wie tausend andere in Israel auch. Und nun soll ausgerechnet sie die Auserwählte sein — die Mutter Gottes? Nur weil sie eine Vision von einem Engel hatte und eine alte Frau sie glücklich preist? … Es hätte ja auch einfach ein Tagtraum gewesen sein können (welches Mädchen träumt nicht davon, eine Prinzessin zu sein?) und die Worte Elisabeths das Geplapper einer überdrehten Frau.
Was hatte sich in den letzten paar Tagen denn verändert? Man sah Maria ja noch nicht einmal an, dass sie in Erwartung war. Gott sei Dank nicht. Noch konnte sie hoffen, alles sei nur eine Täuschung gewesen. Schliesslich war eine Schwangerschaft für ein lediges Mädchen damals nicht weniger als die Katastrophe Maria konnte ja noch nicht mal auf einen Mann verweisen, der sie dann hätte heiraten müssen. Nichts! Ihre ganze Zukunft war ihr verbaut. Bis zum Lebensende verdonnert im Haus ihrer Eltern zu schmachten — immer mit dem Nimbus einer Schlampe!
Doch all diese Gedanken ficht Maria in Lukas‘ Geschichte überhaupt nicht an. Mit einer bemerkenswerten Sicherheit verlässt sie sich auf Gottes Zusagen. Das hört man aus ihrem Gebet heraus. Es ist für sie gar keine Frage, dass Gott zu seinen Zusagen steht.
Genau dieses Vertrauen wächst aus der Anbetung. Denn Anbetung bedeutet einen Wechsel der Perspektive! Ich schaue nicht mehr mit meinen, sondern mit Gottes Augen auf meine Situation. Anbetung bedeutet zu glauben und auszusprechen: Gott ist Gott in meinem Leben. Sich darauf zu verlassen, auch wenn noch nichts Entsprechendes zu sehen ist, das heisst anbeten: Gott ist Gott und darum wird er sich auch in meinem Leben durchsetzen. Basta! Oder Amen, wie man wohl in einer Kirche eher sagt.
Doch zur Anbetung gehört noch mehr. Ein zweites kommt in Marias Gebet zum Ausdruck, nämlich das aus vollem Herzen kommende Bekenntnis …
2. Bekenntnis: Gott ist Gott ist in dieser Welt
Wir hören noch einmal ein paar Zeilen aus Marias Gebet: „Unübersehbar handelt Gott in der Welt: Die Stolzen bekommen seine Macht zu spüren. Er stürzt Herrscher von ihrem Thron, doch Unterdrückte richtet er auf. Die Hungrigen hat er satt gemacht und die Reichen schickt er mit leeren Händen weg“.
Kann man so beten und formulieren mit den Schlagzeilen der letzten Tage und Wochen in den Ohren? Ok, in Syrien ist tatsächlich ein Herrscher vom Thron gestossen worden! Aber war das Gott? Und sind die, die nachkommen nun besser? Für Syrien darf man tatsächlich noch hoffen … und vor allem: Beten. Aber die Liste mit unbarmherzigen, selbstgefälligen, brutalen und gottlosen Herrschern ist immer noch sehr lang. Und viele von ihnen sitzen sehr sicher im Sattel. Trotz Syrien ist die Erfahrung und Beobachtung eher: Die stolzen Herrscher kommen mit allem irgendwie durch. Was ist denn in Nordkorea, im Sudan, in Russland, in China? Was ist mit all den Warlords, Freischärlern und Terroristenführern? Stösst Gott sie von ihrem Thron? Richtet er die Arbeitslosen auf? Macht er die Hungernden satt? Wieso lässt er zu, dass jetzt, da die Wirtschaft in Europa stottert, viele ihren Job verlieren … während die Superreichen so viel an Vermögen zugelegt haben wie noch nie? Wo bitteschön handelt Gott unübersehbar in dieser Welt?
War vielleicht die Welt zu Zeiten von Maria und Lukas eine andere? Bessere? Dann liesse sich das Gebet besser verstehen.– Doch so war es nicht. Man war zwar nicht so umfassend und erschöpfend über alle Nöte weltweit orientiert wie heute. Doch schlechte Nachrichten gab es auch damals mehr als genug. Es kommt hier aber zum Ausdruck: Anbetung bedeutet einen Perspektivwechsel. Das ist nicht nur im Blick auf mein persönliches Leben so. Es gilt auch dafür, wie ich die Welt anschaue. Anbeten heisst eigentlich: ich schaue mit Gottes Augen hinter die Kulissen der Geschichte! Und ich schaue vom Ende her, von dem die Bibel sagt: “Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Herr, und deinen Namen ehren.” Gott ist Gott auch in der Geschichte und darum wird er sich durchsetzen!
Glaubt Ihr das, dass Gott Gott ist in der Welt und Eurem Leben? Dass er Dich mit Deinem Namen kennt und liebt? Dass er etwas ganz Besonderes vorhat mit Dir? Gott hat jeden und jede von uns berufen, eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen. Und weil er Gott ist, wird er diese Berufung in Deinem Leben auch vollenden. Glaubst Du das?? Und hast Du Gott das auch schon gesagt? Hast Du ihm schon einmal staunend gesagt, was er Dir bedeutet. Wann hast Du zuletzt in Worte gefasst, wie viel es Deinem Leben gegeben hat, dass Du Gott kennen gelernt hast? Könnte nicht ein solches Gebet Dein Geburtstagsgeschenk an Jesus sein, das Du ihm zu Weihnachten in die Krippe legst?